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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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unter zwei Aren enthält, die Güter von 5 bis 50 Hektaren heraus, so ergiebt
sich, daß in Lothringen von 15991 Bailerngütern dieses Umfangs 8271 Eigen¬
wirtschaften sind, mir 171 reine Pachtwirtschaften, 7549 dagegen auf Pacht
und Eigentum zugleich gegründet- Daraus folgt, daß die Erwerbung geschlossener
Bauernhöfe keine so einfache Sache ist; solche Güter müßten in manchen Ge¬
genden und Dörfern erst gebildet werden. Eine Aktiengesellschaft also würde
z. B. auch in diesem Punkte keineswegs fertige Verhältnisse vorfinden, unter
denen mit Behagen nach vorgefaßter Meinung oder geschäftlichen Rücksichten eine
Auswahl zu treffen wäre, sie würde sehr bald einem schwierigen Zwischenhandel
gegenüber stehen. Würde aber das Unternehmen verstaatlicht, fiele also die
Notwendigkeit eines raschen Zugreifens weg, so würden dadurch die Bedin¬
gungen wesentlich gebessert werden.

Wenn wir die geschichtliche Entwicklung der Eigentums- und Besitzver¬
verhältnisse an landwirtschaftlichen Gütern und als deren Ergebnis die Ge¬
wöhnungen der Bevölkerung betrachten, so können wir daraus nur den Schluß
ziehen, daß den Bedürfnissen des Reiches kaum anders als durch Verpachtung
auf längere Zeit oder durch Bestellung einer Bodenrenke gedient wäre. Die
Emphyteuse besteht zwar thatsächlich, aber die Einzelheiten wie das Wesen
dieses Rechtsverhältnisses sind so sehr bestritten, daß garnicht daran gedacht
werden kann, Einrichtungen auf solcher unsicheren Grundlage zu schaffen, während
noch die Rechtsgelehrten darüber streiten, ob die Emphyteuse Eigentum und
das Recht der dinglichen Verpfändung übertragen, ob das Jagdrecht vorbehalten
werden könne, und darüber rechteln und deuteln, was ein 6oiQvnr1>roinont
und was ein "isiMvmsnt <is xropriutv sei. Daraus müssen wir aber unmittelbar
weiter folgern, daß die Schaffung oder Unterhaltung solcher Rechtsverhältnisse
kein Gegenstand für die Wagnisse einer Aktiengesellschaft wäre, die doch in
erster Linie raschen und sichern Gewinn anstreben müßte, und wie sollte sich
ferner der Staat zu solchen Gewinnbestrelmngen verhalten, dessen Hilfe nicht
entbehrt werden kann, wenn es sich um Entfernung gesetzlicher oder sonstiger
Hindernisse, um Förderung aus alleil Verwaltungsgebieten handelte, während die
nationalen Zwecke des Staates und die Gewinnlust einer Aktiengesellschaft
nicht nur grundsätzlich, sondern auch bei den Einzelheiten der Ausführung sehr
bald in Widerstreit geraten müßten?

Wir können unsre Meinung in folgenden Sätzen zusammenfassen. Lothringen
ist ein überwiegend deutsches Land und wird der Verdeutschung keinen unüber¬
windliche" Widerstand entgegensetzen, aber Grund und Boden sind zum guten
Teile noch in französischen Händen, und dieser Umstand ist ein großes Hindernis
für die Fortschritte der deutschen Aufgaben im Lande, ein Hindernis, dessen
Beseitigung mit allen zulässigen Mitteln anzustreben ist. Es ist dringend zu
wünschen, daß Private ans Altdeutschland Güter in Lothringen erwerben. Das
große Kapital wird sich vielleicht dein Ankaufe größerer Güter zuwenden, aber


unter zwei Aren enthält, die Güter von 5 bis 50 Hektaren heraus, so ergiebt
sich, daß in Lothringen von 15991 Bailerngütern dieses Umfangs 8271 Eigen¬
wirtschaften sind, mir 171 reine Pachtwirtschaften, 7549 dagegen auf Pacht
und Eigentum zugleich gegründet- Daraus folgt, daß die Erwerbung geschlossener
Bauernhöfe keine so einfache Sache ist; solche Güter müßten in manchen Ge¬
genden und Dörfern erst gebildet werden. Eine Aktiengesellschaft also würde
z. B. auch in diesem Punkte keineswegs fertige Verhältnisse vorfinden, unter
denen mit Behagen nach vorgefaßter Meinung oder geschäftlichen Rücksichten eine
Auswahl zu treffen wäre, sie würde sehr bald einem schwierigen Zwischenhandel
gegenüber stehen. Würde aber das Unternehmen verstaatlicht, fiele also die
Notwendigkeit eines raschen Zugreifens weg, so würden dadurch die Bedin¬
gungen wesentlich gebessert werden.

