Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.Allerhand Sxrachdnmmheiten schriften der Wunsch ausgesprochen, die "Sprachdummheiten" möchten in Buch¬ Ein paar Leser haben Anstoß genommen an der Bezeichnung "Sprach- Da ist ein merkwürdiges Beispiel unnötiger und häßlicher Verbreiterung Allerhand Sxrachdnmmheiten schriften der Wunsch ausgesprochen, die „Sprachdummheiten" möchten in Buch¬ Ein paar Leser haben Anstoß genommen an der Bezeichnung „Sprach- Da ist ein merkwürdiges Beispiel unnötiger und häßlicher Verbreiterung <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0322" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/206967"/> <fw type="header" place="top"> Allerhand Sxrachdnmmheiten</fw><lb/> <p xml:id="ID_854" prev="#ID_853"> schriften der Wunsch ausgesprochen, die „Sprachdummheiten" möchten in Buch¬<lb/> form zusammengedruckt werden. Diesem Wunsche wird sich vielleicht ent¬<lb/> sprechen lassen. Zunächst möchten wir unser Versprechen einlösen und uoch<lb/> eine Reihe von Beobachtungen aus der heutigen Satzbildung anfügen, die zum<lb/> großen Teil viel schlimmere Erscheinungen zeigen werden, als die frühern Be¬<lb/> obachtungen ans der Wortbildung.</p><lb/> <p xml:id="ID_855"> Ein paar Leser haben Anstoß genommen an der Bezeichnung „Sprach-<lb/> dummhciten," sie meinten, es wäre klüger gewesen, von Sprachfehlern oder<lb/> Sprachsünden zu reden, denn die, die jene weitverbreiteten Fehler begingen, wären<lb/> doch deshalb keine Dummköpfe, sie wüßten nur eben in diesen Dingen nicht<lb/> recht Bescheid, weil sie nie Gelegenheit gehabt hätten, sich darüber zu unter¬<lb/> richten- Wir können denen, die dieses Bedenken ausgesprochen haben, kein<lb/> besonders feines Sprachgefühl zugestehen. Was wir vorgeführt haben und<lb/> noch vorzuführen gedenken, das find doch in der That zum größten Teile bloße<lb/> Dummheiten, bloße dumme Angewohnheiten. Und dann: wir bitten, sich doch<lb/> des Unterschiedes bewußt zu bleiben zwischen einer durch den Singular be¬<lb/> zeichneten stehenden Eigenschaft, die bekanntlich selbst von den Göttern ver¬<lb/> gebens bekämpft wird, und schlimmen Angewohnheiten, von denen anch der<lb/> gescheiteste Mensch nicht ganz frei ist, die er aber selber sehr leicht bekämpfen<lb/> kann, wenn er nur erst den guten Freund gefunden hat, der ihn darauf auf¬<lb/> merksam macht. Wir wollen es also bei dem harmlosen Ausdruck, der<lb/> die Sache um besten bezeichnet, lassen, und wenden uns nun zunächst zu dein<lb/> erstell Kapitel der Satzlehre, zu dem Verhältnis von Subjekt und Prädikat.</p><lb/> <p xml:id="ID_856" next="#ID_857"> Da ist ein merkwürdiges Beispiel unnötiger und häßlicher Verbreiterung<lb/> des Ausdrucks, wie sie sich nie in lebendiger Rede findet, sondern sich immer<lb/> nur bei dem einstellt, der die Feder in der Hand hat, oder allenfalls bei dem<lb/> Gewohnheitsredner, der bereits Papierdeutsch spricht (es giebt solche), die<lb/> garstige Angewohnheit, das Prädikat, das aus einem Adjektivum oder einem<lb/> Partizip besteht, in der deklinirten, attributiven Form hinzuschreiben, anstatt,<lb/> wie es das einzig richtige und natürliche ist, in der undeklinirten, prädikativen,<lb/> also z. B.: der Hergang ist ein sehr einfacher, statt: der Hergang ist sehr<lb/> einfach. Woher diese Angewohnheit stammen mag, ist schwer zu sagen. Man<lb/> kann doch uicht im Ernste behaupte», daß der, der so schreibt oder spricht, zum<lb/> Prädikat das Subjekt noch einmal im Geiste ergänzt wünsche: der Hergang ist<lb/> ein sehr einfacher (nämlich Hergang). Wahrscheinlicher ist es, daß sie sich<lb/> beim Übersetzen aus deu alten Sprachen, wo auch im Prädikat immer das<lb/> Geschlecht des Adjektivs deutlich wird, eingenistet hat. Aber mau sehe sich<lb/> um: es wird gar nicht mehr anders geschrieben; in zehn Fällen neunmal<lb/> dieses schleppende deklinirte Adjektiv, im Zeitungsdeutsch durchweg, aber auch<lb/> in der wissenschaftlichen Darstellung, im Roman, im Geschäftsreklamestil, kurz,<lb/> überall. In einer Stunde kann man hundert Beispiele sammeln: der Verlauf</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0322]
Allerhand Sxrachdnmmheiten
schriften der Wunsch ausgesprochen, die „Sprachdummheiten" möchten in Buch¬
form zusammengedruckt werden. Diesem Wunsche wird sich vielleicht ent¬
sprechen lassen. Zunächst möchten wir unser Versprechen einlösen und uoch
eine Reihe von Beobachtungen aus der heutigen Satzbildung anfügen, die zum
großen Teil viel schlimmere Erscheinungen zeigen werden, als die frühern Be¬
obachtungen ans der Wortbildung.
