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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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Sybel über die Gründung des Reiches

Arbeiter, die kamen und gingen: für die Erntezeit, für dus Hvpfenpflücken, fiir
die Heuernte, für die Weinlese oder das Krautschueideu: dieses ziehende Volk
bleibt jetzt vielfach aus. Aber wenn auch deutsche Dienstboten ins Land ge¬
bracht würden, so würde doch das fortwährende "Wandeln," wie man in
Lothringen den Pacht- oder Dienstwechsel nennt, unausbleiblich eintreten, nud
zwar schon wegen der voraussichtlichen Verfeindung mit den einheimischen
Dorfleuteu. Für die Gutsbesitzer wie für die deutsche Sache wäre damit sehr
wenig gewonnen. Die größern Gutsbesitzer würden sehr bald genötigt sein,
durch Verpachtung von Häusern oder kleinerm Besitz sich den Bedarf an
jederzeit bereiten Hilfskräften dauernd zu sichern.

Man sieht, daß sich für Grundbesitzer, die die Güter selbst bewirtschaften
wollten, gar bald bedeutende Schwierigkeiten ergeben würden, denen nur durch
einen Nachschub aus der Heimat und durch dessen Seßhaftmachung wirksam
begegnet werden könnte.

Diese Verhältnisse weisen auf eine Lösung hin, wie sie in Preußen für
die östlichen Provinzen versucht wird.

(Schluß folgt)




Sybel über die Gründung des Reiches

achten uns Heinrich von Sybel vor einigen Jahren in seiner
Darstellung der "Revolutionszeit von 178ö bis 1800" den
Zerfall des heiligen römischen Reiches deutscher Nation geschildert
hat, giebt er uns jetzt die beideu ersten Bände eines Werkes,
das gewissermaßen die Fortsetzung dieser historischen Arbeit und
in feinem Inhalte das Gegenstück dazu bilden wird. Es nennt sich Die Be¬
gründung des deutschen Reiches durch Wilhelm 1. (München und
Leipzig, N. Oldenbourg) und ist, wenn sich das frühere schon durch aus¬
gedehntes und gründliches Quellenstudium auszeichnete, insofern uoch wert¬
voller, als dein Verfasser dabei der Einblick in die preußischen Staats¬
akten in weitem Umfange gestattet war, indem er vom Reichskanzler im März
1881 die Erlaubnis erhielt, dazu die Bestände der Staatsarchive sowie der
Registratur des Auswärtigen Amtes zu benutzen, "eine kaum absehbare Fülle
des trefflichsten Materials, ministerielle Erlasse und Berichte der Gesandten,


Sybel über die Gründung des Reiches

Arbeiter, die kamen und gingen: für die Erntezeit, für dus Hvpfenpflücken, fiir
die Heuernte, für die Weinlese oder das Krautschueideu: dieses ziehende Volk
bleibt jetzt vielfach aus. Aber wenn auch deutsche Dienstboten ins Land ge¬
bracht würden, so würde doch das fortwährende „Wandeln," wie man in
Lothringen den Pacht- oder Dienstwechsel nennt, unausbleiblich eintreten, nud
zwar schon wegen der voraussichtlichen Verfeindung mit den einheimischen
Dorfleuteu. Für die Gutsbesitzer wie für die deutsche Sache wäre damit sehr
wenig gewonnen. Die größern Gutsbesitzer würden sehr bald genötigt sein,
durch Verpachtung von Häusern oder kleinerm Besitz sich den Bedarf an
jederzeit bereiten Hilfskräften dauernd zu sichern.

Man sieht, daß sich für Grundbesitzer, die die Güter selbst bewirtschaften
wollten, gar bald bedeutende Schwierigkeiten ergeben würden, denen nur durch
einen Nachschub aus der Heimat und durch dessen Seßhaftmachung wirksam
begegnet werden könnte.

