Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Zur Charakteristik der Delltschfreisinnigeü

Thatsache fest, daß Sir Morier zu denen gehörte, die mit Deutschland außer¬
ordentlich zufrieden waren, so lange sie in ihm das Volk der Dichter und
Denker sahen, deutschfreundlich waren, so lange Deutschland ohnmächtig war,
dagegen von dem Augenblick an Kehrt gegen Deutschland machten, als dieses
den Anspruch erhob, etwas in der Welt zu gelten. Aber gerade solche Persön¬
lichkeiten sind die guten Freunde der Deutschfreisinnigen. Diese jubelten den
englischen Zeitungen entgegen, die für die Ehrenhaftigkeit ihres Morier ein¬
traten, weil ein englischer Gentleman nicht lügen könne. Als ob eS keinen
Mackenzie gegeben hatte! Die Kölner Zeitung hatte zwar ganz Recht, wenn
sie sagte: "Mit der Redensart, ein englischer Gentleman thue das oder jenes
nicht, kommt man nicht weit; denn ein deutscher Gentleman erhebt keine Be¬
schuldigung, wenn er nicht von seinem Rechte, sie erheben zu dürfen, fest über¬
zeugt ist." Aber die deutschfreisinnigen Blätter machten natürlich auch hier
gemeinsame Sache mit dem Ausländer, ans dessen Worte sie von vornherein
schwuren. Die wohlbegründeten Anklagen der Kölner Zeitung waren ihnen
von vornherein eine "feige Verleumdung."

Wir haben oben eine Äußerung Hvbrechts aus der neulich aufgeführte"
Kolvnialdebatte, die er gegen Bamberger that, erwähnt. Hobrecht sagte: "Die
Annahme sBambergers>, daß es sich bei der Koloiiialpvlitik mir mir Stroh¬
feuer, uur um eine Schützenfeststimmung handelt, hat schon viel deutsches Blut
und viele Opfer gekostet." Was Hobrecht hier im allgemeinen sagt, das wollen
wir an einem bestimmten Falle noch besonders nachweisen. Der Fall ist ein
Zeugnis von der Schädigung, die die freisinnige Partei mit dem größten
Leichtsinn deu vaterländischen Interessen immer zu bringen bereit gewesen ist.
Die schwersten Opfer, die Nur bisher überhaupt durch überseeische Expeditionen
erlitten haben, wurden in dem Zusammentreffen unsrer Marine mit den Gegnern
Deutschlands auf Samoa gebracht: 1ö Tote und W Verwundete. All dem
blutigen Ereignis trugen hauptsächlich der amerikanische Konsul Klein lind der
Kommandant des amerikanische" Kreuzers "Adler," Mr. Leary, die Schuld.
Daß aber die samvanische Frage sich so verwickelt hatte und überhaupt in ein
so "akntes Stadium" hatte eintreten können, verdanken wir dem Patriotismus
des Herrn Bamberger, der, als es IttW galt, Samoa dem deutschen Handels¬
interesse vollständig zu unterwerfen und eine Reichsbürgschaft für die dortigen
deutschen Niederlassungen zu übernehmen, aus Ärger über Vismarck lieber das
Reichsinteresse gegenüber den: Auslande schädigen wollte. Diesem hohen Stand¬
punkte des fortschrittlichen Herrn folgte auch der damalige Reichstag. Die
Folge dieser Politik war, daß auf Samoa selbst sofort das Ansehe" des deutschen
Reiches sank, das des Auslandes stieg. Es war nur sachgemäß, daß der Ab¬
geordnete von Helldorff bei der jüngste" Debatte über die Dampfervorlage am
19. Januar wieder darauf hinwies, daß, wenn damals die Unterstützung be¬
willigt worden wäre, unsre Verhältnisse auch in der Südsee besser stünden.


