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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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Stoffels Flugschrift

Absicht des Königs, den Krieg fortzuführen, und im Widerspruche mit ander"
Ratgebern mit seinem gauzen Ansehen und zuletzt mit Erfolg unterstützte.

Wenn es stosset aber dann als eine" politischen Mißgriff ansieht, daß
bei dem Friedensschlüsse, der den Krieg von 1870 und 1871 beendigte, dem
Gegner härtere Bedingungen gestellt worden seien als bei Heu von 1866, so
ist ihm in einer die Denkweise der Franzosen sehr bezeichnenden Weise der
große Unterschied entgangen, der zwischen dem Verhältnis Deutschlands zu
Osterreich und dem zu Frankreich besteht. Österreich wurde geschont, man
"ahn ihm kein Laud und legte ihm nur eine mäßige Kriegsentschädigung auf,
weil es im deutschen Bunde mit Preußen vereint gewesen war und wieder
einmal mit ihm verbündet werden konnte, wenn auch in andrer Form, und
weil der Groll über Laudabtretung eine solche Wiederannäherung verhindert
oder doch sehr erschwert haben würde. Bei Frankreich wäre derartige Schonung
Verlorne Liebesmüh gewesen, da man hier schon über die Schlacht bei König-
grätz, den Sieg über eine fremde Macht, bittern Groll und Neid empfand, und
nun vollends über die eignen ungeheuern Niederlagen bei Metz und Sedan!
Hier konnte es nur helfen, wenn die Deutschen ihren Feind und seinen ge-
demütigten Dünkel möglichst unschädlich machten, und dies geschah durch Auf¬
erlegung einer sehr bedeutenden finanziellen Schwächung in Gestalt von fünf
Milliarden Kriegsentschädigung und dnrch Abtrennung zweier französischen
Grenzprovinzen und deren Einverleibung in das deutsche Reich. Die letzter"
Maßregeln erfolgte" aber noch ans ander" Rücksichte" und köunen aus de"-
selben Rücksichten von Deutschland niemals rückgängig gemacht werde", am
wenigsten für die Gabe der Waffenbrüderschaft Frankreichs gegen Rnßlnnd, die
uns von stosset ohne Auftrag migebote" wird, und die wir nicht brnnchen,
während uns gute Nachbarschaft der Franzosen ohne Hintergedanken, friedlicher
Perkehr mit ihnen ohne Vorbehalt allerdings angenehm und erstrebenswert
erscheint. Jeder fleißige Schulknabe mit einigermaßen gutem Gedächtnis weiß
aus der Geschichtsstunde, daß Deutschland wiederholt vonseiten seiner Nachbarn
um Weste" Angriffe" ausgesetzt gewesen ist, die keinen andern Grund als die
Eroberungssucht, die Ruhmbegierde und die Kriegslust der Angreifer hatte" und
moelle" zu unerhört grausamen Verheerungen deutscher Landstriche führten.
stosset selbst spricht von "Kämpfen zwischen Deutschland und Frankreich, die ohne
Unterbrechung fünfundzwanzig Jahrhunderte gedauert" hätten. Keine Übertrei¬
bung, sondern Thatsache ist es, wen" nur sage", daß "amentlich der Westen und
Südwesten des deutschen Gebietes in den letzten drei Jahrhunderte" mehr als
Awanzigmal solche ruchlose Heimsuchungen mit Feuer und Schwert von Frank¬
reich zu erleiden gehabt hat. Metz, Toul und Verdun, dann das Elsaß ginge"
dabei verlöre", die Pfalz wurde für Jahre wüste gelegt, das Schloß von
Heidelberg und viele andre, den Rhein entlang, verwandelte" sich unter
gallischen Brandfackel" und Pechkrmize" in Trümmerstntte". Die Furcht vor


Stoffels Flugschrift

Absicht des Königs, den Krieg fortzuführen, und im Widerspruche mit ander»
Ratgebern mit seinem gauzen Ansehen und zuletzt mit Erfolg unterstützte.

