Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Junior und Aomik in der griechischen Annst

von Karrikaturen den Namen Gryllvi. Und dnß selbst die Furcht vor schwerer
Strafe nicht vor dein Übermut der Künstler schützte, dafür stehen uns als
Beleg heute noch Karriknturfiguren römischer Kaiser, die sich in den Samm¬
lungen finden, zu Gebote. Daß man neben der politischen auch schon die
litterarische Karrikatur kannte, lehrt das Beispiel des Malers Galaton, der
den Homer malte, wie er sich erbricht und die andern Dichter -- gemeint sind
die spätern, den Homer nachahmenden Epiker -- das begierig ausschöpfen,
was er von sich gegeben hat. Sonst aber liebte es die Kunst ganz besonders,
die Heroensage, die ja auch im Satyrspiel und vornehmlich in der burlesken
sogenannten Phlyakenposse parodirt wurde, zu karrikiren. So erscheinen z. B.
bei der Tötung der Meduse durch Perseus anstatt der Gorgonen mit ihrem
schrecklichen Äußern schlafende Mädchen von dem Ansehen sterblicher Jungfrauen
mit recht gemeinen Zügen, und das abgehauene Hnnpt der Meduse selbst macht
statt der sonst furchtbar verzerrten Züge einen behaglich zufriedner Eindruck.
In einer kleinen Silberfigur trägt Perseus anstatt des Medusenhauptes einen
Affenkopf in der Hand; auf einem Vnseugemälde zeigt ihm Athene im
spiegelnden Wasser des Brunnens das Haupt: es ist aber die Maske eines
grämlich dreinschauenden alten Herrn u. dergl. in. Ja selbst die hohen und
höchsten Götter verschonte die Karrikatur uicht. Ein Schüler des Apelles
stellte den Zeus dar, wie er den in seinen Schenkel eingenähten Dionysos zur
Welt bringt; die Szene, die freilich an sich schon lächerlich ist, war dadurch
noch mehr parodirt, daß er den bärtigen Vater der Götter und Menschen mit
nner Weiberhaube auf dem Kopfe malte, wie er unter weibischen Klagen und
Jammern und unter Beistand der göttlichen Hebammen seine wunderliche Ent¬
bindung durchmachte. Sehr gern benutzten die alten Karrikaturmaler auch das
tierische Element, um dadurch, daß Tiere in menschlicher Tracht oder in mersch-
^chen Handlungen vorgeführt werden, wie in der Fabel, eine komische Wirkung
SU erzielen. So stellt ein in Herculaneum gefundenes Mosaik vor, wie drei
weibliche Vögel, eine Henne, eine Gans und eine Ente, sich vor einem herum-
"rdig gebildeten Hahne spreizen; höchst wahrscheinlich eine Parodie des Paris¬
urteils. Ans einem andern Bilde trägt Aeneas seinen alten Vater auf den
Schultern davon, den kleinen Ascanius an der Hand führend: aber alle drei
sind Kyuvkephalen, yundstopfige Affen. Neuerdings haben sich auf dem
Boden Böotiens Basengemälde mit karrikirtcn Figuren gefunden, die sonst in
Griechenland nicht häufig sind; sie haben in der Behandlung Ähnlichkeit mit
^u Pygmäen, deren Darstellung man auch dem Gebiet der Karrikatur ein¬
sitzen könnte, zumal da ihre Kämpfe Parodien des Epos und der daraus hervor-
Ü^gangenen Vorstellungen sind.