Zur Charakteristik der Delltschfreisinnigeü

Thatsache fest, daß Sir Morier zu denen gehörte, die mit Deutschland außer¬
ordentlich zufrieden waren, so lange sie in ihm das Volk der Dichter und
Denker sahen, deutschfreundlich waren, so lange Deutschland ohnmächtig war,
dagegen von dem Augenblick an Kehrt gegen Deutschland machten, als dieses
den Anspruch erhob, etwas in der Welt zu gelten. Aber gerade solche Persön¬
lichkeiten sind die guten Freunde der Deutschfreisinnigen. Diese jubelten den
englischen Zeitungen entgegen, die für die Ehrenhaftigkeit ihres Morier ein¬
traten, weil ein englischer Gentleman nicht lügen könne. Als ob eS keinen
Mackenzie gegeben hatte! Die Kölner Zeitung hatte zwar ganz Recht, wenn
sie sagte: „Mit der Redensart, ein englischer Gentleman thue das oder jenes
nicht, kommt man nicht weit; denn ein deutscher Gentleman erhebt keine Be¬
schuldigung, wenn er nicht von seinem Rechte, sie erheben zu dürfen, fest über¬
zeugt ist." Aber die deutschfreisinnigen Blätter machten natürlich auch hier
gemeinsame Sache mit dem Ausländer, ans dessen Worte sie von vornherein
schwuren. Die wohlbegründeten Anklagen der Kölner Zeitung waren ihnen
von vornherein eine „feige Verleumdung."

Wir haben oben eine Äußerung Hvbrechts aus der neulich aufgeführte»
Kolvnialdebatte, die er gegen Bamberger that, erwähnt. Hobrecht sagte: „Die
Annahme sBambergers>, daß es sich bei der Koloiiialpvlitik mir mir Stroh¬
feuer, uur um eine Schützenfeststimmung handelt, hat schon viel deutsches Blut
und viele Opfer gekostet." Was Hobrecht hier im allgemeinen sagt, das wollen
wir an einem bestimmten Falle noch besonders nachweisen. Der Fall ist ein
Zeugnis von der Schädigung, die die freisinnige Partei mit dem größten
Leichtsinn deu vaterländischen Interessen immer zu bringen bereit gewesen ist.
Die schwersten Opfer, die Nur bisher überhaupt durch überseeische Expeditionen
erlitten haben, wurden in dem Zusammentreffen unsrer Marine mit den Gegnern
Deutschlands auf Samoa gebracht: 1ö Tote und W Verwundete. All dem
blutigen Ereignis trugen hauptsächlich der amerikanische Konsul Klein lind der
Kommandant des amerikanische» Kreuzers „Adler," Mr. Leary, die Schuld.
Daß aber die samvanische Frage sich so verwickelt hatte und überhaupt in ein
so „akntes Stadium" hatte eintreten können, verdanken wir dem Patriotismus
des Herrn Bamberger, der, als es IttW galt, Samoa dem deutschen Handels¬
interesse vollständig zu unterwerfen und eine Reichsbürgschaft für die dortigen
deutschen Niederlassungen zu übernehmen, aus Ärger über Vismarck lieber das
Reichsinteresse gegenüber den: Auslande schädigen wollte. Diesem hohen Stand¬
punkte des fortschrittlichen Herrn folgte auch der damalige Reichstag. Die
Folge dieser Politik war, daß auf Samoa selbst sofort das Ansehe» des deutschen
Reiches sank, das des Auslandes stieg. Es war nur sachgemäß, daß der Ab¬
geordnete von Helldorff bei der jüngste» Debatte über die Dampfervorlage am
19. Januar wieder darauf hinwies, daß, wenn damals die Unterstützung be¬
willigt worden wäre, unsre Verhältnisse auch in der Südsee besser stünden.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0212" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/206857"/>
          <fw type="header" place="top"> Zur Charakteristik der Delltschfreisinnigeü</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_577" prev="#ID_576"> Thatsache fest, daß Sir Morier zu denen gehörte, die mit Deutschland außer¬<lb/>
