Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.Gestalt läßt. Da sehen wir denn die Armen mit Köpfen von Eseln, Schweinen, Noch manche derartige Züge aus der reichen Menge von Darstellungen Gestalt läßt. Da sehen wir denn die Armen mit Köpfen von Eseln, Schweinen, Noch manche derartige Züge aus der reichen Menge von Darstellungen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0378" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/207023"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_992" prev="#ID_991"> Gestalt läßt. Da sehen wir denn die Armen mit Köpfen von Eseln, Schweinen,<lb/> Schafen, Ochsen, Schwänen u. tgi. herumlaufen und sich traurig geberden;<lb/> und das Komische, das ja an sich schon in der ganzen Verwandlungsgeschichte<lb/> liegt, wird durch diese Art der Darstellung noch erhöht. Die reizende, in<lb/> ihrer Naivität so anziehende Szene, in der der Dichter uns die erste Begegnung<lb/> des Odysseus mit der Nausikaa schildert, haben auch die Künstler in schalkhafter<lb/> Weise aufzufassen gewußt; scherzhaft stellen sie die Begleiterinnen der Königs¬<lb/> tochter noch bei der großen Wäsche, die im Gedichte bereits vollendet ist, dar,<lb/> die Wäschestücke cmswmdeud oder zum Trocknen aussaugend: da erscheint der<lb/> wildaussehende Mann, seine Blöße nur mit dem in der Eile abgerissenen<lb/> Zweige deckend, und erschreckt stiebt das Völkchen ans einander, während nur<lb/> die mutige Königstochter selbst Stand hält.</p><lb/> <p xml:id="ID_993" next="#ID_994"> Noch manche derartige Züge aus der reichen Menge von Darstellungen<lb/> der Heroensage könnten hier angeführt werden, doch mag das Gesagte genügen,<lb/> um zu zeige»?, in welcher Weise das Komische auf dem mythologischen Gebiete<lb/> zu seinem Rechte kam. Nur einer Klasse von Darstellungen wollen wir hier<lb/> uoch gedenken, die teilweise auch in das Gebiet der Sage gehört und ganz<lb/> besonders hervorzuheben ist, wenn man vom komischen Element in der griechi¬<lb/> schen Kunst handelt: es sind die Darstellungen des wunderliche» Zwergvolkes<lb/> der Alten, der Phgmäeu. Die vermutlich durch Schiffererzählungen entstandene,<lb/> bereits der homerischen Zeit bekannte Sage versetzte an den fernen Ozean ein<lb/> nur ellengroßes Volk, das beständig in schwerem Kampfe mit seinen bittern<lb/> Feinden, den Kranichen, lag; später suchte man es vornehmlich in Indien und<lb/> Obcrügypten. Ihre Kämpfe mit den Kranichen sind durchaus ernster und nicht<lb/> selten recht blutiger Natur, wirken aber durch die Gestalt der Kämpfer gegen¬<lb/> über den großen Vögeln stets burlesk. Die Kunst stellt die Pygmäen meist<lb/> mit sehr großen Köpfen, die auf einem kleinen, dickbäuchigen Körper sitzen, dar,<lb/> die Nase ist krumm oder negerartig platt, die Beine kurz und schief. Ihre<lb/> Waffen sind schleudern, Hirtenstübe u. tgi., ihre Schlachtrvsse Ziegenböcke.<lb/> „In verschiednen Gruppen stellte man den Eifer der Kümpfendeu und die<lb/> Schmerzensäußerungen der verwundeten kleinen Helden in höchst ergetzlicher<lb/> Weise dar, wobei die komische Wirkung nicht wenig durch die ernsthafte Haltung<lb/> der Kraniche der hastigen Ungeberdigkeit der Pygmäen gegenüber verstärkt wird"<lb/> (Jahr). Auch mit Herakles brachte man sie zusammen; Philostrat beschreibt ein<lb/> Gemälde, wo eine Phgmäenschar einen Angriff auf den schlafenden Helden macht,<lb/> und wir haben noch ein Relief erhalten, auf dem Herakles mit seinein Becher in<lb/> der Hand schläft, während ein Pygmäe auf einer Leiter zu dem Becher hinauf¬<lb/> geklettert ist und sich tief in ihn hineinbückt, um daraus einen Zug zu thun. Die<lb/> spätere Kunst verwandte dann diese possirlichen Kerlchen, nur sie, wie die vorhin<lb/> erwähnten Amoretten, in den mannichfaltigsten Situationen des täglichen Lebens<lb/> der Mensche» darzustellen, als Handwerker, als Fischer, Musiker, Faustkämpfer</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0378]
