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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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Allerhand öprachdummheiten

Wieder zur Beantwortung), ein Beamter unterzeichnet als Stellvertreter
des Kreishauptmanns. Nur in den seltensten Fällen bezeichnet das in wirklich
einen begleitenden Umstand, wie man ihn sonst wohl durch indem mit dem
Partizip ausdrückt: ich schreibe einen Aufsatz, indem ich dabei an ein neues
Buch anknüpfe, mich an das Buch anlehne -- dafür ließe sich ja zur Not
auch sagen: in Anknüpfung, in Anlehnung; indem der Stantsanwalt die
Anklage begrü übele, beantragte er das höchste Strafmaß -- auch dafür tuum
man ja sagen: in seiner Begründung, bei seiner Begründung der
Anklage (seiner kann aber nicht fehlen). Aber wie ist es nur möglich, dies
alles plötzlich in einen Topf zu werfen? Wo das schöne in Beantwortung
herstammt, das weiß man ja: es ist wieder dem französischen su rsvonss nach¬
geäfft. Das unsinnige in Erinnerung, das die Zeitungsschreiber Bismarck in
den Mund legen, wird wohl auch im französischen Original durch eine Wedung
mit "zu ausgedrückt sein. Aber wo kommt nur das andre Zeug auf einmal
her? Ursache, Grund, Zweck, vorübergehende oder dauernde Eigenschaft, be¬
gleitender Unistand -- wie können diese Unterschiede auf einmal alle ausge¬
wischt werden? Es handelt sich wieder um eine richtige Mvdedummheit, die
gedankenlos nachgemacht und dabei immer weiter ausgedehnt wird. Es wird
uoch dahin kommen, daß jemand 1000 Mark erhält in Belohnung für treue
Dienste oder in Entschädigung sür einen Verlust oder in Unterstützung
seiner Angehörigen oder in Bedingung der Rückgabe. Es ist nicht einzu¬
sehen, weshalb mau nicht auch das alles durch in sollte ausdrücken können.

Am liebsten aber, wie gesagt, werden die wirklich alten Präpositionen
gar nicht mehr gebraucht, sondern durch die schou genannten langatmigen
Ungetüme ersetzt. Früher wurde einer mit einem Messer gestochen und dann
mit einer Droschke ins Krankenhaus gebracht; jetzt geschieht das nur noch
vermittelst eines Messers und vermittelst einer Droschke. Ein herrliches
Wort, dieses vermittelst! Dem Anschein nach eine Superlativbildnng, aber
wovon? Ein Adjektivum vermietet giebt es nicht, nur ein Zeitwort ver¬
mitteln. Daran denkt aber doch niemand bei vermittelst. Offenbar ist das
Wort in schauderhafter Weise verdorben aus mittels, dem Genetiv von
Mittel, der in ähnlicher Weise zur Präposition gepreßt worden ist, wie das
zopfige, schon lange neben vermittelst in der Amts-und Zeitungssprache sich
fortschleppende behufs, wozu sich neuerdings noch zwecks, mangels und namen s
gesellt haben -- lauter wundervolle Erfindungen. Das Zwischenglied wäre dann
mittelst, das man anch lesen kann; fürstliche Personen reisen ja in den Zeitungen
stets mittelst Extrazuges. Daß zu auch den Zweck bezeichnet, ist vielen Leuten
jetzt gänzlich unbekannt; früher hätte mans sehr gut verstanden, wenn einer
sagte: er ist der Polizeibehörde zur Einsperrung überwiesen worden -- die
Nummern sind zur Registrirung beigefügt worden; jetzt heißt es: zwecks Ein-
sperrung, zwecks (oder zum Zwecke!) der Registrirung, zwecks Feststellung


Allerhand öprachdummheiten

Wieder zur Beantwortung), ein Beamter unterzeichnet als Stellvertreter
des Kreishauptmanns. Nur in den seltensten Fällen bezeichnet das in wirklich
einen begleitenden Umstand, wie man ihn sonst wohl durch indem mit dem
Partizip ausdrückt: ich schreibe einen Aufsatz, indem ich dabei an ein neues
Buch anknüpfe, mich an das Buch anlehne — dafür ließe sich ja zur Not
auch sagen: in Anknüpfung, in Anlehnung; indem der Stantsanwalt die
Anklage begrü übele, beantragte er das höchste Strafmaß — auch dafür tuum
man ja sagen: in seiner Begründung, bei seiner Begründung der
Anklage (seiner kann aber nicht fehlen). Aber wie ist es nur möglich, dies
alles plötzlich in einen Topf zu werfen? Wo das schöne in Beantwortung
herstammt, das weiß man ja: es ist wieder dem französischen su rsvonss nach¬
geäfft. Das unsinnige in Erinnerung, das die Zeitungsschreiber Bismarck in
den Mund legen, wird wohl auch im französischen Original durch eine Wedung
mit «zu ausgedrückt sein. Aber wo kommt nur das andre Zeug auf einmal
her? Ursache, Grund, Zweck, vorübergehende oder dauernde Eigenschaft, be¬
gleitender Unistand — wie können diese Unterschiede auf einmal alle ausge¬
wischt werden? Es handelt sich wieder um eine richtige Mvdedummheit, die
gedankenlos nachgemacht und dabei immer weiter ausgedehnt wird. Es wird
uoch dahin kommen, daß jemand 1000 Mark erhält in Belohnung für treue
Dienste oder in Entschädigung sür einen Verlust oder in Unterstützung
seiner Angehörigen oder in Bedingung der Rückgabe. Es ist nicht einzu¬
sehen, weshalb mau nicht auch das alles durch in sollte ausdrücken können.