Wenn es stosset aber dann als eine» politischen Mißgriff ansieht, daß
bei dem Friedensschlüsse, der den Krieg von 1870 und 1871 beendigte, dem
Gegner härtere Bedingungen gestellt worden seien als bei Heu von 1866, so
ist ihm in einer die Denkweise der Franzosen sehr bezeichnenden Weise der
große Unterschied entgangen, der zwischen dem Verhältnis Deutschlands zu
Osterreich und dem zu Frankreich besteht. Österreich wurde geschont, man
»ahn ihm kein Laud und legte ihm nur eine mäßige Kriegsentschädigung auf,
weil es im deutschen Bunde mit Preußen vereint gewesen war und wieder
einmal mit ihm verbündet werden konnte, wenn auch in andrer Form, und
weil der Groll über Laudabtretung eine solche Wiederannäherung verhindert
oder doch sehr erschwert haben würde. Bei Frankreich wäre derartige Schonung
Verlorne Liebesmüh gewesen, da man hier schon über die Schlacht bei König-
grätz, den Sieg über eine fremde Macht, bittern Groll und Neid empfand, und
nun vollends über die eignen ungeheuern Niederlagen bei Metz und Sedan!
Hier konnte es nur helfen, wenn die Deutschen ihren Feind und seinen ge-
demütigten Dünkel möglichst unschädlich machten, und dies geschah durch Auf¬
erlegung einer sehr bedeutenden finanziellen Schwächung in Gestalt von fünf
Milliarden Kriegsentschädigung und dnrch Abtrennung zweier französischen
Grenzprovinzen und deren Einverleibung in das deutsche Reich. Die letzter»
Maßregeln erfolgte» aber noch ans ander» Rücksichte» und köunen aus de»-
selben Rücksichten von Deutschland niemals rückgängig gemacht werde», am
wenigsten für die Gabe der Waffenbrüderschaft Frankreichs gegen Rnßlnnd, die
uns von stosset ohne Auftrag migebote» wird, und die wir nicht brnnchen,
während uns gute Nachbarschaft der Franzosen ohne Hintergedanken, friedlicher
Perkehr mit ihnen ohne Vorbehalt allerdings angenehm und erstrebenswert
erscheint. Jeder fleißige Schulknabe mit einigermaßen gutem Gedächtnis weiß
aus der Geschichtsstunde, daß Deutschland wiederholt vonseiten seiner Nachbarn
um Weste» Angriffe» ausgesetzt gewesen ist, die keinen andern Grund als die
Eroberungssucht, die Ruhmbegierde und die Kriegslust der Angreifer hatte» und
moelle» zu unerhört grausamen Verheerungen deutscher Landstriche führten.
stosset selbst spricht von „Kämpfen zwischen Deutschland und Frankreich, die ohne
Unterbrechung fünfundzwanzig Jahrhunderte gedauert" hätten. Keine Übertrei¬
bung, sondern Thatsache ist es, wen» nur sage», daß »amentlich der Westen und
Südwesten des deutschen Gebietes in den letzten drei Jahrhunderte» mehr als
Awanzigmal solche ruchlose Heimsuchungen mit Feuer und Schwert von Frank¬
reich zu erleiden gehabt hat. Metz, Toul und Verdun, dann das Elsaß ginge»
dabei verlöre», die Pfalz wurde für Jahre wüste gelegt, das Schloß von
Heidelberg und viele andre, den Rhein entlang, verwandelte» sich unter
gallischen Brandfackel» und Pechkrmize» in Trümmerstntte». Die Furcht vor


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[0357] Stoffels Flugschrift Absicht des Königs, den Krieg fortzuführen, und im Widerspruche mit ander» Ratgebern mit seinem gauzen Ansehen und zuletzt mit Erfolg unterstützte. Wenn es stosset aber dann als eine» politischen Mißgriff ansieht, daß bei dem Friedensschlüsse, der den Krieg von 1870 und 1871 beendigte, dem Gegner härtere Bedingungen gestellt worden seien als bei Heu von 1866, so ist ihm in einer die Denkweise der Franzosen sehr bezeichnenden Weise der große Unterschied entgangen, der zwischen dem Verhältnis Deutschlands zu Osterreich und dem zu Frankreich besteht. Österreich wurde geschont, man »ahn ihm kein Laud und legte ihm nur eine mäßige Kriegsentschädigung auf, weil es im deutschen Bunde mit Preußen vereint gewesen war und wieder einmal mit ihm verbündet werden konnte, wenn auch in andrer Form, und weil der Groll über Laudabtretung eine solche Wiederannäherung verhindert oder doch sehr erschwert haben würde. Bei Frankreich wäre derartige Schonung Verlorne Liebesmüh gewesen, da man hier schon über die Schlacht bei König- grätz, den Sieg über eine fremde Macht, bittern Groll und Neid empfand, und nun vollends über die eignen ungeheuern Niederlagen bei Metz und Sedan! Hier konnte es nur helfen, wenn die Deutschen ihren Feind und seinen ge- demütigten Dünkel möglichst unschädlich machten, und dies geschah durch Auf¬ erlegung einer sehr bedeutenden finanziellen Schwächung in Gestalt von fünf Milliarden Kriegsentschädigung und dnrch Abtrennung zweier französischen Grenzprovinzen und deren Einverleibung in das deutsche Reich. Die letzter» Maßregeln erfolgte» aber noch ans ander» Rücksichte» und köunen aus de»- selben Rücksichten von Deutschland niemals rückgängig gemacht werde», am wenigsten für die Gabe der Waffenbrüderschaft Frankreichs gegen Rnßlnnd, die uns von stosset ohne Auftrag migebote» wird, und die wir nicht brnnchen, während uns gute Nachbarschaft der Franzosen ohne Hintergedanken, friedlicher Perkehr mit ihnen ohne Vorbehalt allerdings angenehm und erstrebenswert erscheint. Jeder fleißige Schulknabe mit einigermaßen gutem Gedächtnis weiß aus der Geschichtsstunde, daß Deutschland wiederholt vonseiten seiner Nachbarn um Weste» Angriffe» ausgesetzt gewesen ist, die keinen andern Grund als die Eroberungssucht, die Ruhmbegierde und die Kriegslust der Angreifer hatte» und moelle» zu unerhört grausamen Verheerungen deutscher Landstriche führten. stosset selbst spricht von „Kämpfen zwischen Deutschland und Frankreich, die ohne Unterbrechung fünfundzwanzig Jahrhunderte gedauert" hätten. Keine Übertrei¬ bung, sondern Thatsache ist es, wen» nur sage», daß »amentlich der Westen und Südwesten des deutschen Gebietes in den letzten drei Jahrhunderte» mehr als Awanzigmal solche ruchlose Heimsuchungen mit Feuer und Schwert von Frank¬ reich zu erleiden gehabt hat. Metz, Toul und Verdun, dann das Elsaß ginge» dabei verlöre», die Pfalz wurde für Jahre wüste gelegt, das Schloß von Heidelberg und viele andre, den Rhein entlang, verwandelte» sich unter gallischen Brandfackel» und Pechkrmize» in Trümmerstntte». Die Furcht vor

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/357>, abgerufen am 23.07.2024.