Gestalt läßt. Da sehen wir denn die Armen mit Köpfen von Eseln, Schweinen,
Schafen, Ochsen, Schwänen u. tgi. herumlaufen und sich traurig geberden;
und das Komische, das ja an sich schon in der ganzen Verwandlungsgeschichte
liegt, wird durch diese Art der Darstellung noch erhöht. Die reizende, in
ihrer Naivität so anziehende Szene, in der der Dichter uns die erste Begegnung
des Odysseus mit der Nausikaa schildert, haben auch die Künstler in schalkhafter
Weise aufzufassen gewußt; scherzhaft stellen sie die Begleiterinnen der Königs¬
tochter noch bei der großen Wäsche, die im Gedichte bereits vollendet ist, dar,
die Wäschestücke cmswmdeud oder zum Trocknen aussaugend: da erscheint der
wildaussehende Mann, seine Blöße nur mit dem in der Eile abgerissenen
Zweige deckend, und erschreckt stiebt das Völkchen ans einander, während nur
die mutige Königstochter selbst Stand hält.
Noch manche derartige Züge aus der reichen Menge von Darstellungen
der Heroensage könnten hier angeführt werden, doch mag das Gesagte genügen,
um zu zeige»?, in welcher Weise das Komische auf dem mythologischen Gebiete
zu seinem Rechte kam. Nur einer Klasse von Darstellungen wollen wir hier
uoch gedenken, die teilweise auch in das Gebiet der Sage gehört und ganz
besonders hervorzuheben ist, wenn man vom komischen Element in der griechi¬
schen Kunst handelt: es sind die Darstellungen des wunderliche» Zwergvolkes
der Alten, der Phgmäeu. Die vermutlich durch Schiffererzählungen entstandene,
bereits der homerischen Zeit bekannte Sage versetzte an den fernen Ozean ein
nur ellengroßes Volk, das beständig in schwerem Kampfe mit seinen bittern
Feinden, den Kranichen, lag; später suchte man es vornehmlich in Indien und
Obcrügypten. Ihre Kämpfe mit den Kranichen sind durchaus ernster und nicht
selten recht blutiger Natur, wirken aber durch die Gestalt der Kämpfer gegen¬
über den großen Vögeln stets burlesk. Die Kunst stellt die Pygmäen meist
mit sehr großen Köpfen, die auf einem kleinen, dickbäuchigen Körper sitzen, dar,
die Nase ist krumm oder negerartig platt, die Beine kurz und schief. Ihre
Waffen sind schleudern, Hirtenstübe u. tgi., ihre Schlachtrvsse Ziegenböcke.
„In verschiednen Gruppen stellte man den Eifer der Kümpfendeu und die
Schmerzensäußerungen der verwundeten kleinen Helden in höchst ergetzlicher
Weise dar, wobei die komische Wirkung nicht wenig durch die ernsthafte Haltung
der Kraniche der hastigen Ungeberdigkeit der Pygmäen gegenüber verstärkt wird"
(Jahr). Auch mit Herakles brachte man sie zusammen; Philostrat beschreibt ein
Gemälde, wo eine Phgmäenschar einen Angriff auf den schlafenden Helden macht,
und wir haben noch ein Relief erhalten, auf dem Herakles mit seinein Becher in
der Hand schläft, während ein Pygmäe auf einer Leiter zu dem Becher hinauf¬
geklettert ist und sich tief in ihn hineinbückt, um daraus einen Zug zu thun. Die
spätere Kunst verwandte dann diese possirlichen Kerlchen, nur sie, wie die vorhin
erwähnten Amoretten, in den mannichfaltigsten Situationen des täglichen Lebens
der Mensche» darzustellen, als Handwerker, als Fischer, Musiker, Faustkämpfer
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