Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.Zur Reform der Militärstrafprozeßordnung Die Frage nach den Ursachen der erwähnten Tumulte erscheint daher be¬ Nach alledem hat es sich bei deu Pachtbauertumulten, die sich während ur Reform der Nilitcirstrafprozeßordnung (Schluß) le Fällung eines Urteils in mündlicher Verhandlung ist unsrer Zur Reform der Militärstrafprozeßordnung Die Frage nach den Ursachen der erwähnten Tumulte erscheint daher be¬ Nach alledem hat es sich bei deu Pachtbauertumulten, die sich während ur Reform der Nilitcirstrafprozeßordnung (Schluß) le Fällung eines Urteils in mündlicher Verhandlung ist unsrer <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0363" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/207008"/> <fw type="header" place="top"> Zur Reform der Militärstrafprozeßordnung</fw><lb/> <p xml:id="ID_942"> Die Frage nach den Ursachen der erwähnten Tumulte erscheint daher be¬<lb/> rechtigt. Sie dürften, darüber ist man einig, weit weniger einen wirtschaftlichen<lb/> als vielmehr einen sozialpolitischen Hintergrund haben. Obschon die Lage der<lb/> Pachtbauern heutzutage besser ist als vor Jahren, ist doch der Unterschied<lb/> größer geworden, der zwischen ihrer Lage und ihren Wünschen liegt. Sie<lb/> folgen hierin dem Zuge der Zeit. Die zeitweise ausgewanderten Bauern haben<lb/> >« der Schweiz, im südwestlichen Deutschland und Frankreich den dort vor-<lb/> handnen bemittelten, ans eigner Scholle sitzenden, zum Teil politisch sehr freien<lb/> Bauernstand kennen gelernt; die nach den amerikanischen Republiken über¬<lb/> gesiedelten haben sich neue, mit den heimischen Verhältnissen nicht stimmende<lb/> Anschauungen angeeignet; sie alle erregen, nachdem sie mit einigem Vermögen<lb/> nach ihrer Heimat zurückgekehrt sind, Unzufriedenheit bei den Zurückgebliebenen.<lb/> Obwohl sie wissen, daß die Grundeigentümer zur Zeit uuter der Entwertung<lb/> der Erzeugnisse ohnehin schwer zu leiden haben, gehen sie gegen sie vor, weil<lb/> sie sich in einer bevorzugter» Lebenslage befinden. Diese revolutionäre Stim¬<lb/> mung bot einen mlsgezeichneten Hebel dar für die sozialdemokratischen Mailänder<lb/> Emissäre, deren gewerbsmäßig betriebene Zettelungen anerkanntermaßen nicht<lb/> ivenig dazu beigetragen haben, die Beziehungen zwischen Pachtbauern und Be¬<lb/> sitzern zu verschlechtern und die vorgekommenen Ausschreitungen zu verschärfen.</p><lb/> <p xml:id="ID_943"> Nach alledem hat es sich bei deu Pachtbauertumulten, die sich während<lb/> der ersten Hälfte des Jahres 1889 in der nördlichen Lombardei abgespielt<lb/> haben, nicht um Tngelöhnernusstände gewöhnlicher Art gehandelt, anch uicht<lb/> >um die Auflehnung einer unterdrückten Volksklasse (wie ein Teil der Presse<lb/> behauptet hat), sondern um eine von Gewaltthätigkeiten begleitete revolutionäre<lb/> Bewegung. Diese aber stellt, weil rein agrarischen Charakters, ans dem enropäi-<lb/> schen Festlande, abgesehen von Irland, eine neue Erscheinung dar.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> ur Reform der Nilitcirstrafprozeßordnung<lb/> (Schluß)</head><lb/> <p xml:id="ID_944" next="#ID_945"> le Fällung eines Urteils in mündlicher Verhandlung ist unsrer<lb/> Ansicht »ach kein Grund, dem Gerichtsherrn das Recht der<lb/> Bestätigung des Urteils zu versage». Kau» er sich doch durch<lb/> den als seinen juristischen Ratgeber erscheinenden Stnatscinwalt<lb/> über die Vorgänge in der mündlichen Verhandlung hinlänglich<lb/> unterrichten lassen, um sich eine Ansicht darüber zu bilden, ob das Urteil<lb/> sachgemäß ist oder nicht. Unsers Wissens ist es bei der Staatsanwaltschaft</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0363]
Zur Reform der Militärstrafprozeßordnung
Die Frage nach den Ursachen der erwähnten Tumulte erscheint daher be¬
rechtigt. Sie dürften, darüber ist man einig, weit weniger einen wirtschaftlichen
als vielmehr einen sozialpolitischen Hintergrund haben. Obschon die Lage der
Pachtbauern heutzutage besser ist als vor Jahren, ist doch der Unterschied
größer geworden, der zwischen ihrer Lage und ihren Wünschen liegt. Sie
folgen hierin dem Zuge der Zeit. Die zeitweise ausgewanderten Bauern haben
>« der Schweiz, im südwestlichen Deutschland und Frankreich den dort vor-
handnen bemittelten, ans eigner Scholle sitzenden, zum Teil politisch sehr freien
Bauernstand kennen gelernt; die nach den amerikanischen Republiken über¬
gesiedelten haben sich neue, mit den heimischen Verhältnissen nicht stimmende
Anschauungen angeeignet; sie alle erregen, nachdem sie mit einigem Vermögen
nach ihrer Heimat zurückgekehrt sind, Unzufriedenheit bei den Zurückgebliebenen.
Obwohl sie wissen, daß die Grundeigentümer zur Zeit uuter der Entwertung
der Erzeugnisse ohnehin schwer zu leiden haben, gehen sie gegen sie vor, weil
sie sich in einer bevorzugter» Lebenslage befinden. Diese revolutionäre Stim¬
mung bot einen mlsgezeichneten Hebel dar für die sozialdemokratischen Mailänder
Emissäre, deren gewerbsmäßig betriebene Zettelungen anerkanntermaßen nicht
ivenig dazu beigetragen haben, die Beziehungen zwischen Pachtbauern und Be¬
sitzern zu verschlechtern und die vorgekommenen Ausschreitungen zu verschärfen.
Nach alledem hat es sich bei deu Pachtbauertumulten, die sich während
der ersten Hälfte des Jahres 1889 in der nördlichen Lombardei abgespielt
haben, nicht um Tngelöhnernusstände gewöhnlicher Art gehandelt, anch uicht
>um die Auflehnung einer unterdrückten Volksklasse (wie ein Teil der Presse
behauptet hat), sondern um eine von Gewaltthätigkeiten begleitete revolutionäre
Bewegung. Diese aber stellt, weil rein agrarischen Charakters, ans dem enropäi-
schen Festlande, abgesehen von Irland, eine neue Erscheinung dar.
ur Reform der Nilitcirstrafprozeßordnung
(Schluß)
le Fällung eines Urteils in mündlicher Verhandlung ist unsrer
Ansicht »ach kein Grund, dem Gerichtsherrn das Recht der
Bestätigung des Urteils zu versage». Kau» er sich doch durch
den als seinen juristischen Ratgeber erscheinenden Stnatscinwalt
über die Vorgänge in der mündlichen Verhandlung hinlänglich
unterrichten lassen, um sich eine Ansicht darüber zu bilden, ob das Urteil
sachgemäß ist oder nicht. Unsers Wissens ist es bei der Staatsanwaltschaft
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |