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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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Jnngtschechen, die bekanntlich in der Wiener Konferenz keine" Vertreter hatten,
ist allein zu schwach, um zu verhindern, was Deutsche, Alttschechen und
Großgrundbesitzer durchzusetzen übereingekommen sind.

Einen weitern Fortschritt in dein Ausgleichswerke bedeutete es, daß auch
die Wählerschaften vieler Städte und Landgemeinden ihre Zustimmung zu den
Wiener Vereinbarungen ausdrückten: alttschechische sowohl wie deutsche, die
letztern in dem großen Parteitag, der sich am 9. Februar in Teplitz ver¬
sammelte. Hier haben die Deutschen der sogenannten schärfern Tonart, die
die Errungenschaften von Wien in ihren Parteiblüttern als viel zu unbedeutend
darstellen -- sie waren ebenso wie die Jungtschechen in der Konferenz nicht
vertreten --, ihre vorläufige Zustimmung ausgesprochen. Überhaupt herrschte
in Teplitz ein gemäßigter und versöhnlicher Ton, svdciß Kaiser Franz Josef
der Parteileitung durch den Ministerpräsidenten seinen herzlichen Dank aus¬
drücken ließ -- nach mehr als einem Jahrzehnt wieder die erste Anerkennung
des patriotischen Sinnes der Deutschen in Böhmen vonseiten der Krone.

Auf den Inhalt der Abmachungen brauchen wir hier nicht einzugehen,
sie sind durch die Tagesblätter bekannt genug geworden. Da die Regierung
darin gewisse Gesetzvorlagen an den Landtag, welche Vorarbeiten -- statistische
Erhebungen u. tgi. -- verlangen, oder administrative Verfügungen zusicherte,
so konnte sie bereits -- noch ehe die nächste Session des böhmischen Landtags,
wo alles zur Entscheidung kommen soll, zusammentreten wird -- ihren festen
Willen zur Durchführung des Ausgleichswerkes an den Tag legen: jene Vor¬
arbeiten sind begonnen, jene Verfügungen sind erlassen worden, und so ist auch
auf dieser Seite alles glücklich eingeleitet.

Fassen wir kurz zusammen, was beide Parteien in diesem Ausgleich ge¬
wonnen oder verloren haben, und Ums auch ferner noch in der Schwebe bleibt.

Es ist klar, daß der Erfolg der einen sich mit einem Opfer der andern
deckt. Die Tschechen haben seit Jahrzehnten an der Einbildung festgehalten,
daß das Tschechische die eigentliche Landessprache sei, auch in rein deutschen
Bezirken müßten alle Organe der öffentlichen Autorität, Beamte und Richter,
der tschechischen Sprache mächtig sein. Umgekehrt dürfe der Deutsche nicht
beanspruchen, in rein slawischen Gebieten mit den Behörden in seiner Mutter¬
sprache verkehren zu können. Es leuchtet ein, daß diese Forderung dem Begriff
der Gleichberechtigung schroff widerspricht. Sie ist nun -- von der alttschechischen
Partei wenigstens -- aufgegeben worden: ein großes Opfer für ihr nationales
Selbstgefühl, ein sehr großer Erfolg für die Deutschen. Anderseits treten die
Deutschen wieder in den Landtag ein, wo sie in der Minderheit sind, sie ver¬
pflichten sich zu einer thätigen Teilnahme an den Landesangelegenheiten, denen
sie geraume Zeit den Rücken gekehrt haben, und indem sie die Möglichkeit eines
Ausgleichs außerhalb des Reichstags, bloß durch ein Abkommen zwischen den
im böhmischen Landtage vertretenen Interessenten zugeben, machen sie der


Jnngtschechen, die bekanntlich in der Wiener Konferenz keine» Vertreter hatten,
ist allein zu schwach, um zu verhindern, was Deutsche, Alttschechen und
Großgrundbesitzer durchzusetzen übereingekommen sind.

Einen weitern Fortschritt in dein Ausgleichswerke bedeutete es, daß auch
die Wählerschaften vieler Städte und Landgemeinden ihre Zustimmung zu den
Wiener Vereinbarungen ausdrückten: alttschechische sowohl wie deutsche, die
letztern in dem großen Parteitag, der sich am 9. Februar in Teplitz ver¬
sammelte. Hier haben die Deutschen der sogenannten schärfern Tonart, die
die Errungenschaften von Wien in ihren Parteiblüttern als viel zu unbedeutend
darstellen — sie waren ebenso wie die Jungtschechen in der Konferenz nicht
vertreten —, ihre vorläufige Zustimmung ausgesprochen. Überhaupt herrschte
in Teplitz ein gemäßigter und versöhnlicher Ton, svdciß Kaiser Franz Josef
der Parteileitung durch den Ministerpräsidenten seinen herzlichen Dank aus¬
drücken ließ — nach mehr als einem Jahrzehnt wieder die erste Anerkennung
des patriotischen Sinnes der Deutschen in Böhmen vonseiten der Krone.

Auf den Inhalt der Abmachungen brauchen wir hier nicht einzugehen,
sie sind durch die Tagesblätter bekannt genug geworden. Da die Regierung
darin gewisse Gesetzvorlagen an den Landtag, welche Vorarbeiten — statistische
Erhebungen u. tgi. — verlangen, oder administrative Verfügungen zusicherte,
so konnte sie bereits — noch ehe die nächste Session des böhmischen Landtags,
wo alles zur Entscheidung kommen soll, zusammentreten wird — ihren festen
Willen zur Durchführung des Ausgleichswerkes an den Tag legen: jene Vor¬
arbeiten sind begonnen, jene Verfügungen sind erlassen worden, und so ist auch
auf dieser Seite alles glücklich eingeleitet.

