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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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Die Ansiedelung deutscher Landwirte in Lothringen

Verleihung der sogeiiauuteu Dotationeil an die Bedingung des Grunderwerbes
in Lothringen oder im Elsaß geknüpft werden. Es wäre wohl eine müßige
Aufgabe, heute noch zu erörtern, welche Bedenken und welche wirklichen
Schwierigkeiten damals der Ausführung dieses patriotischen und sicher ver¬
nünftigen Gedankens wie auch dem Versuche entgegenstanden, deutsches Kapital
überhaupt der Grunderwerbung und z. B. auch der Ausbeutung der Eisenwerke
in Lothringen in genügendem Maße zuzuführen. Als die Optionsbewegung
eintrat, etwa im Sommer 1872, waren schon viele deutsche Kanfliebhabcr, die
sich die Sachlage in der Nähe besehen hatten, enttäuscht und von der ersten
Begeisterung abgekühlt ans Lothringen wieder in die Heimat zurückgekehrt.
Der ganze Vorteil, der aus der Wanderbewegung in Lothringen als Gelegen¬
heit zum Gruuderwerbe entstand, fiel damals einheimischen und besonders
französischen Güterhäudlern aus Nancy, Lnnvville, Blamont, Pont-i>.-Moussou,
NvmLuy, Briey u. s. w. zu. Diese benutzten den Vorteil der Lage, der ihnen
dadurch erwuchs, daß einerseits durch den Friedensvertrag die Gegenseitigkeit
der Rechtshilfe gesichert war, während anderseits die Enregistrcmentsabgabe
in Deutschland dadurch umgangen wurde, daß die Zwischenmänner auf Grund
bon Vollmachten der Eigentümer Privaturkunden (cielos 8vus se-inZ' xriva)
wachten, kraft deren ein Anwesen oder ein Grundstück zwei, drei mal veräußert
wurde, bis der letzte ernsthafte ErWerber schließlich die lästige Abgabe für den
Eigentumsübergang entrichtete. Wie damals alles käuflich war, so fehlte es
"und nicht an Knufliebhnbern, denn der Lothringer ist ein "Grnndwolf" so gut
wie der Elsüsser, der jede Ersparnis in "Stücken" anlegt, die bei Gelegenheit
von sogenannten Protvkollkäufen, bei Erbschaftsteilungen, bei Lvsbildnngen,
Wenn es sich um den Verkauf größerer Liegenschaften handelt u. s. w. erworben
werden. Es ist kaum zu schildern, wie besonders einige jüdische Gütermetzger
die Bestürzung und Unwissenheit der Bedauernswerten, die meinte", es müsse
no jeden Preis verkauft und ausgewandert werden, zu ihrem Vorteile aus¬
beuteten, und welches Elend diese Halsabschneider in den Dörfern angerichtet
haben. Die Geschichte einer Reihe von verkrachten Notariatsstuben würde die
^hrreichsten Beiträge zur Kenntnis dieser Bewegung liefern, die dazu gedient hat,
le Bevölkerung der deutschen Sache so gründlich zu entfremden, daß die katholisch-
^halistische Bewegung in Frankreich, voll der Geistlichkeit ins Land getragen,
wie eine Rettung vom Untergange begrüßt wurde und Anhänger gewann, die in
^"s ewig goldne Land einer bessern Zukunft, nach Frankreich zogen. Vor etwa
/echig Jahren, um dieselbe Zeit etwa, als der Generalprokurator in Nancy
einem Berichte an den Justizminister erklärte, die Ausbeutung der Bauern
ni Deutsch-Lothringen sei so weit gediehen, daß er, um die Nester von Blnt-
W'gern zu zerstören, die Inhaber aller verkäuflichen Jnstizstellen ganzer Kantone
i ^ ^'^Mng empfehlen müsse, weil sie insgesamt einer Art von Camorra
^"zugehören verdächtig waren, damals konnte man ein tieftranriges deutsches