Am liebsten aber, wie gesagt, werden die wirklich alten Präpositionen
gar nicht mehr gebraucht, sondern durch die schou genannten langatmigen
Ungetüme ersetzt. Früher wurde einer mit einem Messer gestochen und dann
mit einer Droschke ins Krankenhaus gebracht; jetzt geschieht das nur noch
vermittelst eines Messers und vermittelst einer Droschke. Ein herrliches
Wort, dieses vermittelst! Dem Anschein nach eine Superlativbildnng, aber
wovon? Ein Adjektivum vermietet giebt es nicht, nur ein Zeitwort ver¬
mitteln. Daran denkt aber doch niemand bei vermittelst. Offenbar ist das
Wort in schauderhafter Weise verdorben aus mittels, dem Genetiv von
Mittel, der in ähnlicher Weise zur Präposition gepreßt worden ist, wie das
zopfige, schon lange neben vermittelst in der Amts-und Zeitungssprache sich
fortschleppende behufs, wozu sich neuerdings noch zwecks, mangels und namen s
gesellt haben — lauter wundervolle Erfindungen. Das Zwischenglied wäre dann
mittelst, das man anch lesen kann; fürstliche Personen reisen ja in den Zeitungen
stets mittelst Extrazuges. Daß zu auch den Zweck bezeichnet, ist vielen Leuten
jetzt gänzlich unbekannt; früher hätte mans sehr gut verstanden, wenn einer
sagte: er ist der Polizeibehörde zur Einsperrung überwiesen worden — die
Nummern sind zur Registrirung beigefügt worden; jetzt heißt es: zwecks Ein-
sperrung, zwecks (oder zum Zwecke!) der Registrirung, zwecks Feststellung


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[0328] Allerhand öprachdummheiten Wieder zur Beantwortung), ein Beamter unterzeichnet als Stellvertreter des Kreishauptmanns. Nur in den seltensten Fällen bezeichnet das in wirklich einen begleitenden Umstand, wie man ihn sonst wohl durch indem mit dem Partizip ausdrückt: ich schreibe einen Aufsatz, indem ich dabei an ein neues Buch anknüpfe, mich an das Buch anlehne — dafür ließe sich ja zur Not auch sagen: in Anknüpfung, in Anlehnung; indem der Stantsanwalt die Anklage begrü übele, beantragte er das höchste Strafmaß — auch dafür tuum man ja sagen: in seiner Begründung, bei seiner Begründung der Anklage (seiner kann aber nicht fehlen). Aber wie ist es nur möglich, dies alles plötzlich in einen Topf zu werfen? Wo das schöne in Beantwortung herstammt, das weiß man ja: es ist wieder dem französischen su rsvonss nach¬ geäfft. Das unsinnige in Erinnerung, das die Zeitungsschreiber Bismarck in den Mund legen, wird wohl auch im französischen Original durch eine Wedung mit «zu ausgedrückt sein. Aber wo kommt nur das andre Zeug auf einmal her? Ursache, Grund, Zweck, vorübergehende oder dauernde Eigenschaft, be¬ gleitender Unistand — wie können diese Unterschiede auf einmal alle ausge¬ wischt werden? Es handelt sich wieder um eine richtige Mvdedummheit, die gedankenlos nachgemacht und dabei immer weiter ausgedehnt wird. Es wird uoch dahin kommen, daß jemand 1000 Mark erhält in Belohnung für treue Dienste oder in Entschädigung sür einen Verlust oder in Unterstützung seiner Angehörigen oder in Bedingung der Rückgabe. Es ist nicht einzu¬ sehen, weshalb mau nicht auch das alles durch in sollte ausdrücken können. Am liebsten aber, wie gesagt, werden die wirklich alten Präpositionen gar nicht mehr gebraucht, sondern durch die schou genannten langatmigen Ungetüme ersetzt. Früher wurde einer mit einem Messer gestochen und dann mit einer Droschke ins Krankenhaus gebracht; jetzt geschieht das nur noch vermittelst eines Messers und vermittelst einer Droschke. Ein herrliches Wort, dieses vermittelst! Dem Anschein nach eine Superlativbildnng, aber wovon? Ein Adjektivum vermietet giebt es nicht, nur ein Zeitwort ver¬ mitteln. Daran denkt aber doch niemand bei vermittelst. Offenbar ist das Wort in schauderhafter Weise verdorben aus mittels, dem Genetiv von Mittel, der in ähnlicher Weise zur Präposition gepreßt worden ist, wie das zopfige, schon lange neben vermittelst in der Amts-und Zeitungssprache sich fortschleppende behufs, wozu sich neuerdings noch zwecks, mangels und namen s gesellt haben — lauter wundervolle Erfindungen. Das Zwischenglied wäre dann mittelst, das man anch lesen kann; fürstliche Personen reisen ja in den Zeitungen stets mittelst Extrazuges. Daß zu auch den Zweck bezeichnet, ist vielen Leuten jetzt gänzlich unbekannt; früher hätte mans sehr gut verstanden, wenn einer sagte: er ist der Polizeibehörde zur Einsperrung überwiesen worden — die Nummern sind zur Registrirung beigefügt worden; jetzt heißt es: zwecks Ein- sperrung, zwecks (oder zum Zwecke!) der Registrirung, zwecks Feststellung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/328>, abgerufen am 23.07.2024.