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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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i^minor und Aonnk in der griechischen kimmst

und andres mehr. Auf einem kleinen Wandgemälde ist ein Maleratelier dar¬
gestellt, wo sämtliche Personen, der Maler wie der, der sich Porträtiren läßt,
der Farbenreiber, der zeichnende Schiller und ein paar die Werkstatt besuchende
Kunstliebhaber Pygmäen sind, wodurch selbstverständlich die an sich nicht
komische Szene zu einer solchen wird. Da man das Zwergvolk nach Ägypten
verlegte, so brachte sie die Kunst auch gern in ägyptische Umgebung; wir
finden sie, wie sie mit ängstlichem, weinerlichen Gesicht auf einem Krokodile
reiten oder voller Entsetzen beim Anblick eines seinen Rachen gähnend auf¬
sperrenden Nilpferdes nusreißen. Auf einem vor einigen Jahren in Pompeji
aufgefundenen Gemälde, das sehr viel von sich reden gemacht hat, weil die
dargestellte Handlung das Urteil des Königs Salomo darzustellen schien, sind
sämtliche dargestellte Personen ebenfalls Pygmäen.

Wenden wir uns endlich zu den Darstellungen des täglichen Lebens, die
für die modernen Maler die reichste Quelle für Komik und Humor bilden und
sicherlich ebenso einst auch den alten Meistern. Die feine Beobachtungsgabe,
die scharfe Charakteristik der alten Künstler zeigt sich da ganz besonders in den
aus dem Leben gegriffenen Typen, mag es sich nun um größere statuarische
Werke oder um die kleinen Erzeugnisse der Thonplastik handeln. Unter jenen
finden wir z. B. prächtige Figuren von Landleuten, Fischern, eine ungemein
charakteristisch und humorvoll behandelte Szene eines Schweineschlachtens
n. dergl. in.; ferner Genrebilder, wie die bekannte Figur des Knaben mit der
Gans, jenes prächtigen dicken Jungen, der sich eine Gans gehascht hat und
nun voll übermütiger Lust den langen Hals des Tieres an sich drückt, daß
dies ängstlich flatternd nach Luft schnappt, während der kleine Missethäter sich
über seine Heldenthat königlich freut. Oder jenes realistische Gegenstück des
uoch in archaischer Gebundenheit gearbeiteten kapitolinischen Dornausziehers,
der derbe Bauern lmrsche, der sich einen Dorn in den Fuß getreten hat und
mit schmerzhaft verzerrtem Gesicht, das dem gesunden Jungen aber mehr komisch
mis traurig steht, diesen zu entfernen bemüht ist. Und was die kleinen Thon¬
figuren anlangt, so erinnere ich ganz besonders an die tanagräischen Terrakotten,
unter denen freilich diese humoristischen Stücke weniger allgemein bekannt sind,
"is die in zahlreichen Nachbildungen verbreiteten Figuren schöner Frauen: so die
Figur einer alten Hökerin, die vor ihrem Öfchen sitzt und sich etwas kocht; oder
ein bärtiger Alter, der einen kleinen Rost vor sich hat, auf dem er irgend eine
Speise zubereitet; oder die reizende Gruppe eines auf niedrigem Scheine!
bockender, mit dem Frisirmantel bekleideten Herrn, hinter dem ein würdiger
Barbier steht, eben im Begriff, dem Kunden mit der Schere das Haar zu
kürzen, dieser ebenso prächtig in seinem ernsten Amtseifer, wie jener in seiner
ftillergebenen Ruhe.

Und wenn wir weiter gehen, so stoßen wir zumal in der Vasenmalerei
und in der Kleinkunst überall ans solche anmutige Szenen des täglichen Lebens,


i^minor und Aonnk in der griechischen kimmst

und andres mehr. Auf einem kleinen Wandgemälde ist ein Maleratelier dar¬
gestellt, wo sämtliche Personen, der Maler wie der, der sich Porträtiren läßt,
der Farbenreiber, der zeichnende Schiller und ein paar die Werkstatt besuchende
Kunstliebhaber Pygmäen sind, wodurch selbstverständlich die an sich nicht
komische Szene zu einer solchen wird. Da man das Zwergvolk nach Ägypten
verlegte, so brachte sie die Kunst auch gern in ägyptische Umgebung; wir
finden sie, wie sie mit ängstlichem, weinerlichen Gesicht auf einem Krokodile
reiten oder voller Entsetzen beim Anblick eines seinen Rachen gähnend auf¬
sperrenden Nilpferdes nusreißen. Auf einem vor einigen Jahren in Pompeji
aufgefundenen Gemälde, das sehr viel von sich reden gemacht hat, weil die
dargestellte Handlung das Urteil des Königs Salomo darzustellen schien, sind
sämtliche dargestellte Personen ebenfalls Pygmäen.