ordentlich zufrieden waren, so lange sie in ihm das Volk der Dichter und<lb/>
Denker sahen, deutschfreundlich waren, so lange Deutschland ohnmächtig war,<lb/>
dagegen von dem Augenblick an Kehrt gegen Deutschland machten, als dieses<lb/>
den Anspruch erhob, etwas in der Welt zu gelten. Aber gerade solche Persön¬<lb/>
lichkeiten sind die guten Freunde der Deutschfreisinnigen. Diese jubelten den<lb/>
englischen Zeitungen entgegen, die für die Ehrenhaftigkeit ihres Morier ein¬<lb/>
traten, weil ein englischer Gentleman nicht lügen könne. Als ob eS keinen<lb/>
Mackenzie gegeben hatte! Die Kölner Zeitung hatte zwar ganz Recht, wenn<lb/>
sie sagte: &#x201E;Mit der Redensart, ein englischer Gentleman thue das oder jenes<lb/>
nicht, kommt man nicht weit; denn ein deutscher Gentleman erhebt keine Be¬<lb/>
schuldigung, wenn er nicht von seinem Rechte, sie erheben zu dürfen, fest über¬<lb/>
zeugt ist." Aber die deutschfreisinnigen Blätter machten natürlich auch hier<lb/>
gemeinsame Sache mit dem Ausländer, ans dessen Worte sie von vornherein<lb/>
schwuren. Die wohlbegründeten Anklagen der Kölner Zeitung waren ihnen<lb/>
von vornherein eine &#x201E;feige Verleumdung."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_578" next="#ID_579"> Wir haben oben eine Äußerung Hvbrechts aus der neulich aufgeführte»<lb/>
Kolvnialdebatte, die er gegen Bamberger that, erwähnt. Hobrecht sagte: &#x201E;Die<lb/>
Annahme sBambergers&gt;, daß es sich bei der Koloiiialpvlitik mir mir Stroh¬<lb/>
feuer, uur um eine Schützenfeststimmung handelt, hat schon viel deutsches Blut<lb/>
und viele Opfer gekostet." Was Hobrecht hier im allgemeinen sagt, das wollen<lb/>
wir an einem bestimmten Falle noch besonders nachweisen. Der Fall ist ein<lb/>
Zeugnis von der Schädigung, die die freisinnige Partei mit dem größten<lb/>
Leichtsinn deu vaterländischen Interessen immer zu bringen bereit gewesen ist.<lb/>
Die schwersten Opfer, die Nur bisher überhaupt durch überseeische Expeditionen<lb/>
erlitten haben, wurden in dem Zusammentreffen unsrer Marine mit den Gegnern<lb/>
Deutschlands auf Samoa gebracht: 1ö Tote und W Verwundete. All dem<lb/>
blutigen Ereignis trugen hauptsächlich der amerikanische Konsul Klein lind der<lb/>
Kommandant des amerikanische» Kreuzers &#x201E;Adler," Mr. Leary, die Schuld.<lb/>
Daß aber die samvanische Frage sich so verwickelt hatte und überhaupt in ein<lb/>
so &#x201E;akntes Stadium" hatte eintreten können, verdanken wir dem Patriotismus<lb/>
des Herrn Bamberger, der, als es IttW galt, Samoa dem deutschen Handels¬<lb/>
interesse vollständig zu unterwerfen und eine Reichsbürgschaft für die dortigen<lb/>
deutschen Niederlassungen zu übernehmen, aus Ärger über Vismarck lieber das<lb/>
Reichsinteresse gegenüber den: Auslande schädigen wollte. Diesem hohen Stand¬<lb/>
punkte des fortschrittlichen Herrn folgte auch der damalige Reichstag. Die<lb/>
Folge dieser Politik war, daß auf Samoa selbst sofort das Ansehe» des deutschen<lb/>
Reiches sank, das des Auslandes stieg. Es war nur sachgemäß, daß der Ab¬<lb/>
geordnete von Helldorff bei der jüngste» Debatte über die Dampfervorlage am<lb/>
19. Januar wieder darauf hinwies, daß, wenn damals die Unterstützung be¬<lb/>
