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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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Französische Abneigung gegen England

fleus etwas lächerlich. Abgeschmackt aber ist die sittliche Entrüstung, die von
der französischen Presse aller Farben in der Sache an den Tag gelegt und in
den gröbsten Schimpfreden über das Ministerium Salisburh ausgeschüttet wird.
Es war aber nicht zu verwundern; denn diese Blätter waren schon lange ge¬
wohnt, bei jedem Streite Englands, auch wenn dabei fein Gegner sonnenklar
im Unrechte war, von Anfang an in heißem Eifer für diesen in die Schranken
zu treten, einzig und allein weil er England bekämpfte. Es ist diese Art von
Parteinahme wirklich zum System geworden. Die Zeitungen können nicht
anders; denn ihre Leser erwarten und dulden es nicht anders. So verfehlt
die französische Presse kaum irgend eine Gelegenheit, den Nachbarn im Norden
ins Gedächtnis zu rufen, daß, wie "herzlich" auch, vom offiziellen Staudpunkte
aus angesehen, die Beziehungen der beiden Regierungen zu einander fein mögen,
von irgendwelcher aufrichtigen und vorbehaltslosen Freundschaft zwischen den
beiden Nationen nicht entfernt die Rede sein könne, wenigstens nicht, soweit
sichs um die Franzosen handele. Liebe aber erweckt Liebe, und Freundschaft
ruft Freundschaft hervor. Man darf also nicht erwarten, daß die Engländer,
die sich so verschmäht sehen, die Franzosen in ihr Herz schließen. Die letztern
jubeln ganz ungescheut über jeden Unfall, jede Schlappe der britischen Politik,
ärgern sich ebenso offen über jeden Erfolg und Gewinn derselben, mißdeuten
deren Mittel und Ziele und behandeln England im allgemeinen in gering¬
schätziger Weise, obschon gerade sie jetzt wenig Grund haben, sich aufs große
Pferd zu setzen. Es besteht für England keinerlei Weg, um sich bei seinen
französischen Kritikern Wohlgefallen und Lob zu erwerben, gleichviel welcher
Partei diese angehören: giebt es bei einer völkerrechtlichen Auseinandersetzung
in einem bestrittenen Punkte freiwillig uach, so thut es dies nach dem Urteile
dieser haßerfüllten Richter aus Feigheit oder Ohnmacht; besteht es dagegen
fest auf seinem Rechte, verteidigt es seine nationale Würde, so ist es ein Volk
von herausfordernden Eisenfressern und dreisten Friedensstörern. Nichts, was
die Engländer als Gesamtheit oder als Einzelne thun, findet, scheine es auch noch
so löblich, vor französischen Augen Gnade. Und dieses hartnäckig festgehaltene
feindselige Gefühl gegen die guten Freunde von ehedem findet feinen Ausdruck
nicht bloß in den Äußerungen der Kreise, die das Preßgeschäft betreiben und
oft wohl weniger aus eigner Böswilligkeit, schwerlich aber jemals aus Über¬
zeugung, sondern weil die Gesinnung der Abonnenten es will und dankbar
bemerkt, England herabsetzen, angreifen und verunglimpfen, sondern wir begegnen
ihnen auch in den Reden von Abgeordneten und in dem Auftreten von Staats¬
männern, die aber großenteils auch nur der allgemeinen Stimmung folgen
und sich damit empfehlen wollen. Namentlich werden französische Gesetzgeber
leicht unangenehm und nicht selten bissig, wenn die britische Regierung mit
einem Unternehmen in überseeischen Gebieten kommt, mich wenn sie damit
einmal nicht bloß englischen Interessen, sondern denen der ganzen Welt dient.


