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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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Allerhand Sprachdunmcheiten

dem Dativ (am Donnerstag; aber beide Konstruktionen zusammenzukvppeln
ist doch ein Zeichen kläglichster Hilflosigkeit! Ist unser Sprachgefühl wirklich
so abgestumpft, daß man den Akkusativ nicht mehr fühlt, wenn geschrieben
wird: Donnerstag, den 13. Februar? Muß das dumme am dazu? Da
werden die Jungen nun nenn Jahre lang auf deu Gymnasien logisch gedrillt;
wenn sie im lateinischen oder im griechischen Pensum einen solchen Schnitzer
machen wollten -- es ist ja ganz undenkbar! Aber sowie sie aus der Schule
hinaus sind und in einen "akademischen Verein" eintreten, so findet der An¬
trittskommers des Vereins am Donnerstag, den 17. April statt. So machts
der "unterfertigte" Sekretär bekannt.

Zu einem überaus traurigen Kapitel komme ich, wenn ich mich zu den
Dummheiten wende, die jetzt in unserm Präpositionengebrauch im Schwange
sind. Als Präpositionen brauchte nun früher eine Menge kleiner Wörtchen,
die ans zwei, drei, vier Buchstaben bestanden. In unsern Grammatiker findet
man sie auch heute noch verzeichnet, dieses lustige kleine Gesindel: in, an,
zu, aus, von, auf, mit, bei, vor, nach, in unserm heutigen Papierdeutsch
aber fristen sie nur noch ein kümmerliches Dasein; da sind sie verdrängt und
werden immer mehr verdrängt durch schwerfällige, schleppende Ungetüme wie
anläßlich, gelegentlich, einschließlich, ausschließlich, bezüglich,
hinsichtlich, rücksichtlich, inhaltlich, antwortlich, betreffs, behufs,
vermittelst, seitens, zwecks u. s. w. Es wird nicht lange mehr dauern, so
wird der betreffende Abschnitt in unsern Grammatiker vollständig umgestaltet
werden müssen; die modernen Ungetüme werden als unsre eigentlichen Präpo¬
sitionen verzeichnet, die alten, wirklichen Präpositionen in die Sprachgeschichte
verwiesen werden müssen. "

Wo die ursprünglichen Präpositionen wirklich noch gebraucht werden, da
werden sie meist falsch gebraucht. Früher hatte man Vertrauen zu jemand,
Hoffnung auf jemand und Mißtrauen gegell jemand. Jetzt wird das alles
durch in besorgt, man hegt Vertrauen in die Kriegsleitung, ist ohne jedes
persönliche Mißtrauen in die Behörden und setzt seine Hoffnung in die Zukunft.
Früher hatte man Achtung vor jemand und Liebe zu jemand; jetzt wird
beides durch für erledigt: bei aller Liebe und Achtung, die ich für ihn habe.
Früher ging man auf einem Wege vorwärts, und wenn einen auf diesem Wege
jemand im Vorwärtsgehen hinderte, so sagte man: er tritt mir in den Weg,
er steht mir im Wege, er mag mir aus dein Wege gehen. Unsre heutigen
Herren Juristen möchten aber nur noch im Wege vorwärtsgehen oder "Vor¬
schriften," sei es im Wege der Gesetzgebung oder im Wege der Verordnung
oder im Wege des Vergleichs oder im Wege der Güte. Man sieht die Herren
förmlich in einer Schlucht oder einem Hohlwege stehen, rings von hohen
Felsenwänden umgeben.

Fast reblausartig greift jetzt namentlich ein Mißbrauch der Präposition in


Allerhand Sprachdunmcheiten

dem Dativ (am Donnerstag; aber beide Konstruktionen zusammenzukvppeln
ist doch ein Zeichen kläglichster Hilflosigkeit! Ist unser Sprachgefühl wirklich
so abgestumpft, daß man den Akkusativ nicht mehr fühlt, wenn geschrieben
wird: Donnerstag, den 13. Februar? Muß das dumme am dazu? Da
werden die Jungen nun nenn Jahre lang auf deu Gymnasien logisch gedrillt;
wenn sie im lateinischen oder im griechischen Pensum einen solchen Schnitzer
machen wollten — es ist ja ganz undenkbar! Aber sowie sie aus der Schule
hinaus sind und in einen „akademischen Verein" eintreten, so findet der An¬
trittskommers des Vereins am Donnerstag, den 17. April statt. So machts
der „unterfertigte" Sekretär bekannt.

Zu einem überaus traurigen Kapitel komme ich, wenn ich mich zu den
Dummheiten wende, die jetzt in unserm Präpositionengebrauch im Schwange
sind. Als Präpositionen brauchte nun früher eine Menge kleiner Wörtchen,
die ans zwei, drei, vier Buchstaben bestanden. In unsern Grammatiker findet
man sie auch heute noch verzeichnet, dieses lustige kleine Gesindel: in, an,
zu, aus, von, auf, mit, bei, vor, nach, in unserm heutigen Papierdeutsch
aber fristen sie nur noch ein kümmerliches Dasein; da sind sie verdrängt und
werden immer mehr verdrängt durch schwerfällige, schleppende Ungetüme wie
anläßlich, gelegentlich, einschließlich, ausschließlich, bezüglich,
hinsichtlich, rücksichtlich, inhaltlich, antwortlich, betreffs, behufs,
vermittelst, seitens, zwecks u. s. w. Es wird nicht lange mehr dauern, so
wird der betreffende Abschnitt in unsern Grammatiker vollständig umgestaltet
werden müssen; die modernen Ungetüme werden als unsre eigentlichen Präpo¬
sitionen verzeichnet, die alten, wirklichen Präpositionen in die Sprachgeschichte
verwiesen werden müssen. »