willigt worden wäre, unsre Verhältnisse auch in der Südsee besser stünden.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0212] Zur Charakteristik der Delltschfreisinnigeü Thatsache fest, daß Sir Morier zu denen gehörte, die mit Deutschland außer¬ ordentlich zufrieden waren, so lange sie in ihm das Volk der Dichter und Denker sahen, deutschfreundlich waren, so lange Deutschland ohnmächtig war, dagegen von dem Augenblick an Kehrt gegen Deutschland machten, als dieses den Anspruch erhob, etwas in der Welt zu gelten. Aber gerade solche Persön¬ lichkeiten sind die guten Freunde der Deutschfreisinnigen. Diese jubelten den englischen Zeitungen entgegen, die für die Ehrenhaftigkeit ihres Morier ein¬ traten, weil ein englischer Gentleman nicht lügen könne. Als ob eS keinen Mackenzie gegeben hatte! Die Kölner Zeitung hatte zwar ganz Recht, wenn sie sagte: „Mit der Redensart, ein englischer Gentleman thue das oder jenes nicht, kommt man nicht weit; denn ein deutscher Gentleman erhebt keine Be¬ schuldigung, wenn er nicht von seinem Rechte, sie erheben zu dürfen, fest über¬ zeugt ist." Aber die deutschfreisinnigen Blätter machten natürlich auch hier gemeinsame Sache mit dem Ausländer, ans dessen Worte sie von vornherein schwuren. Die wohlbegründeten Anklagen der Kölner Zeitung waren ihnen von vornherein eine „feige Verleumdung." Wir haben oben eine Äußerung Hvbrechts aus der neulich aufgeführte» Kolvnialdebatte, die er gegen Bamberger that, erwähnt. Hobrecht sagte: „Die Annahme sBambergers>, daß es sich bei der Koloiiialpvlitik mir mir Stroh¬ feuer, uur um eine Schützenfeststimmung handelt, hat schon viel deutsches Blut und viele Opfer gekostet." Was Hobrecht hier im allgemeinen sagt, das wollen wir an einem bestimmten Falle noch besonders nachweisen. Der Fall ist ein Zeugnis von der Schädigung, die die freisinnige Partei mit dem größten Leichtsinn deu vaterländischen Interessen immer zu bringen bereit gewesen ist. Die schwersten Opfer, die Nur bisher überhaupt durch überseeische Expeditionen erlitten haben, wurden in dem Zusammentreffen unsrer Marine mit den Gegnern Deutschlands auf Samoa gebracht: 1ö Tote und W Verwundete. All dem blutigen Ereignis trugen hauptsächlich der amerikanische Konsul Klein lind der Kommandant des amerikanische» Kreuzers „Adler," Mr. Leary, die Schuld. Daß aber die samvanische Frage sich so verwickelt hatte und überhaupt in ein so „akntes Stadium" hatte eintreten können, verdanken wir dem Patriotismus des Herrn Bamberger, der, als es IttW galt, Samoa dem deutschen Handels¬ interesse vollständig zu unterwerfen und eine Reichsbürgschaft für die dortigen deutschen Niederlassungen zu übernehmen, aus Ärger über Vismarck lieber das Reichsinteresse gegenüber den: Auslande schädigen wollte. Diesem hohen Stand¬ punkte des fortschrittlichen Herrn folgte auch der damalige Reichstag. Die Folge dieser Politik war, daß auf Samoa selbst sofort das Ansehe» des deutschen Reiches sank, das des Auslandes stieg. Es war nur sachgemäß, daß der Ab¬ geordnete von Helldorff bei der jüngste» Debatte über die Dampfervorlage am 19. Januar wieder darauf hinwies, daß, wenn damals die Unterstützung be¬ willigt worden wäre, unsre Verhältnisse auch in der Südsee besser stünden.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/212
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/212>, abgerufen am 23.07.2024.