Werfen wir noch einen kurzen Rückblick ans das durchwanderte Gebiet, so
^hen wir, daß in der antiken Kunst Komik und Humor sich ans den maunich-
^ltigsten Gebiete" geltend machen. Wir finden ebenso den harmlos naiven


Junior und Aomik in der griechischen Annst

von Karrikaturen den Namen Gryllvi. Und dnß selbst die Furcht vor schwerer
Strafe nicht vor dein Übermut der Künstler schützte, dafür stehen uns als
Beleg heute noch Karriknturfiguren römischer Kaiser, die sich in den Samm¬
lungen finden, zu Gebote. Daß man neben der politischen auch schon die
litterarische Karrikatur kannte, lehrt das Beispiel des Malers Galaton, der
den Homer malte, wie er sich erbricht und die andern Dichter — gemeint sind
die spätern, den Homer nachahmenden Epiker — das begierig ausschöpfen,
was er von sich gegeben hat. Sonst aber liebte es die Kunst ganz besonders,
die Heroensage, die ja auch im Satyrspiel und vornehmlich in der burlesken
sogenannten Phlyakenposse parodirt wurde, zu karrikiren. So erscheinen z. B.
bei der Tötung der Meduse durch Perseus anstatt der Gorgonen mit ihrem
schrecklichen Äußern schlafende Mädchen von dem Ansehen sterblicher Jungfrauen
mit recht gemeinen Zügen, und das abgehauene Hnnpt der Meduse selbst macht
statt der sonst furchtbar verzerrten Züge einen behaglich zufriedner Eindruck.
In einer kleinen Silberfigur trägt Perseus anstatt des Medusenhauptes einen
Affenkopf in der Hand; auf einem Vnseugemälde zeigt ihm Athene im
spiegelnden Wasser des Brunnens das Haupt: es ist aber die Maske eines
grämlich dreinschauenden alten Herrn u. dergl. in. Ja selbst die hohen und
höchsten Götter verschonte die Karrikatur uicht. Ein Schüler des Apelles
stellte den Zeus dar, wie er den in seinen Schenkel eingenähten Dionysos zur
Welt bringt; die Szene, die freilich an sich schon lächerlich ist, war dadurch
noch mehr parodirt, daß er den bärtigen Vater der Götter und Menschen mit
nner Weiberhaube auf dem Kopfe malte, wie er unter weibischen Klagen und
Jammern und unter Beistand der göttlichen Hebammen seine wunderliche Ent¬
bindung durchmachte. Sehr gern benutzten die alten Karrikaturmaler auch das
tierische Element, um dadurch, daß Tiere in menschlicher Tracht oder in mersch-
^chen Handlungen vorgeführt werden, wie in der Fabel, eine komische Wirkung
SU erzielen. So stellt ein in Herculaneum gefundenes Mosaik vor, wie drei
weibliche Vögel, eine Henne, eine Gans und eine Ente, sich vor einem herum-
"rdig gebildeten Hahne spreizen; höchst wahrscheinlich eine Parodie des Paris¬
urteils. Ans einem andern Bilde trägt Aeneas seinen alten Vater auf den
Schultern davon, den kleinen Ascanius an der Hand führend: aber alle drei
sind Kyuvkephalen, yundstopfige Affen. Neuerdings haben sich auf dem
Boden Böotiens Basengemälde mit karrikirtcn Figuren gefunden, die sonst in
Griechenland nicht häufig sind; sie haben in der Behandlung Ähnlichkeit mit
^u Pygmäen, deren Darstellung man auch dem Gebiet der Karrikatur ein¬
sitzen könnte, zumal da ihre Kämpfe Parodien des Epos und der daraus hervor-
Ü^gangenen Vorstellungen sind.