Wo die ursprünglichen Präpositionen wirklich noch gebraucht werden, da
werden sie meist falsch gebraucht. Früher hatte man Vertrauen zu jemand,
Hoffnung auf jemand und Mißtrauen gegell jemand. Jetzt wird das alles
durch in besorgt, man hegt Vertrauen in die Kriegsleitung, ist ohne jedes
persönliche Mißtrauen in die Behörden und setzt seine Hoffnung in die Zukunft.
Früher hatte man Achtung vor jemand und Liebe zu jemand; jetzt wird
beides durch für erledigt: bei aller Liebe und Achtung, die ich für ihn habe.
Früher ging man auf einem Wege vorwärts, und wenn einen auf diesem Wege
jemand im Vorwärtsgehen hinderte, so sagte man: er tritt mir in den Weg,
er steht mir im Wege, er mag mir aus dein Wege gehen. Unsre heutigen
Herren Juristen möchten aber nur noch im Wege vorwärtsgehen oder „Vor¬
schriften," sei es im Wege der Gesetzgebung oder im Wege der Verordnung
oder im Wege des Vergleichs oder im Wege der Güte. Man sieht die Herren
förmlich in einer Schlucht oder einem Hohlwege stehen, rings von hohen
Felsenwänden umgeben.

Fast reblausartig greift jetzt namentlich ein Mißbrauch der Präposition in


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[0326] Allerhand Sprachdunmcheiten dem Dativ (am Donnerstag; aber beide Konstruktionen zusammenzukvppeln ist doch ein Zeichen kläglichster Hilflosigkeit! Ist unser Sprachgefühl wirklich so abgestumpft, daß man den Akkusativ nicht mehr fühlt, wenn geschrieben wird: Donnerstag, den 13. Februar? Muß das dumme am dazu? Da werden die Jungen nun nenn Jahre lang auf deu Gymnasien logisch gedrillt; wenn sie im lateinischen oder im griechischen Pensum einen solchen Schnitzer machen wollten — es ist ja ganz undenkbar! Aber sowie sie aus der Schule hinaus sind und in einen „akademischen Verein" eintreten, so findet der An¬ trittskommers des Vereins am Donnerstag, den 17. April statt. So machts der „unterfertigte" Sekretär bekannt. Zu einem überaus traurigen Kapitel komme ich, wenn ich mich zu den Dummheiten wende, die jetzt in unserm Präpositionengebrauch im Schwange sind. Als Präpositionen brauchte nun früher eine Menge kleiner Wörtchen, die ans zwei, drei, vier Buchstaben bestanden. In unsern Grammatiker findet man sie auch heute noch verzeichnet, dieses lustige kleine Gesindel: in, an, zu, aus, von, auf, mit, bei, vor, nach, in unserm heutigen Papierdeutsch aber fristen sie nur noch ein kümmerliches Dasein; da sind sie verdrängt und werden immer mehr verdrängt durch schwerfällige, schleppende Ungetüme wie anläßlich, gelegentlich, einschließlich, ausschließlich, bezüglich, hinsichtlich, rücksichtlich, inhaltlich, antwortlich, betreffs, behufs, vermittelst, seitens, zwecks u. s. w. Es wird nicht lange mehr dauern, so wird der betreffende Abschnitt in unsern Grammatiker vollständig umgestaltet werden müssen; die modernen Ungetüme werden als unsre eigentlichen Präpo¬ sitionen verzeichnet, die alten, wirklichen Präpositionen in die Sprachgeschichte verwiesen werden müssen. » Wo die ursprünglichen Präpositionen wirklich noch gebraucht werden, da werden sie meist falsch gebraucht. Früher hatte man Vertrauen zu jemand, Hoffnung auf jemand und Mißtrauen gegell jemand. Jetzt wird das alles durch in besorgt, man hegt Vertrauen in die Kriegsleitung, ist ohne jedes persönliche Mißtrauen in die Behörden und setzt seine Hoffnung in die Zukunft. Früher hatte man Achtung vor jemand und Liebe zu jemand; jetzt wird beides durch für erledigt: bei aller Liebe und Achtung, die ich für ihn habe. Früher ging man auf einem Wege vorwärts, und wenn einen auf diesem Wege jemand im Vorwärtsgehen hinderte, so sagte man: er tritt mir in den Weg, er steht mir im Wege, er mag mir aus dein Wege gehen. Unsre heutigen Herren Juristen möchten aber nur noch im Wege vorwärtsgehen oder „Vor¬ schriften," sei es im Wege der Gesetzgebung oder im Wege der Verordnung oder im Wege des Vergleichs oder im Wege der Güte. Man sieht die Herren förmlich in einer Schlucht oder einem Hohlwege stehen, rings von hohen Felsenwänden umgeben. Fast reblausartig greift jetzt namentlich ein Mißbrauch der Präposition in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/326>, abgerufen am 23.07.2024.