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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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Kaiser Franz I. von Österreich am 11. April 1814, bald nach Einzug der
Verbündeten in Paris, gerichtet hat. Der patriotische Fürst empfiehlt, den
deutschen Orden wieder herzustellen und ihm ein Stück des linken Rheinufers,
sowie die ehemalige" Kommenden des Malteserordens deutscher Zunge im Elsaß
zu überlassen. Heute würde wohl niemand mehr ans den Gedanken kommen,
daß man Deutschherreu oder Marinuer nach Lothringen verpflanzen sollte.
Aber der Gedanke, der dem baierischen Kronprinzen vorschwebte, daß man dnrch
Überlassung gebundenen Großgrundbesitzes an Deutsche in der deutschen West¬
mark eine politische Aufgabe erfüllen könne, ist heute uoch, ins Zeitgemäße
übertragen, beachtenswert. Seit Jahren ist eine recht bedeutende Anzahl von
Versuchen gemacht worden, für deutsche Adelsfamilien größere Güter im Reichs-
lande zu erwerben. Aber niemals ist die Sache über diesen ersten Versuch
Humus gediehen. Denn mit der Eröffnung, daß nach der bestehenden fran¬
zösischen Gesetzgebung Fideikommisse oder Majorate nicht gegründet werden
können, schwand sofort die Lust um Erwerbungen. Wir haben diese Einrich¬
tungen in ganz Altdeutschland mit Ausnahme von Oldenburg. Die Einrich¬
tungen bestanden auch früher im Reichslande, wo sie 1835 verschwanden, weil
die Orleans einer napoleonischen Schöpfung keine Vorrechte vor den andern
grundbesitzenden Familien auf die Dauer zuerkennen wollten. Ein Gesetz, das
die Substitutionen wieder zulassen und die Errichtung vou Gütern, die ein
bestimmtes Steuersoll an Grundsteuer entrichten, zu Majoraten nach deutschem
Muster gestatten und dabei einerseits den Besitz des Adels als Vorbedingung
ausschließen, aber die deutsche Staatsangehörigkeit der ersten Besitzer und der
Nachfolger als unerläßliche Voraussetzung der ersten Gründung wie des Fort¬
bestehens der Majorate zur Regel machen wollte, hätte sicher den Erfolg, daß
nicht nur die einheimischen Grundbesitzer von den gebotenen Borteilen Gebrauch
machen würden, sondern daß sie sich auch mehr und mehr von der Erwerbung
französischer Rente oder auslciudischer Werte ab- und der Gütererwerbnng zu¬
wenden würden, während nicht zu bezweifeln ist, daß auch Altdeutsche die Ge¬
legenheit zur Festigung des Familienvermögens aufsuchen würden, die in Alt-
deutschland bürgerlichen Kreisen verschlossen ist. Politische Vorrechte aber mit
solchem Grundbesitze zu verbinden, etwa Anspruch auf Berufung in ein Herren¬
haus, das wäre ein Fehlgriff. Der Grundbesitzer erwirbt und wahrt sich im
Reichslande seiue Stellung dnrch den natürlichen Einfluß, den der Besitz ver¬
leiht, durch dieses urivilö^g anonyme, das an Stelle der alten Privilegien ge¬
treten ist, die die Revolution abgeschafft hat. Der Vorrang vor den ein¬
heimischen Gutsbesitzern, die alles in Pacht geben und höchstens bei der Weinlese
oder bei der Hubertusjagd eine Rolle spielen, würde dem deutschen Landwirt,
der sein Gut selbst bewirtschaften und sich nicht nur durch Besprechungen,
sondern durch Bethätigungen landwirtschaftlicher Besserungen hervorthun würde,
gar bald gesichert sein. Der altdeutsche Großgrundbesitzer bedürfte keiner


Kaiser Franz I. von Österreich am 11. April 1814, bald nach Einzug der
Verbündeten in Paris, gerichtet hat. Der patriotische Fürst empfiehlt, den
deutschen Orden wieder herzustellen und ihm ein Stück des linken Rheinufers,
sowie die ehemalige» Kommenden des Malteserordens deutscher Zunge im Elsaß
zu überlassen. Heute würde wohl niemand mehr ans den Gedanken kommen,
daß man Deutschherreu oder Marinuer nach Lothringen verpflanzen sollte.
Aber der Gedanke, der dem baierischen Kronprinzen vorschwebte, daß man dnrch
Überlassung gebundenen Großgrundbesitzes an Deutsche in der deutschen West¬
mark eine politische Aufgabe erfüllen könne, ist heute uoch, ins Zeitgemäße
übertragen, beachtenswert. Seit Jahren ist eine recht bedeutende Anzahl von
Versuchen gemacht worden, für deutsche Adelsfamilien größere Güter im Reichs-
lande zu erwerben. Aber niemals ist die Sache über diesen ersten Versuch
Humus gediehen. Denn mit der Eröffnung, daß nach der bestehenden fran¬
zösischen Gesetzgebung Fideikommisse oder Majorate nicht gegründet werden
können, schwand sofort die Lust um Erwerbungen. Wir haben diese Einrich¬
tungen in ganz Altdeutschland mit Ausnahme von Oldenburg. Die Einrich¬
tungen bestanden auch früher im Reichslande, wo sie 1835 verschwanden, weil
die Orleans einer napoleonischen Schöpfung keine Vorrechte vor den andern
grundbesitzenden Familien auf die Dauer zuerkennen wollten. Ein Gesetz, das
die Substitutionen wieder zulassen und die Errichtung vou Gütern, die ein
bestimmtes Steuersoll an Grundsteuer entrichten, zu Majoraten nach deutschem
Muster gestatten und dabei einerseits den Besitz des Adels als Vorbedingung
ausschließen, aber die deutsche Staatsangehörigkeit der ersten Besitzer und der
Nachfolger als unerläßliche Voraussetzung der ersten Gründung wie des Fort¬
bestehens der Majorate zur Regel machen wollte, hätte sicher den Erfolg, daß
nicht nur die einheimischen Grundbesitzer von den gebotenen Borteilen Gebrauch
machen würden, sondern daß sie sich auch mehr und mehr von der Erwerbung
französischer Rente oder auslciudischer Werte ab- und der Gütererwerbnng zu¬
wenden würden, während nicht zu bezweifeln ist, daß auch Altdeutsche die Ge¬
legenheit zur Festigung des Familienvermögens aufsuchen würden, die in Alt-
deutschland bürgerlichen Kreisen verschlossen ist. Politische Vorrechte aber mit
solchem Grundbesitze zu verbinden, etwa Anspruch auf Berufung in ein Herren¬
haus, das wäre ein Fehlgriff. Der Grundbesitzer erwirbt und wahrt sich im
Reichslande seiue Stellung dnrch den natürlichen Einfluß, den der Besitz ver¬
leiht, durch dieses urivilö^g anonyme, das an Stelle der alten Privilegien ge¬
treten ist, die die Revolution abgeschafft hat. Der Vorrang vor den ein¬
heimischen Gutsbesitzern, die alles in Pacht geben und höchstens bei der Weinlese
oder bei der Hubertusjagd eine Rolle spielen, würde dem deutschen Landwirt,
der sein Gut selbst bewirtschaften und sich nicht nur durch Besprechungen,
sondern durch Bethätigungen landwirtschaftlicher Besserungen hervorthun würde,
gar bald gesichert sein. Der altdeutsche Großgrundbesitzer bedürfte keiner


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/224>, abgerufen am 23.07.2024.