Werfen wir noch einen kurzen Rückblick ans das durchwanderte Gebiet, so
^hen wir, daß in der antiken Kunst Komik und Humor sich ans den maunich-
^ltigsten Gebiete» geltend machen. Wir finden ebenso den harmlos naiven


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0381" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/207026"/>
          <fw type="header" place="top"> Junior und Aomik in der griechischen Annst</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1000" prev="#ID_999"> von Karrikaturen den Namen Gryllvi. Und dnß selbst die Furcht vor schwerer<lb/>
Strafe nicht vor dein Übermut der Künstler schützte, dafür stehen uns als<lb/>
Beleg heute noch Karriknturfiguren römischer Kaiser, die sich in den Samm¬<lb/>
lungen finden, zu Gebote. Daß man neben der politischen auch schon die<lb/>
litterarische Karrikatur kannte, lehrt das Beispiel des Malers Galaton, der<lb/>
den Homer malte, wie er sich erbricht und die andern Dichter &#x2014; gemeint sind<lb/>
die spätern, den Homer nachahmenden Epiker &#x2014; das begierig ausschöpfen,<lb/>
was er von sich gegeben hat. Sonst aber liebte es die Kunst ganz besonders,<lb/>
die Heroensage, die ja auch im Satyrspiel und vornehmlich in der burlesken<lb/>
sogenannten Phlyakenposse parodirt wurde, zu karrikiren. So erscheinen z. B.<lb/>
bei der Tötung der Meduse durch Perseus anstatt der Gorgonen mit ihrem<lb/>
schrecklichen Äußern schlafende Mädchen von dem Ansehen sterblicher Jungfrauen<lb/>
mit recht gemeinen Zügen, und das abgehauene Hnnpt der Meduse selbst macht<lb/>
statt der sonst furchtbar verzerrten Züge einen behaglich zufriedner Eindruck.<lb/>
In einer kleinen Silberfigur trägt Perseus anstatt des Medusenhauptes einen<lb/>
Affenkopf in der Hand; auf einem Vnseugemälde zeigt ihm Athene im<lb/>
spiegelnden Wasser des Brunnens das Haupt: es ist aber die Maske eines<lb/>
grämlich dreinschauenden alten Herrn u. dergl. in. Ja selbst die hohen und<lb/>
höchsten Götter verschonte die Karrikatur uicht. Ein Schüler des Apelles<lb/>
stellte den Zeus dar, wie er den in seinen Schenkel eingenähten Dionysos zur<lb/>
Welt bringt; die Szene, die freilich an sich schon lächerlich ist, war dadurch<lb/>
noch mehr parodirt, daß er den bärtigen Vater der Götter und Menschen mit<lb/>
nner Weiberhaube auf dem Kopfe malte, wie er unter weibischen Klagen und<lb/>
Jammern und unter Beistand der göttlichen Hebammen seine wunderliche Ent¬<lb/>
bindung durchmachte. Sehr gern benutzten die alten Karrikaturmaler auch das<lb/>
tierische Element, um dadurch, daß Tiere in menschlicher Tracht oder in mersch-<lb/>
^chen Handlungen vorgeführt werden, wie in der Fabel, eine komische Wirkung<lb/>
SU erzielen. So stellt ein in Herculaneum gefundenes Mosaik vor, wie drei<lb/>
weibliche Vögel, eine Henne, eine Gans und eine Ente, sich vor einem herum-<lb/>
"rdig gebildeten Hahne spreizen; höchst wahrscheinlich eine Parodie des Paris¬<lb/>
urteils. Ans einem andern Bilde trägt Aeneas seinen alten Vater auf den<lb/>
Schultern davon, den kleinen Ascanius an der Hand führend: aber alle drei<lb/>
sind Kyuvkephalen, yundstopfige Affen. Neuerdings haben sich auf dem<lb/>
Boden Böotiens Basengemälde mit karrikirtcn Figuren gefunden, die sonst in<lb/>
Griechenland nicht häufig sind; sie haben in der Behandlung Ähnlichkeit mit<lb/>
^u Pygmäen, deren Darstellung man auch dem Gebiet der Karrikatur ein¬<lb/>
sitzen könnte, zumal da ihre Kämpfe Parodien des Epos und der daraus hervor-<lb/>
