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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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Denkwürdigkeiten des Herzogs von Aobnrg

bis ins einzelnste gehalten hat" Stoch schwerlich ans Verehrung vor dem Rechte
der Augustenbnrger und des Bundestages!^. Der Herzog fand den Kaiser, als
er ihm in den Tuilerien seinen Besuch machte, sehr kräftig und viel frischer
als früher. "Er ging sofort ans die Lage der Dinge in Deutschland ein, be¬
dauerte den >kurz vorher erfolgteuj Tod des Königs Max von Bayern und
meinte, daß der König gerade im Begriffe gewesen sei, die deutschen Angelegen¬
heiten ohne Zweifel zu einem entsprechenden Abschluß zu bringen. Es sei also
sehr zu beklagen, daß Deutschland seineu wichtigsten und gewiegtesten Führer
verloren habe." Hinsichtlich der Elbherzogtümer "war nicht deutlich zu ent-
nehmen, ob er eine gewisse Gleichgültigkeit für ihr Schicksal mehr vorgab oder
wirklich hegte, aber über die faktischen Verhältnisse legte er eine in der That
erstaunliche Unwissenheit an den Tag. Als mich der Kaiser am nächsten Tage
mit seiner Gegenvisite beehrte, sprach er zu meiner Freude selbst den Wunsch
ans, sich etwas genauer zu unterrichten, und schlug vor, die Sache schriftlich
zu erörtern. Im übrigen sprach er diesmal noch viel bestimmter als bei
meinem ersten Gespräche mit ihm seine entschiedenste Abneigung gegen jedwede
kriegerische Verwicklung aus."

Die von Napoleon gewünschte Belehrung erfolgte zunächst dadurch, daß
der Herzog ihm eine Denkschrift übergab, die ungefähr denselben Gedanken¬
gang hatte wie die Auseinandersetzung, die Samwer dem herzoglichen Für¬
sprecher der Kieler durch Blecken hatte zustellen lassen. Sie gipfelte in dem
Wunsche, der Kaiser wöge die Konferenz annehmen und auf ihr den Vorschlag
wachen, die Losung der Frage durch allgemeine Abstimmung ^der Schleswig-
Holsteiners herbeizuführen. Daran wurden eine Reihe von Vorschlägen geknüpft,
die (wir übersetzen den französischen Text) folgendermaßen lauteten: "Der Kaiser
der Franzosen ergreift die Initiative als Verwittler und stellt nachstehende
Anträge: 1. Die beiden kriegführenden Parteien werden das Herzogtum
Schleswig räumen. 2. Die oberste Macht der Verwaltung im Herzogtum
Schleswig wird den Händen einer vom schleswigschen Landtage erwählten
Kommission übertragen. Es wird vorher eine Wahl des Landtags stattfinden.
3. Man wird in den verschiednen Bezirken nach der Weise des allgemeinen
Stimwrechts Verfahren, um den Willen des Volkes kennen zu lernen und zu
wissen, ob es seine Wahl ans den Herzog von Holstein oder ans den König
von Dänemark richtet. Was das Herzogtum Holstein betrifft, so erkennen die
europäischen Großmächte und in erster Reihe der Kaiser der Franzosen von
jetzt um den frühern Erbprinzen von Augustenburg als Herzog von Holstein
an, ohne den Rechten des Bundes und den Erbsvlgegesetzeu vorzugreifen, die
in den Familien der Souveräne Deutschlands bestehen. In dem Falle, daß
die Regierungen Rußlands und Englands sich diesem Übereinkommen wider¬
setzen sollten, würde der Kaiser, so weit es ihn angeht, den Herzog anerkennen
und dieses Übereinkommen bei den übrigen Großmächten mit Berücksichtigung


Denkwürdigkeiten des Herzogs von Aobnrg

bis ins einzelnste gehalten hat" Stoch schwerlich ans Verehrung vor dem Rechte
der Augustenbnrger und des Bundestages!^. Der Herzog fand den Kaiser, als
er ihm in den Tuilerien seinen Besuch machte, sehr kräftig und viel frischer
als früher. „Er ging sofort ans die Lage der Dinge in Deutschland ein, be¬
dauerte den >kurz vorher erfolgteuj Tod des Königs Max von Bayern und
meinte, daß der König gerade im Begriffe gewesen sei, die deutschen Angelegen¬
heiten ohne Zweifel zu einem entsprechenden Abschluß zu bringen. Es sei also
sehr zu beklagen, daß Deutschland seineu wichtigsten und gewiegtesten Führer
verloren habe." Hinsichtlich der Elbherzogtümer „war nicht deutlich zu ent-
nehmen, ob er eine gewisse Gleichgültigkeit für ihr Schicksal mehr vorgab oder
wirklich hegte, aber über die faktischen Verhältnisse legte er eine in der That
erstaunliche Unwissenheit an den Tag. Als mich der Kaiser am nächsten Tage
mit seiner Gegenvisite beehrte, sprach er zu meiner Freude selbst den Wunsch
ans, sich etwas genauer zu unterrichten, und schlug vor, die Sache schriftlich
zu erörtern. Im übrigen sprach er diesmal noch viel bestimmter als bei
meinem ersten Gespräche mit ihm seine entschiedenste Abneigung gegen jedwede
kriegerische Verwicklung aus."

Die von Napoleon gewünschte Belehrung erfolgte zunächst dadurch, daß
der Herzog ihm eine Denkschrift übergab, die ungefähr denselben Gedanken¬
gang hatte wie die Auseinandersetzung, die Samwer dem herzoglichen Für¬
sprecher der Kieler durch Blecken hatte zustellen lassen. Sie gipfelte in dem
Wunsche, der Kaiser wöge die Konferenz annehmen und auf ihr den Vorschlag
wachen, die Losung der Frage durch allgemeine Abstimmung ^der Schleswig-
Holsteiners herbeizuführen. Daran wurden eine Reihe von Vorschlägen geknüpft,
die (wir übersetzen den französischen Text) folgendermaßen lauteten: „Der Kaiser
der Franzosen ergreift die Initiative als Verwittler und stellt nachstehende
Anträge: 1. Die beiden kriegführenden Parteien werden das Herzogtum
Schleswig räumen. 2. Die oberste Macht der Verwaltung im Herzogtum
Schleswig wird den Händen einer vom schleswigschen Landtage erwählten
Kommission übertragen. Es wird vorher eine Wahl des Landtags stattfinden.
3. Man wird in den verschiednen Bezirken nach der Weise des allgemeinen
Stimwrechts Verfahren, um den Willen des Volkes kennen zu lernen und zu
wissen, ob es seine Wahl ans den Herzog von Holstein oder ans den König
von Dänemark richtet. Was das Herzogtum Holstein betrifft, so erkennen die
europäischen Großmächte und in erster Reihe der Kaiser der Franzosen von
jetzt um den frühern Erbprinzen von Augustenburg als Herzog von Holstein
an, ohne den Rechten des Bundes und den Erbsvlgegesetzeu vorzugreifen, die
in den Familien der Souveräne Deutschlands bestehen. In dem Falle, daß
die Regierungen Rußlands und Englands sich diesem Übereinkommen wider¬
setzen sollten, würde der Kaiser, so weit es ihn angeht, den Herzog anerkennen
und dieses Übereinkommen bei den übrigen Großmächten mit Berücksichtigung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/415>, abgerufen am 23.07.2024.