Wenden wir uns endlich zu den Darstellungen des täglichen Lebens, die
für die modernen Maler die reichste Quelle für Komik und Humor bilden und
sicherlich ebenso einst auch den alten Meistern. Die feine Beobachtungsgabe,
die scharfe Charakteristik der alten Künstler zeigt sich da ganz besonders in den
aus dem Leben gegriffenen Typen, mag es sich nun um größere statuarische
Werke oder um die kleinen Erzeugnisse der Thonplastik handeln. Unter jenen
finden wir z. B. prächtige Figuren von Landleuten, Fischern, eine ungemein
charakteristisch und humorvoll behandelte Szene eines Schweineschlachtens
n. dergl. in.; ferner Genrebilder, wie die bekannte Figur des Knaben mit der
Gans, jenes prächtigen dicken Jungen, der sich eine Gans gehascht hat und
nun voll übermütiger Lust den langen Hals des Tieres an sich drückt, daß
dies ängstlich flatternd nach Luft schnappt, während der kleine Missethäter sich
über seine Heldenthat königlich freut. Oder jenes realistische Gegenstück des
uoch in archaischer Gebundenheit gearbeiteten kapitolinischen Dornausziehers,
der derbe Bauern lmrsche, der sich einen Dorn in den Fuß getreten hat und
mit schmerzhaft verzerrtem Gesicht, das dem gesunden Jungen aber mehr komisch
mis traurig steht, diesen zu entfernen bemüht ist. Und was die kleinen Thon¬
figuren anlangt, so erinnere ich ganz besonders an die tanagräischen Terrakotten,
unter denen freilich diese humoristischen Stücke weniger allgemein bekannt sind,
"is die in zahlreichen Nachbildungen verbreiteten Figuren schöner Frauen: so die
Figur einer alten Hökerin, die vor ihrem Öfchen sitzt und sich etwas kocht; oder
ein bärtiger Alter, der einen kleinen Rost vor sich hat, auf dem er irgend eine
Speise zubereitet; oder die reizende Gruppe eines auf niedrigem Scheine!
bockender, mit dem Frisirmantel bekleideten Herrn, hinter dem ein würdiger
Barbier steht, eben im Begriff, dem Kunden mit der Schere das Haar zu
kürzen, dieser ebenso prächtig in seinem ernsten Amtseifer, wie jener in seiner
ftillergebenen Ruhe.

Und wenn wir weiter gehen, so stoßen wir zumal in der Vasenmalerei
und in der Kleinkunst überall ans solche anmutige Szenen des täglichen Lebens,


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[0379] i^minor und Aonnk in der griechischen kimmst und andres mehr. Auf einem kleinen Wandgemälde ist ein Maleratelier dar¬ gestellt, wo sämtliche Personen, der Maler wie der, der sich Porträtiren läßt, der Farbenreiber, der zeichnende Schiller und ein paar die Werkstatt besuchende Kunstliebhaber Pygmäen sind, wodurch selbstverständlich die an sich nicht komische Szene zu einer solchen wird. Da man das Zwergvolk nach Ägypten verlegte, so brachte sie die Kunst auch gern in ägyptische Umgebung; wir finden sie, wie sie mit ängstlichem, weinerlichen Gesicht auf einem Krokodile reiten oder voller Entsetzen beim Anblick eines seinen Rachen gähnend auf¬ sperrenden Nilpferdes nusreißen. Auf einem vor einigen Jahren in Pompeji aufgefundenen Gemälde, das sehr viel von sich reden gemacht hat, weil die dargestellte Handlung das Urteil des Königs Salomo darzustellen schien, sind sämtliche dargestellte Personen ebenfalls Pygmäen. Wenden wir uns endlich zu den Darstellungen des täglichen Lebens, die für die modernen Maler die reichste Quelle für Komik und Humor bilden und sicherlich ebenso einst auch den alten Meistern. Die feine Beobachtungsgabe, die scharfe Charakteristik der alten Künstler zeigt sich da ganz besonders in den aus dem Leben gegriffenen Typen, mag es sich nun um größere statuarische Werke oder um die kleinen Erzeugnisse der Thonplastik handeln. Unter jenen finden wir z. B. prächtige Figuren von Landleuten, Fischern, eine ungemein charakteristisch und humorvoll behandelte Szene eines Schweineschlachtens n. dergl. in.; ferner Genrebilder, wie die bekannte Figur des Knaben mit der Gans, jenes prächtigen dicken Jungen, der sich eine Gans gehascht hat und nun voll übermütiger Lust den langen Hals des Tieres an sich drückt, daß dies ängstlich flatternd nach Luft schnappt, während der kleine Missethäter sich über seine Heldenthat königlich freut. Oder jenes realistische Gegenstück des uoch in archaischer Gebundenheit gearbeiteten kapitolinischen Dornausziehers, der derbe Bauern lmrsche, der sich einen Dorn in den Fuß getreten hat und mit schmerzhaft verzerrtem Gesicht, das dem gesunden Jungen aber mehr komisch mis traurig steht, diesen zu entfernen bemüht ist. Und was die kleinen Thon¬ figuren anlangt, so erinnere ich ganz besonders an die tanagräischen Terrakotten, unter denen freilich diese humoristischen Stücke weniger allgemein bekannt sind, "is die in zahlreichen Nachbildungen verbreiteten Figuren schöner Frauen: so die Figur einer alten Hökerin, die vor ihrem Öfchen sitzt und sich etwas kocht; oder ein bärtiger Alter, der einen kleinen Rost vor sich hat, auf dem er irgend eine Speise zubereitet; oder die reizende Gruppe eines auf niedrigem Scheine! bockender, mit dem Frisirmantel bekleideten Herrn, hinter dem ein würdiger Barbier steht, eben im Begriff, dem Kunden mit der Schere das Haar zu kürzen, dieser ebenso prächtig in seinem ernsten Amtseifer, wie jener in seiner ftillergebenen Ruhe. Und wenn wir weiter gehen, so stoßen wir zumal in der Vasenmalerei und in der Kleinkunst überall ans solche anmutige Szenen des täglichen Lebens,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/379>, abgerufen am 23.07.2024.