Die Ansiedelung deutscher Landwirte in Lothringen

Verleihung der sogeiiauuteu Dotationeil an die Bedingung des Grunderwerbes
in Lothringen oder im Elsaß geknüpft werden. Es wäre wohl eine müßige
Aufgabe, heute noch zu erörtern, welche Bedenken und welche wirklichen
Schwierigkeiten damals der Ausführung dieses patriotischen und sicher ver¬
nünftigen Gedankens wie auch dem Versuche entgegenstanden, deutsches Kapital
überhaupt der Grunderwerbung und z. B. auch der Ausbeutung der Eisenwerke
in Lothringen in genügendem Maße zuzuführen. Als die Optionsbewegung
eintrat, etwa im Sommer 1872, waren schon viele deutsche Kanfliebhabcr, die
sich die Sachlage in der Nähe besehen hatten, enttäuscht und von der ersten
Begeisterung abgekühlt ans Lothringen wieder in die Heimat zurückgekehrt.
Der ganze Vorteil, der aus der Wanderbewegung in Lothringen als Gelegen¬
heit zum Gruuderwerbe entstand, fiel damals einheimischen und besonders
französischen Güterhäudlern aus Nancy, Lnnvville, Blamont, Pont-i>.-Moussou,
NvmLuy, Briey u. s. w. zu. Diese benutzten den Vorteil der Lage, der ihnen
dadurch erwuchs, daß einerseits durch den Friedensvertrag die Gegenseitigkeit
der Rechtshilfe gesichert war, während anderseits die Enregistrcmentsabgabe
in Deutschland dadurch umgangen wurde, daß die Zwischenmänner auf Grund
bon Vollmachten der Eigentümer Privaturkunden (cielos 8vus se-inZ' xriva)
wachten, kraft deren ein Anwesen oder ein Grundstück zwei, drei mal veräußert
wurde, bis der letzte ernsthafte ErWerber schließlich die lästige Abgabe für den
Eigentumsübergang entrichtete. Wie damals alles käuflich war, so fehlte es
"und nicht an Knufliebhnbern, denn der Lothringer ist ein „Grnndwolf" so gut
wie der Elsüsser, der jede Ersparnis in „Stücken" anlegt, die bei Gelegenheit
von sogenannten Protvkollkäufen, bei Erbschaftsteilungen, bei Lvsbildnngen,
Wenn es sich um den Verkauf größerer Liegenschaften handelt u. s. w. erworben
werden. Es ist kaum zu schildern, wie besonders einige jüdische Gütermetzger
die Bestürzung und Unwissenheit der Bedauernswerten, die meinte», es müsse
no jeden Preis verkauft und ausgewandert werden, zu ihrem Vorteile aus¬
beuteten, und welches Elend diese Halsabschneider in den Dörfern angerichtet
haben. Die Geschichte einer Reihe von verkrachten Notariatsstuben würde die
^hrreichsten Beiträge zur Kenntnis dieser Bewegung liefern, die dazu gedient hat,
le Bevölkerung der deutschen Sache so gründlich zu entfremden, daß die katholisch-
^halistische Bewegung in Frankreich, voll der Geistlichkeit ins Land getragen,
wie eine Rettung vom Untergange begrüßt wurde und Anhänger gewann, die in
^«s ewig goldne Land einer bessern Zukunft, nach Frankreich zogen. Vor etwa
/echig Jahren, um dieselbe Zeit etwa, als der Generalprokurator in Nancy
einem Berichte an den Justizminister erklärte, die Ausbeutung der Bauern
ni Deutsch-Lothringen sei so weit gediehen, daß er, um die Nester von Blnt-
W'gern zu zerstören, die Inhaber aller verkäuflichen Jnstizstellen ganzer Kantone
i ^ ^'^Mng empfehlen müsse, weil sie insgesamt einer Art von Camorra
^"zugehören verdächtig waren, damals konnte man ein tieftranriges deutsches