Fassen wir kurz zusammen, was beide Parteien in diesem Ausgleich ge¬
wonnen oder verloren haben, und Ums auch ferner noch in der Schwebe bleibt.

Es ist klar, daß der Erfolg der einen sich mit einem Opfer der andern
deckt. Die Tschechen haben seit Jahrzehnten an der Einbildung festgehalten,
daß das Tschechische die eigentliche Landessprache sei, auch in rein deutschen
Bezirken müßten alle Organe der öffentlichen Autorität, Beamte und Richter,
der tschechischen Sprache mächtig sein. Umgekehrt dürfe der Deutsche nicht
beanspruchen, in rein slawischen Gebieten mit den Behörden in seiner Mutter¬
sprache verkehren zu können. Es leuchtet ein, daß diese Forderung dem Begriff
der Gleichberechtigung schroff widerspricht. Sie ist nun — von der alttschechischen
Partei wenigstens — aufgegeben worden: ein großes Opfer für ihr nationales
Selbstgefühl, ein sehr großer Erfolg für die Deutschen. Anderseits treten die
Deutschen wieder in den Landtag ein, wo sie in der Minderheit sind, sie ver¬
pflichten sich zu einer thätigen Teilnahme an den Landesangelegenheiten, denen
sie geraume Zeit den Rücken gekehrt haben, und indem sie die Möglichkeit eines
Ausgleichs außerhalb des Reichstags, bloß durch ein Abkommen zwischen den
im böhmischen Landtage vertretenen Interessenten zugeben, machen sie der


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[0403] Jnngtschechen, die bekanntlich in der Wiener Konferenz keine» Vertreter hatten, ist allein zu schwach, um zu verhindern, was Deutsche, Alttschechen und Großgrundbesitzer durchzusetzen übereingekommen sind. Einen weitern Fortschritt in dein Ausgleichswerke bedeutete es, daß auch die Wählerschaften vieler Städte und Landgemeinden ihre Zustimmung zu den Wiener Vereinbarungen ausdrückten: alttschechische sowohl wie deutsche, die letztern in dem großen Parteitag, der sich am 9. Februar in Teplitz ver¬ sammelte. Hier haben die Deutschen der sogenannten schärfern Tonart, die die Errungenschaften von Wien in ihren Parteiblüttern als viel zu unbedeutend darstellen — sie waren ebenso wie die Jungtschechen in der Konferenz nicht vertreten —, ihre vorläufige Zustimmung ausgesprochen. Überhaupt herrschte in Teplitz ein gemäßigter und versöhnlicher Ton, svdciß Kaiser Franz Josef der Parteileitung durch den Ministerpräsidenten seinen herzlichen Dank aus¬ drücken ließ — nach mehr als einem Jahrzehnt wieder die erste Anerkennung des patriotischen Sinnes der Deutschen in Böhmen vonseiten der Krone. Auf den Inhalt der Abmachungen brauchen wir hier nicht einzugehen, sie sind durch die Tagesblätter bekannt genug geworden. Da die Regierung darin gewisse Gesetzvorlagen an den Landtag, welche Vorarbeiten — statistische Erhebungen u. tgi. — verlangen, oder administrative Verfügungen zusicherte, so konnte sie bereits — noch ehe die nächste Session des böhmischen Landtags, wo alles zur Entscheidung kommen soll, zusammentreten wird — ihren festen Willen zur Durchführung des Ausgleichswerkes an den Tag legen: jene Vor¬ arbeiten sind begonnen, jene Verfügungen sind erlassen worden, und so ist auch auf dieser Seite alles glücklich eingeleitet. Fassen wir kurz zusammen, was beide Parteien in diesem Ausgleich ge¬ wonnen oder verloren haben, und Ums auch ferner noch in der Schwebe bleibt. Es ist klar, daß der Erfolg der einen sich mit einem Opfer der andern deckt. Die Tschechen haben seit Jahrzehnten an der Einbildung festgehalten, daß das Tschechische die eigentliche Landessprache sei, auch in rein deutschen Bezirken müßten alle Organe der öffentlichen Autorität, Beamte und Richter, der tschechischen Sprache mächtig sein. Umgekehrt dürfe der Deutsche nicht beanspruchen, in rein slawischen Gebieten mit den Behörden in seiner Mutter¬ sprache verkehren zu können. Es leuchtet ein, daß diese Forderung dem Begriff der Gleichberechtigung schroff widerspricht. Sie ist nun — von der alttschechischen Partei wenigstens — aufgegeben worden: ein großes Opfer für ihr nationales Selbstgefühl, ein sehr großer Erfolg für die Deutschen. Anderseits treten die Deutschen wieder in den Landtag ein, wo sie in der Minderheit sind, sie ver¬ pflichten sich zu einer thätigen Teilnahme an den Landesangelegenheiten, denen sie geraume Zeit den Rücken gekehrt haben, und indem sie die Möglichkeit eines Ausgleichs außerhalb des Reichstags, bloß durch ein Abkommen zwischen den im böhmischen Landtage vertretenen Interessenten zugeben, machen sie der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/403>, abgerufen am 23.07.2024.