Ein paar Leser haben Anstoß genommen an der Bezeichnung „Sprach-
dummhciten," sie meinten, es wäre klüger gewesen, von Sprachfehlern oder
Sprachsünden zu reden, denn die, die jene weitverbreiteten Fehler begingen, wären
doch deshalb keine Dummköpfe, sie wüßten nur eben in diesen Dingen nicht
recht Bescheid, weil sie nie Gelegenheit gehabt hätten, sich darüber zu unter¬
richten- Wir können denen, die dieses Bedenken ausgesprochen haben, kein
besonders feines Sprachgefühl zugestehen. Was wir vorgeführt haben und
noch vorzuführen gedenken, das find doch in der That zum größten Teile bloße
Dummheiten, bloße dumme Angewohnheiten. Und dann: wir bitten, sich doch
des Unterschiedes bewußt zu bleiben zwischen einer durch den Singular be¬
zeichneten stehenden Eigenschaft, die bekanntlich selbst von den Göttern ver¬
gebens bekämpft wird, und schlimmen Angewohnheiten, von denen anch der
gescheiteste Mensch nicht ganz frei ist, die er aber selber sehr leicht bekämpfen
kann, wenn er nur erst den guten Freund gefunden hat, der ihn darauf auf¬
merksam macht. Wir wollen es also bei dem harmlosen Ausdruck, der
die Sache um besten bezeichnet, lassen, und wenden uns nun zunächst zu dein
erstell Kapitel der Satzlehre, zu dem Verhältnis von Subjekt und Prädikat.
Da ist ein merkwürdiges Beispiel unnötiger und häßlicher Verbreiterung
des Ausdrucks, wie sie sich nie in lebendiger Rede findet, sondern sich immer
nur bei dem einstellt, der die Feder in der Hand hat, oder allenfalls bei dem
Gewohnheitsredner, der bereits Papierdeutsch spricht (es giebt solche), die
garstige Angewohnheit, das Prädikat, das aus einem Adjektivum oder einem
Partizip besteht, in der deklinirten, attributiven Form hinzuschreiben, anstatt,
wie es das einzig richtige und natürliche ist, in der undeklinirten, prädikativen,
also z. B.: der Hergang ist ein sehr einfacher, statt: der Hergang ist sehr
einfach. Woher diese Angewohnheit stammen mag, ist schwer zu sagen. Man
kann doch uicht im Ernste behaupte», daß der, der so schreibt oder spricht, zum
Prädikat das Subjekt noch einmal im Geiste ergänzt wünsche: der Hergang ist
ein sehr einfacher (nämlich Hergang). Wahrscheinlicher ist es, daß sie sich
beim Übersetzen aus deu alten Sprachen, wo auch im Prädikat immer das
Geschlecht des Adjektivs deutlich wird, eingenistet hat. Aber mau sehe sich
um: es wird gar nicht mehr anders geschrieben; in zehn Fällen neunmal
dieses schleppende deklinirte Adjektiv, im Zeitungsdeutsch durchweg, aber auch
in der wissenschaftlichen Darstellung, im Roman, im Geschäftsreklamestil, kurz,
überall. In einer Stunde kann man hundert Beispiele sammeln: der Verlauf
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