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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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Litteratur

großen, der ganzen Zeit und Umgebung den Stempel ausdrückenden Gestalten fehlen
im heutigen Kunstleben, wir haben die Empfindung, daß eine Zeit des gährenden
Überganges, der Vorbereitung und damit der Widersprüche und Gegensätze in unsern
Tagen begonnen hat. Sofern sie Bewegung und Streben verrät, darf mich der
Historiker diese froh begrüßen, aber doppelt vorsichtig und zurückhaltend müssen wir
den in solcher Zeit ausgegebenen Parolen gegenüber uns Verhalten. Wenn etwas
geeignet ist, uus solche Zurückhaltung zu lehren, so ist es der Rückblick auf die
Schicksale der Kunst in der kurzen Spanne Zeit, die das Buch Roseubergs
schildert. Wir wünschen ihm daher einen weiten Leserkreis unter Laien wie unter
Künstlern.

Auf Einzelheiten des durchweg fesselnd geschriebenen Werkes einzugehen, müssen
wir uns an dieser Stelle leider versagen; besonders empfehlend mögen einige Kapitel
des ersten Bandes hervorgehoben sein, wie z. B. das erste des zweiten Abschnittes:
"Der Idealismus auf naturalistischer Grundlage," mit den lebendigen Schilderungen
eines Cvuture, Meissonier, Cabanel u. a., und in der zweiten Abteilung namentlich
die Abschnitte, die das Berliner Kunstleben seit den Tagen der Cvrnelinner schildern.
Etwas breiter in kulturgeschichtlichem Sinne durchgeführt hätten wir uns das
Kapitel über die deutschen Romantiker gewünscht, ein Wunsch, der am besten be¬
weist, wie gern nur dem Verfasser zuhören.

Abbildungen sind dem Werke nicht beigegeben, in der sehr richtigen, aber leider
noch immer nicht allgemein dnrchgedrnngenen Überzeugung, "daß weder der Holz¬
schnitt, den die krankhafte Konkurrenz der illustrirten Wochenblätter zu eiuer ge¬
schmacklosen Verrohung seiner Mittel verleitet hat, noch die unsaubern Ersatzmittel
der Zinkv- und Autotypie einem künstlerisch gebildeten Auge Freude bereiten
können," Heliogravüre und Kupferlichtdruck aber den Preis eines für weitere Kreise
berechneten Buches auf eine unverhältnismäßige Höhe schrauben würden. Für den
Mangel des Bildschmucks entschädigt überdies eine ans reiche Anschauung gestützte
Beschreibung der bedeutenderen Kunstschöpfungen. Des Verfassers Berichte über
die Ausstellungen des Pariser Salons haben uns diese Seite seiner Befähigung
bereits früher oft genug in vorteilhaftestem Lichte gezeigt. Einen liebenswürdigen
Schmuck verleihen dem in typographischer Beziehung würdig ausgestatteten Buche
die von H. Schaumann für den Holzschnitt gezeichneten Kopfleisten und Vignetten,
die nach dein Vorbilde Adolf Menzels die Darstellung auch inhaltlich begleiten.






Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig -- Druck von Carl Morquart in Leipzig
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großen, der ganzen Zeit und Umgebung den Stempel ausdrückenden Gestalten fehlen
im heutigen Kunstleben, wir haben die Empfindung, daß eine Zeit des gährenden
Überganges, der Vorbereitung und damit der Widersprüche und Gegensätze in unsern
Tagen begonnen hat. Sofern sie Bewegung und Streben verrät, darf mich der
Historiker diese froh begrüßen, aber doppelt vorsichtig und zurückhaltend müssen wir
den in solcher Zeit ausgegebenen Parolen gegenüber uns Verhalten. Wenn etwas
geeignet ist, uus solche Zurückhaltung zu lehren, so ist es der Rückblick auf die
Schicksale der Kunst in der kurzen Spanne Zeit, die das Buch Roseubergs
schildert. Wir wünschen ihm daher einen weiten Leserkreis unter Laien wie unter
Künstlern.

Auf Einzelheiten des durchweg fesselnd geschriebenen Werkes einzugehen, müssen
wir uns an dieser Stelle leider versagen; besonders empfehlend mögen einige Kapitel
des ersten Bandes hervorgehoben sein, wie z. B. das erste des zweiten Abschnittes:
„Der Idealismus auf naturalistischer Grundlage," mit den lebendigen Schilderungen
eines Cvuture, Meissonier, Cabanel u. a., und in der zweiten Abteilung namentlich
die Abschnitte, die das Berliner Kunstleben seit den Tagen der Cvrnelinner schildern.
Etwas breiter in kulturgeschichtlichem Sinne durchgeführt hätten wir uns das
Kapitel über die deutschen Romantiker gewünscht, ein Wunsch, der am besten be¬
weist, wie gern nur dem Verfasser zuhören.