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[0215] Die Ansiedelung deutscher Landwirte in Lothringen Verleihung der sogeiiauuteu Dotationeil an die Bedingung des Grunderwerbes in Lothringen oder im Elsaß geknüpft werden. Es wäre wohl eine müßige Aufgabe, heute noch zu erörtern, welche Bedenken und welche wirklichen Schwierigkeiten damals der Ausführung dieses patriotischen und sicher ver¬ nünftigen Gedankens wie auch dem Versuche entgegenstanden, deutsches Kapital überhaupt der Grunderwerbung und z. B. auch der Ausbeutung der Eisenwerke in Lothringen in genügendem Maße zuzuführen. Als die Optionsbewegung eintrat, etwa im Sommer 1872, waren schon viele deutsche Kanfliebhabcr, die sich die Sachlage in der Nähe besehen hatten, enttäuscht und von der ersten Begeisterung abgekühlt ans Lothringen wieder in die Heimat zurückgekehrt. Der ganze Vorteil, der aus der Wanderbewegung in Lothringen als Gelegen¬ heit zum Gruuderwerbe entstand, fiel damals einheimischen und besonders französischen Güterhäudlern aus Nancy, Lnnvville, Blamont, Pont-i>.-Moussou, NvmLuy, Briey u. s. w. zu. Diese benutzten den Vorteil der Lage, der ihnen dadurch erwuchs, daß einerseits durch den Friedensvertrag die Gegenseitigkeit der Rechtshilfe gesichert war, während anderseits die Enregistrcmentsabgabe in Deutschland dadurch umgangen wurde, daß die Zwischenmänner auf Grund bon Vollmachten der Eigentümer Privaturkunden (cielos 8vus se-inZ' xriva) wachten, kraft deren ein Anwesen oder ein Grundstück zwei, drei mal veräußert wurde, bis der letzte ernsthafte ErWerber schließlich die lästige Abgabe für den Eigentumsübergang entrichtete. Wie damals alles käuflich war, so fehlte es "und nicht an Knufliebhnbern, denn der Lothringer ist ein „Grnndwolf" so gut wie der Elsüsser, der jede Ersparnis in „Stücken" anlegt, die bei Gelegenheit von sogenannten Protvkollkäufen, bei Erbschaftsteilungen, bei Lvsbildnngen, Wenn es sich um den Verkauf größerer Liegenschaften handelt u. s. w. erworben werden. Es ist kaum zu schildern, wie besonders einige jüdische Gütermetzger die Bestürzung und Unwissenheit der Bedauernswerten, die meinte», es müsse no jeden Preis verkauft und ausgewandert werden, zu ihrem Vorteile aus¬ beuteten, und welches Elend diese Halsabschneider in den Dörfern angerichtet haben. Die Geschichte einer Reihe von verkrachten Notariatsstuben würde die ^hrreichsten Beiträge zur Kenntnis dieser Bewegung liefern, die dazu gedient hat, le Bevölkerung der deutschen Sache so gründlich zu entfremden, daß die katholisch- ^halistische Bewegung in Frankreich, voll der Geistlichkeit ins Land getragen, wie eine Rettung vom Untergange begrüßt wurde und Anhänger gewann, die in ^«s ewig goldne Land einer bessern Zukunft, nach Frankreich zogen. Vor etwa /echig Jahren, um dieselbe Zeit etwa, als der Generalprokurator in Nancy einem Berichte an den Justizminister erklärte, die Ausbeutung der Bauern ni Deutsch-Lothringen sei so weit gediehen, daß er, um die Nester von Blnt- W'gern zu zerstören, die Inhaber aller verkäuflichen Jnstizstellen ganzer Kantone i ^ ^'^Mng empfehlen müsse, weil sie insgesamt einer Art von Camorra ^"zugehören verdächtig waren, damals konnte man ein tieftranriges deutsches

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/215>, abgerufen am 23.07.2024.