Wenn wir die geschichtliche Entwicklung der Eigentums- und Besitzver¬
verhältnisse an landwirtschaftlichen Gütern und als deren Ergebnis die Ge¬
wöhnungen der Bevölkerung betrachten, so können wir daraus nur den Schluß
ziehen, daß den Bedürfnissen des Reiches kaum anders als durch Verpachtung
auf längere Zeit oder durch Bestellung einer Bodenrenke gedient wäre. Die
Emphyteuse besteht zwar thatsächlich, aber die Einzelheiten wie das Wesen
dieses Rechtsverhältnisses sind so sehr bestritten, daß garnicht daran gedacht
werden kann, Einrichtungen auf solcher unsicheren Grundlage zu schaffen, während
noch die Rechtsgelehrten darüber streiten, ob die Emphyteuse Eigentum und
das Recht der dinglichen Verpfändung übertragen, ob das Jagdrecht vorbehalten
werden könne, und darüber rechteln und deuteln, was ein 6oiQvnr1>roinont
und was ein «isiMvmsnt <is xropriutv sei. Daraus müssen wir aber unmittelbar
weiter folgern, daß die Schaffung oder Unterhaltung solcher Rechtsverhältnisse
kein Gegenstand für die Wagnisse einer Aktiengesellschaft wäre, die doch in
erster Linie raschen und sichern Gewinn anstreben müßte, und wie sollte sich
ferner der Staat zu solchen Gewinnbestrelmngen verhalten, dessen Hilfe nicht
entbehrt werden kann, wenn es sich um Entfernung gesetzlicher oder sonstiger
Hindernisse, um Förderung aus alleil Verwaltungsgebieten handelte, während die
nationalen Zwecke des Staates und die Gewinnlust einer Aktiengesellschaft
nicht nur grundsätzlich, sondern auch bei den Einzelheiten der Ausführung sehr
bald in Widerstreit geraten müßten?

Wir können unsre Meinung in folgenden Sätzen zusammenfassen. Lothringen
ist ein überwiegend deutsches Land und wird der Verdeutschung keinen unüber¬
windliche« Widerstand entgegensetzen, aber Grund und Boden sind zum guten
Teile noch in französischen Händen, und dieser Umstand ist ein großes Hindernis
für die Fortschritte der deutschen Aufgaben im Lande, ein Hindernis, dessen
Beseitigung mit allen zulässigen Mitteln anzustreben ist. Es ist dringend zu
wünschen, daß Private ans Altdeutschland Güter in Lothringen erwerben. Das
große Kapital wird sich vielleicht dein Ankaufe größerer Güter zuwenden, aber


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[0268] unter zwei Aren enthält, die Güter von 5 bis 50 Hektaren heraus, so ergiebt sich, daß in Lothringen von 15991 Bailerngütern dieses Umfangs 8271 Eigen¬ wirtschaften sind, mir 171 reine Pachtwirtschaften, 7549 dagegen auf Pacht und Eigentum zugleich gegründet- Daraus folgt, daß die Erwerbung geschlossener Bauernhöfe keine so einfache Sache ist; solche Güter müßten in manchen Ge¬ genden und Dörfern erst gebildet werden. Eine Aktiengesellschaft also würde z. B. auch in diesem Punkte keineswegs fertige Verhältnisse vorfinden, unter denen mit Behagen nach vorgefaßter Meinung oder geschäftlichen Rücksichten eine Auswahl zu treffen wäre, sie würde sehr bald einem schwierigen Zwischenhandel gegenüber stehen. Würde aber das Unternehmen verstaatlicht, fiele also die Notwendigkeit eines raschen Zugreifens weg, so würden dadurch die Bedin¬ gungen wesentlich gebessert werden. Wenn wir die geschichtliche Entwicklung der Eigentums- und Besitzver¬ verhältnisse an landwirtschaftlichen Gütern und als deren Ergebnis die Ge¬ wöhnungen der Bevölkerung betrachten, so können wir daraus nur den Schluß ziehen, daß den Bedürfnissen des Reiches kaum anders als durch Verpachtung auf längere Zeit oder durch Bestellung einer Bodenrenke gedient wäre. Die Emphyteuse besteht zwar thatsächlich, aber die Einzelheiten wie das Wesen dieses Rechtsverhältnisses sind so sehr bestritten, daß garnicht daran gedacht werden kann, Einrichtungen auf solcher unsicheren Grundlage zu schaffen, während noch die Rechtsgelehrten darüber streiten, ob die Emphyteuse Eigentum und das Recht der dinglichen Verpfändung übertragen, ob das Jagdrecht vorbehalten werden könne, und darüber rechteln und deuteln, was ein 6oiQvnr1>roinont und was ein «isiMvmsnt <is xropriutv sei. Daraus müssen wir aber unmittelbar weiter folgern, daß die Schaffung oder Unterhaltung solcher Rechtsverhältnisse kein Gegenstand für die Wagnisse einer Aktiengesellschaft wäre, die doch in erster Linie raschen und sichern Gewinn anstreben müßte, und wie sollte sich ferner der Staat zu solchen Gewinnbestrelmngen verhalten, dessen Hilfe nicht entbehrt werden kann, wenn es sich um Entfernung gesetzlicher oder sonstiger Hindernisse, um Förderung aus alleil Verwaltungsgebieten handelte, während die nationalen Zwecke des Staates und die Gewinnlust einer Aktiengesellschaft nicht nur grundsätzlich, sondern auch bei den Einzelheiten der Ausführung sehr bald in Widerstreit geraten müßten? Wir können unsre Meinung in folgenden Sätzen zusammenfassen. Lothringen ist ein überwiegend deutsches Land und wird der Verdeutschung keinen unüber¬ windliche« Widerstand entgegensetzen, aber Grund und Boden sind zum guten Teile noch in französischen Händen, und dieser Umstand ist ein großes Hindernis für die Fortschritte der deutschen Aufgaben im Lande, ein Hindernis, dessen Beseitigung mit allen zulässigen Mitteln anzustreben ist. Es ist dringend zu wünschen, daß Private ans Altdeutschland Güter in Lothringen erwerben. Das große Kapital wird sich vielleicht dein Ankaufe größerer Güter zuwenden, aber

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/268>, abgerufen am 23.07.2024.