Französische Abneigung gegen England

fleus etwas lächerlich. Abgeschmackt aber ist die sittliche Entrüstung, die von
der französischen Presse aller Farben in der Sache an den Tag gelegt und in
den gröbsten Schimpfreden über das Ministerium Salisburh ausgeschüttet wird.
Es war aber nicht zu verwundern; denn diese Blätter waren schon lange ge¬
wohnt, bei jedem Streite Englands, auch wenn dabei fein Gegner sonnenklar
im Unrechte war, von Anfang an in heißem Eifer für diesen in die Schranken
zu treten, einzig und allein weil er England bekämpfte. Es ist diese Art von
Parteinahme wirklich zum System geworden. Die Zeitungen können nicht
anders; denn ihre Leser erwarten und dulden es nicht anders. So verfehlt
die französische Presse kaum irgend eine Gelegenheit, den Nachbarn im Norden
ins Gedächtnis zu rufen, daß, wie „herzlich" auch, vom offiziellen Staudpunkte
aus angesehen, die Beziehungen der beiden Regierungen zu einander fein mögen,
von irgendwelcher aufrichtigen und vorbehaltslosen Freundschaft zwischen den
beiden Nationen nicht entfernt die Rede sein könne, wenigstens nicht, soweit
sichs um die Franzosen handele. Liebe aber erweckt Liebe, und Freundschaft
ruft Freundschaft hervor. Man darf also nicht erwarten, daß die Engländer,
die sich so verschmäht sehen, die Franzosen in ihr Herz schließen. Die letztern
jubeln ganz ungescheut über jeden Unfall, jede Schlappe der britischen Politik,
ärgern sich ebenso offen über jeden Erfolg und Gewinn derselben, mißdeuten
deren Mittel und Ziele und behandeln England im allgemeinen in gering¬
schätziger Weise, obschon gerade sie jetzt wenig Grund haben, sich aufs große
Pferd zu setzen. Es besteht für England keinerlei Weg, um sich bei seinen
französischen Kritikern Wohlgefallen und Lob zu erwerben, gleichviel welcher
Partei diese angehören: giebt es bei einer völkerrechtlichen Auseinandersetzung
in einem bestrittenen Punkte freiwillig uach, so thut es dies nach dem Urteile
dieser haßerfüllten Richter aus Feigheit oder Ohnmacht; besteht es dagegen
fest auf seinem Rechte, verteidigt es seine nationale Würde, so ist es ein Volk
von herausfordernden Eisenfressern und dreisten Friedensstörern. Nichts, was
die Engländer als Gesamtheit oder als Einzelne thun, findet, scheine es auch noch
so löblich, vor französischen Augen Gnade. Und dieses hartnäckig festgehaltene
feindselige Gefühl gegen die guten Freunde von ehedem findet feinen Ausdruck
nicht bloß in den Äußerungen der Kreise, die das Preßgeschäft betreiben und
oft wohl weniger aus eigner Böswilligkeit, schwerlich aber jemals aus Über¬
zeugung, sondern weil die Gesinnung der Abonnenten es will und dankbar
bemerkt, England herabsetzen, angreifen und verunglimpfen, sondern wir begegnen
ihnen auch in den Reden von Abgeordneten und in dem Auftreten von Staats¬
männern, die aber großenteils auch nur der allgemeinen Stimmung folgen
und sich damit empfehlen wollen. Namentlich werden französische Gesetzgeber
leicht unangenehm und nicht selten bissig, wenn die britische Regierung mit
einem Unternehmen in überseeischen Gebieten kommt, mich wenn sie damit
einmal nicht bloß englischen Interessen, sondern denen der ganzen Welt dient.


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[0314] Französische Abneigung gegen England fleus etwas lächerlich. Abgeschmackt aber ist die sittliche Entrüstung, die von der französischen Presse aller Farben in der Sache an den Tag gelegt und in den gröbsten Schimpfreden über das Ministerium Salisburh ausgeschüttet wird. Es war aber nicht zu verwundern; denn diese Blätter waren schon lange ge¬ wohnt, bei jedem Streite Englands, auch wenn dabei fein Gegner sonnenklar im Unrechte war, von Anfang an in heißem Eifer für diesen in die Schranken zu treten, einzig und allein weil er England bekämpfte. Es ist diese Art von Parteinahme wirklich zum System geworden. Die Zeitungen können nicht anders; denn ihre Leser erwarten und dulden es nicht anders. So verfehlt die französische Presse kaum irgend eine Gelegenheit, den Nachbarn im Norden ins Gedächtnis zu rufen, daß, wie „herzlich" auch, vom offiziellen Staudpunkte aus angesehen, die Beziehungen der beiden Regierungen zu einander fein mögen, von irgendwelcher aufrichtigen und vorbehaltslosen Freundschaft zwischen den beiden Nationen nicht entfernt die Rede sein könne, wenigstens nicht, soweit sichs um die Franzosen handele. Liebe aber erweckt Liebe, und Freundschaft ruft Freundschaft hervor. Man darf also nicht erwarten, daß die Engländer, die sich so verschmäht sehen, die Franzosen in ihr Herz schließen. Die letztern jubeln ganz ungescheut über jeden Unfall, jede Schlappe der britischen Politik, ärgern sich ebenso offen über jeden Erfolg und Gewinn derselben, mißdeuten deren Mittel und Ziele und behandeln England im allgemeinen in gering¬ schätziger Weise, obschon gerade sie jetzt wenig Grund haben, sich aufs große Pferd zu setzen. Es besteht für England keinerlei Weg, um sich bei seinen französischen Kritikern Wohlgefallen und Lob zu erwerben, gleichviel welcher Partei diese angehören: giebt es bei einer völkerrechtlichen Auseinandersetzung in einem bestrittenen Punkte freiwillig uach, so thut es dies nach dem Urteile dieser haßerfüllten Richter aus Feigheit oder Ohnmacht; besteht es dagegen fest auf seinem Rechte, verteidigt es seine nationale Würde, so ist es ein Volk von herausfordernden Eisenfressern und dreisten Friedensstörern. Nichts, was die Engländer als Gesamtheit oder als Einzelne thun, findet, scheine es auch noch so löblich, vor französischen Augen Gnade. Und dieses hartnäckig festgehaltene feindselige Gefühl gegen die guten Freunde von ehedem findet feinen Ausdruck nicht bloß in den Äußerungen der Kreise, die das Preßgeschäft betreiben und oft wohl weniger aus eigner Böswilligkeit, schwerlich aber jemals aus Über¬ zeugung, sondern weil die Gesinnung der Abonnenten es will und dankbar bemerkt, England herabsetzen, angreifen und verunglimpfen, sondern wir begegnen ihnen auch in den Reden von Abgeordneten und in dem Auftreten von Staats¬ männern, die aber großenteils auch nur der allgemeinen Stimmung folgen und sich damit empfehlen wollen. Namentlich werden französische Gesetzgeber leicht unangenehm und nicht selten bissig, wenn die britische Regierung mit einem Unternehmen in überseeischen Gebieten kommt, mich wenn sie damit einmal nicht bloß englischen Interessen, sondern denen der ganzen Welt dient.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/314>, abgerufen am 23.07.2024.