Diese Verhältnisse weisen auf eine Lösung hin, wie sie in Preußen für
die östlichen Provinzen versucht wird.

(Schluß folgt)




Sybel über die Gründung des Reiches

achten uns Heinrich von Sybel vor einigen Jahren in seiner
Darstellung der „Revolutionszeit von 178ö bis 1800" den
Zerfall des heiligen römischen Reiches deutscher Nation geschildert
hat, giebt er uns jetzt die beideu ersten Bände eines Werkes,
das gewissermaßen die Fortsetzung dieser historischen Arbeit und
in feinem Inhalte das Gegenstück dazu bilden wird. Es nennt sich Die Be¬
gründung des deutschen Reiches durch Wilhelm 1. (München und
Leipzig, N. Oldenbourg) und ist, wenn sich das frühere schon durch aus¬
gedehntes und gründliches Quellenstudium auszeichnete, insofern uoch wert¬
voller, als dein Verfasser dabei der Einblick in die preußischen Staats¬
akten in weitem Umfange gestattet war, indem er vom Reichskanzler im März
1881 die Erlaubnis erhielt, dazu die Bestände der Staatsarchive sowie der
Registratur des Auswärtigen Amtes zu benutzen, „eine kaum absehbare Fülle
des trefflichsten Materials, ministerielle Erlasse und Berichte der Gesandten,


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[0226] Sybel über die Gründung des Reiches Arbeiter, die kamen und gingen: für die Erntezeit, für dus Hvpfenpflücken, fiir die Heuernte, für die Weinlese oder das Krautschueideu: dieses ziehende Volk bleibt jetzt vielfach aus. Aber wenn auch deutsche Dienstboten ins Land ge¬ bracht würden, so würde doch das fortwährende „Wandeln," wie man in Lothringen den Pacht- oder Dienstwechsel nennt, unausbleiblich eintreten, nud zwar schon wegen der voraussichtlichen Verfeindung mit den einheimischen Dorfleuteu. Für die Gutsbesitzer wie für die deutsche Sache wäre damit sehr wenig gewonnen. Die größern Gutsbesitzer würden sehr bald genötigt sein, durch Verpachtung von Häusern oder kleinerm Besitz sich den Bedarf an jederzeit bereiten Hilfskräften dauernd zu sichern. Man sieht, daß sich für Grundbesitzer, die die Güter selbst bewirtschaften wollten, gar bald bedeutende Schwierigkeiten ergeben würden, denen nur durch einen Nachschub aus der Heimat und durch dessen Seßhaftmachung wirksam begegnet werden könnte. Diese Verhältnisse weisen auf eine Lösung hin, wie sie in Preußen für die östlichen Provinzen versucht wird. (Schluß folgt) Sybel über die Gründung des Reiches achten uns Heinrich von Sybel vor einigen Jahren in seiner Darstellung der „Revolutionszeit von 178ö bis 1800" den Zerfall des heiligen römischen Reiches deutscher Nation geschildert hat, giebt er uns jetzt die beideu ersten Bände eines Werkes, das gewissermaßen die Fortsetzung dieser historischen Arbeit und in feinem Inhalte das Gegenstück dazu bilden wird. Es nennt sich Die Be¬ gründung des deutschen Reiches durch Wilhelm 1. (München und Leipzig, N. Oldenbourg) und ist, wenn sich das frühere schon durch aus¬ gedehntes und gründliches Quellenstudium auszeichnete, insofern uoch wert¬ voller, als dein Verfasser dabei der Einblick in die preußischen Staats¬ akten in weitem Umfange gestattet war, indem er vom Reichskanzler im März 1881 die Erlaubnis erhielt, dazu die Bestände der Staatsarchive sowie der Registratur des Auswärtigen Amtes zu benutzen, „eine kaum absehbare Fülle des trefflichsten Materials, ministerielle Erlasse und Berichte der Gesandten,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/226>, abgerufen am 23.07.2024.