Ü^gangenen Vorstellungen sind.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1001" next="#ID_1002"> Werfen wir noch einen kurzen Rückblick ans das durchwanderte Gebiet, so<lb/>
^hen wir, daß in der antiken Kunst Komik und Humor sich ans den maunich-<lb/>
^ltigsten Gebiete» geltend machen.  Wir finden ebenso den harmlos naiven</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0381] Junior und Aomik in der griechischen Annst von Karrikaturen den Namen Gryllvi. Und dnß selbst die Furcht vor schwerer Strafe nicht vor dein Übermut der Künstler schützte, dafür stehen uns als Beleg heute noch Karriknturfiguren römischer Kaiser, die sich in den Samm¬ lungen finden, zu Gebote. Daß man neben der politischen auch schon die litterarische Karrikatur kannte, lehrt das Beispiel des Malers Galaton, der den Homer malte, wie er sich erbricht und die andern Dichter — gemeint sind die spätern, den Homer nachahmenden Epiker — das begierig ausschöpfen, was er von sich gegeben hat. Sonst aber liebte es die Kunst ganz besonders, die Heroensage, die ja auch im Satyrspiel und vornehmlich in der burlesken sogenannten Phlyakenposse parodirt wurde, zu karrikiren. So erscheinen z. B. bei der Tötung der Meduse durch Perseus anstatt der Gorgonen mit ihrem schrecklichen Äußern schlafende Mädchen von dem Ansehen sterblicher Jungfrauen mit recht gemeinen Zügen, und das abgehauene Hnnpt der Meduse selbst macht statt der sonst furchtbar verzerrten Züge einen behaglich zufriedner Eindruck. In einer kleinen Silberfigur trägt Perseus anstatt des Medusenhauptes einen Affenkopf in der Hand; auf einem Vnseugemälde zeigt ihm Athene im spiegelnden Wasser des Brunnens das Haupt: es ist aber die Maske eines grämlich dreinschauenden alten Herrn u. dergl. in. Ja selbst die hohen und höchsten Götter verschonte die Karrikatur uicht. Ein Schüler des Apelles stellte den Zeus dar, wie er den in seinen Schenkel eingenähten Dionysos zur Welt bringt; die Szene, die freilich an sich schon lächerlich ist, war dadurch noch mehr parodirt, daß er den bärtigen Vater der Götter und Menschen mit nner Weiberhaube auf dem Kopfe malte, wie er unter weibischen Klagen und Jammern und unter Beistand der göttlichen Hebammen seine wunderliche Ent¬ bindung durchmachte. Sehr gern benutzten die alten Karrikaturmaler auch das tierische Element, um dadurch, daß Tiere in menschlicher Tracht oder in mersch- ^chen Handlungen vorgeführt werden, wie in der Fabel, eine komische Wirkung SU erzielen. So stellt ein in Herculaneum gefundenes Mosaik vor, wie drei weibliche Vögel, eine Henne, eine Gans und eine Ente, sich vor einem herum- "rdig gebildeten Hahne spreizen; höchst wahrscheinlich eine Parodie des Paris¬ urteils. Ans einem andern Bilde trägt Aeneas seinen alten Vater auf den Schultern davon, den kleinen Ascanius an der Hand führend: aber alle drei sind Kyuvkephalen, yundstopfige Affen. Neuerdings haben sich auf dem Boden Böotiens Basengemälde mit karrikirtcn Figuren gefunden, die sonst in Griechenland nicht häufig sind; sie haben in der Behandlung Ähnlichkeit mit ^u Pygmäen, deren Darstellung man auch dem Gebiet der Karrikatur ein¬ sitzen könnte, zumal da ihre Kämpfe Parodien des Epos und der daraus hervor- Ü^gangenen Vorstellungen sind. Werfen wir noch einen kurzen Rückblick ans das durchwanderte Gebiet, so ^hen wir, daß in der antiken Kunst Komik und Humor sich ans den maunich- ^ltigsten Gebiete» geltend machen. Wir finden ebenso den harmlos naiven

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/381
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/381>, abgerufen am 25.08.2024.