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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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Sybel über die Gründung des Reiches

Radvwitz sprach sich in der betreffenden Beratung der Minister mit dem Könige
bestimmt und fest für den Krieg aus und beharrte, von Ladenberg und von
der Heydt unterstützt, bei dieser Ansicht, der König war anfangs für einen
Mittelweg: er wollte sofort mobil machen, gleichzeitig aber mit Österreich weiter
verhandeln und erklären, daß Preußen die Verfassung vom 26. Mai nicht aus-
führen wolle und in Kurhessen nicht feindlich auftreten, sondern sich auf die
Besetzung der Etrppenstraßen und des dazwischen liegenden Landes beschränken,
in Holstein aber der Statthalterschaft den Schutz Preußens aufkündigen werde,
wenn sie sich nicht aller Feindseligkeit gegen die Dänen enthalte, endlich in
Wien die Mobilmachung lediglich als Maßregel gegen einen Angriff ans die
Preußischen Grenzen darstellen lassen. Dann aber folgte eine überraschende
Wendung. Wolle, fügte er hinzu, das Ministerium diesen Weg nicht gehen,
sondern nach Brandenburgs Vorschlag in Wien friedliche Unterhandlungen
ohne Mobilmachung führen, so werde er sich nicht von ihm trennen, er solle
dann freie Hand haben, aber anch die Verantwortlichkeit dafür allein
tragen. Brandenburg, mit dem die Mehrheit seiner Amtsgenossen ging, er¬
klärte seine Meinung nicht ändern zu können, Radvwitz sprach im Namen der
Minderheit ein ebenso festes Beharren bei seiner Ansicht aus, und nun erklärte
der König, er sei zwar mit der Meinung der Minderheit ganz einverstanden,
werde aber die Mehrheit beibehalten und sie gewähren lassen, nnr wünsche er,
daß sie ihren nach seiner Überzeugung verderblichen Beschluß uicht zu be¬
reuen haben möge. Radvwitz, Ladenberg und von der Heydt reichten daraus
ihre Entlassung ein.

In den folgenden drei Kapiteln schildert nun der Verfasser die ferneren
Strecken des Weges zur Wiederherstellung der alten Verfassung Deutschlands,
das Olmützer Übereinkommen, die Dresdner Konferenzen und die Thätigkeit
des erneuerten Bundestages bis Ende März 1852, wobei wieder mancherlei
interessante Mitteilungen aus amtlichen Quellen unsre Kenntnis erweitern.
Im sechsten Buche, das hauptsächlich Deutschland unter dem Einflüsse des
Krimkrieges, dann den Dualismus im Bunde, Zollvereinsangelegenheiten, den
Thronwechsel und den Staatsstreich in Hannover sowie andre gleichzeitige
Ereignisse und Verhältnisse behandelt, tritt zuerst Bismarck auf, von dem ein
vortreffliches Charakterbild gegeben wird. Dabei fiigt Sybel einige Stellen
der "großenteils von ihm redigirten Einleitung zu der Archivpublikation "Preußen
im Bundestage" ein," was wir, da deren Herausgeber, Ritter von Poschinger,
diese Mitarbeiterschaft verschweigen zu dürfen geglaubt hat, billigerweise hier
verzeichnen müssen. Von Bismarck heißt es in der Sybelschen Zeichnung u. a.:
"Er stand damals ^als er um 2ö. August 1851 mit seinem Eintritt in den
Kreis der Bundestagsgesandter den ersten Schritt auf einer Laufbahn von
weltgeschichtlicher Bedeutung that^j in der vollen Blüte des kräftigsten Mannes-
nlters. Eine hohe Gestalt, ein von Intelligenz belebter Blick, in Mund und


Sybel über die Gründung des Reiches

Radvwitz sprach sich in der betreffenden Beratung der Minister mit dem Könige
bestimmt und fest für den Krieg aus und beharrte, von Ladenberg und von
der Heydt unterstützt, bei dieser Ansicht, der König war anfangs für einen
Mittelweg: er wollte sofort mobil machen, gleichzeitig aber mit Österreich weiter
verhandeln und erklären, daß Preußen die Verfassung vom 26. Mai nicht aus-
führen wolle und in Kurhessen nicht feindlich auftreten, sondern sich auf die
Besetzung der Etrppenstraßen und des dazwischen liegenden Landes beschränken,
in Holstein aber der Statthalterschaft den Schutz Preußens aufkündigen werde,
wenn sie sich nicht aller Feindseligkeit gegen die Dänen enthalte, endlich in
Wien die Mobilmachung lediglich als Maßregel gegen einen Angriff ans die
Preußischen Grenzen darstellen lassen. Dann aber folgte eine überraschende
Wendung. Wolle, fügte er hinzu, das Ministerium diesen Weg nicht gehen,
sondern nach Brandenburgs Vorschlag in Wien friedliche Unterhandlungen
ohne Mobilmachung führen, so werde er sich nicht von ihm trennen, er solle
dann freie Hand haben, aber anch die Verantwortlichkeit dafür allein
tragen. Brandenburg, mit dem die Mehrheit seiner Amtsgenossen ging, er¬
klärte seine Meinung nicht ändern zu können, Radvwitz sprach im Namen der
Minderheit ein ebenso festes Beharren bei seiner Ansicht aus, und nun erklärte
der König, er sei zwar mit der Meinung der Minderheit ganz einverstanden,
werde aber die Mehrheit beibehalten und sie gewähren lassen, nnr wünsche er,
daß sie ihren nach seiner Überzeugung verderblichen Beschluß uicht zu be¬
reuen haben möge. Radvwitz, Ladenberg und von der Heydt reichten daraus
ihre Entlassung ein.

In den folgenden drei Kapiteln schildert nun der Verfasser die ferneren
Strecken des Weges zur Wiederherstellung der alten Verfassung Deutschlands,
das Olmützer Übereinkommen, die Dresdner Konferenzen und die Thätigkeit
des erneuerten Bundestages bis Ende März 1852, wobei wieder mancherlei
interessante Mitteilungen aus amtlichen Quellen unsre Kenntnis erweitern.
Im sechsten Buche, das hauptsächlich Deutschland unter dem Einflüsse des
Krimkrieges, dann den Dualismus im Bunde, Zollvereinsangelegenheiten, den
Thronwechsel und den Staatsstreich in Hannover sowie andre gleichzeitige
Ereignisse und Verhältnisse behandelt, tritt zuerst Bismarck auf, von dem ein
vortreffliches Charakterbild gegeben wird. Dabei fiigt Sybel einige Stellen
der „großenteils von ihm redigirten Einleitung zu der Archivpublikation »Preußen
im Bundestage« ein," was wir, da deren Herausgeber, Ritter von Poschinger,
diese Mitarbeiterschaft verschweigen zu dürfen geglaubt hat, billigerweise hier
verzeichnen müssen. Von Bismarck heißt es in der Sybelschen Zeichnung u. a.:
"Er stand damals ^als er um 2ö. August 1851 mit seinem Eintritt in den
Kreis der Bundestagsgesandter den ersten Schritt auf einer Laufbahn von
weltgeschichtlicher Bedeutung that^j in der vollen Blüte des kräftigsten Mannes-
nlters. Eine hohe Gestalt, ein von Intelligenz belebter Blick, in Mund und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/271>, abgerufen am 23.07.2024.