Abbildungen sind dem Werke nicht beigegeben, in der sehr richtigen, aber leider
noch immer nicht allgemein dnrchgedrnngenen Überzeugung, „daß weder der Holz¬
schnitt, den die krankhafte Konkurrenz der illustrirten Wochenblätter zu eiuer ge¬
schmacklosen Verrohung seiner Mittel verleitet hat, noch die unsaubern Ersatzmittel
der Zinkv- und Autotypie einem künstlerisch gebildeten Auge Freude bereiten
können," Heliogravüre und Kupferlichtdruck aber den Preis eines für weitere Kreise
berechneten Buches auf eine unverhältnismäßige Höhe schrauben würden. Für den
Mangel des Bildschmucks entschädigt überdies eine ans reiche Anschauung gestützte
Beschreibung der bedeutenderen Kunstschöpfungen. Des Verfassers Berichte über
die Ausstellungen des Pariser Salons haben uns diese Seite seiner Befähigung
bereits früher oft genug in vorteilhaftestem Lichte gezeigt. Einen liebenswürdigen
Schmuck verleihen dem in typographischer Beziehung würdig ausgestatteten Buche
die von H. Schaumann für den Holzschnitt gezeichneten Kopfleisten und Vignetten,
die nach dein Vorbilde Adolf Menzels die Darstellung auch inhaltlich begleiten.






Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig — Druck von Carl Morquart in Leipzig
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[0400] Litteratur großen, der ganzen Zeit und Umgebung den Stempel ausdrückenden Gestalten fehlen im heutigen Kunstleben, wir haben die Empfindung, daß eine Zeit des gährenden Überganges, der Vorbereitung und damit der Widersprüche und Gegensätze in unsern Tagen begonnen hat. Sofern sie Bewegung und Streben verrät, darf mich der Historiker diese froh begrüßen, aber doppelt vorsichtig und zurückhaltend müssen wir den in solcher Zeit ausgegebenen Parolen gegenüber uns Verhalten. Wenn etwas geeignet ist, uus solche Zurückhaltung zu lehren, so ist es der Rückblick auf die Schicksale der Kunst in der kurzen Spanne Zeit, die das Buch Roseubergs schildert. Wir wünschen ihm daher einen weiten Leserkreis unter Laien wie unter Künstlern. Auf Einzelheiten des durchweg fesselnd geschriebenen Werkes einzugehen, müssen wir uns an dieser Stelle leider versagen; besonders empfehlend mögen einige Kapitel des ersten Bandes hervorgehoben sein, wie z. B. das erste des zweiten Abschnittes: „Der Idealismus auf naturalistischer Grundlage," mit den lebendigen Schilderungen eines Cvuture, Meissonier, Cabanel u. a., und in der zweiten Abteilung namentlich die Abschnitte, die das Berliner Kunstleben seit den Tagen der Cvrnelinner schildern. Etwas breiter in kulturgeschichtlichem Sinne durchgeführt hätten wir uns das Kapitel über die deutschen Romantiker gewünscht, ein Wunsch, der am besten be¬ weist, wie gern nur dem Verfasser zuhören. Abbildungen sind dem Werke nicht beigegeben, in der sehr richtigen, aber leider noch immer nicht allgemein dnrchgedrnngenen Überzeugung, „daß weder der Holz¬ schnitt, den die krankhafte Konkurrenz der illustrirten Wochenblätter zu eiuer ge¬ schmacklosen Verrohung seiner Mittel verleitet hat, noch die unsaubern Ersatzmittel der Zinkv- und Autotypie einem künstlerisch gebildeten Auge Freude bereiten können," Heliogravüre und Kupferlichtdruck aber den Preis eines für weitere Kreise berechneten Buches auf eine unverhältnismäßige Höhe schrauben würden. Für den Mangel des Bildschmucks entschädigt überdies eine ans reiche Anschauung gestützte Beschreibung der bedeutenderen Kunstschöpfungen. Des Verfassers Berichte über die Ausstellungen des Pariser Salons haben uns diese Seite seiner Befähigung bereits früher oft genug in vorteilhaftestem Lichte gezeigt. Einen liebenswürdigen Schmuck verleihen dem in typographischer Beziehung würdig ausgestatteten Buche die von H. Schaumann für den Holzschnitt gezeichneten Kopfleisten und Vignetten, die nach dein Vorbilde Adolf Menzels die Darstellung auch inhaltlich begleiten. Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig — Druck von Carl Morquart in Leipzig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/400>, abgerufen am 23.07.2024.