"aß Spanien einst, unter Karl dein Fünften, als erste Munde der christlichen Welt aller Augen auf sich lenkte und auch noch im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert durch feine Bedeutung die Aufmerksamkeit deutscher Politiker verdiente, ist so bekannt, wie daß es in späterer Zeit aus mancherlei Ursachen, durch un¬ taugliche Regenten, Bürgerkriege, selbstsüchtige Volksvertretungen. Parteistreitig¬ keiten, namentlich aber durch den Einfluß der Armee auf seine innern politischen Geschicke von jener Bedeutung sehr viel verloren hat lind zu einem Staate zweiten Ranges geworden ist, sodaß es für uns beinahe der Entschuldigung bedarf, wenn wir einmal von ihm berichten. Gleichwohl hat es noch in den letzten Jahrzehnten eine Rolle gespielt, die auch uns berührte, es kaun sich das leicht wiederholen, und so ist es gerate". gelegentlich von den dortigen Ereignissen und Zuständen Notiz zu nehmen. Eine solche Gelegenheit bot steh 1868. wo die spanische Septemberrevolntion der Ausführung der Kriegspläne Frankreichs, auf die Deutschland seit dem Tage von Königgrätz gefaßt sein 'Mißte, eine Vertagung auferlegte. Jedermann erinnert sich auch, daß Spaniens Wahl eines Hohenzollern zum Könige 1870 den Vorwand abgab, als der Kaiser Napoleon uns wirklich den Krieg erklärte. Eine dritte Ausforderung, unsre Blicke auf das Land jenseits der Pyrenäen zu richten, ergeht in gegen¬ wärtiger Zeit an uns infolge der Madrider Minifterkrisis, neben der die ge¬ fährliche Erkrankung des jungen Königs und dessen bedenklicher Gesundheits- zustand überhaupt schwere Befürchtungen für den Frieden des Landes erwecken und mittelbar auch den Frieden Europas bedrohen können.
In der That, die ernste Krankheit König Alfonsos XIII. konnte sich kaum M ungelegnerer Stunde einstellen, kaum als größere Gefahr für die nur leidlich
Grenzboten I 1890 2"
Verlegenheiten in Spanien
»aß Spanien einst, unter Karl dein Fünften, als erste Munde der christlichen Welt aller Augen auf sich lenkte und auch noch im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert durch feine Bedeutung die Aufmerksamkeit deutscher Politiker verdiente, ist so bekannt, wie daß es in späterer Zeit aus mancherlei Ursachen, durch un¬ taugliche Regenten, Bürgerkriege, selbstsüchtige Volksvertretungen. Parteistreitig¬ keiten, namentlich aber durch den Einfluß der Armee auf seine innern politischen Geschicke von jener Bedeutung sehr viel verloren hat lind zu einem Staate zweiten Ranges geworden ist, sodaß es für uns beinahe der Entschuldigung bedarf, wenn wir einmal von ihm berichten. Gleichwohl hat es noch in den letzten Jahrzehnten eine Rolle gespielt, die auch uns berührte, es kaun sich das leicht wiederholen, und so ist es gerate». gelegentlich von den dortigen Ereignissen und Zuständen Notiz zu nehmen. Eine solche Gelegenheit bot steh 1868. wo die spanische Septemberrevolntion der Ausführung der Kriegspläne Frankreichs, auf die Deutschland seit dem Tage von Königgrätz gefaßt sein 'Mißte, eine Vertagung auferlegte. Jedermann erinnert sich auch, daß Spaniens Wahl eines Hohenzollern zum Könige 1870 den Vorwand abgab, als der Kaiser Napoleon uns wirklich den Krieg erklärte. Eine dritte Ausforderung, unsre Blicke auf das Land jenseits der Pyrenäen zu richten, ergeht in gegen¬ wärtiger Zeit an uns infolge der Madrider Minifterkrisis, neben der die ge¬ fährliche Erkrankung des jungen Königs und dessen bedenklicher Gesundheits- zustand überhaupt schwere Befürchtungen für den Frieden des Landes erwecken und mittelbar auch den Frieden Europas bedrohen können.
In der That, die ernste Krankheit König Alfonsos XIII. konnte sich kaum M ungelegnerer Stunde einstellen, kaum als größere Gefahr für die nur leidlich
Grenzboten I 1890 2"
<TEI><text><body><div><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0161"corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/206806"/><figurefacs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341851_206644/figures/grenzboten_341851_206644_206806_000.jpg"/><lb/></div></div><divn="1"><head> Verlegenheiten in Spanien</head><lb/><pxml:id="ID_411"> »aß Spanien einst, unter Karl dein Fünften, als erste Munde der<lb/>
christlichen Welt aller Augen auf sich lenkte und auch noch im<lb/>
siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert durch feine Bedeutung<lb/>
die Aufmerksamkeit deutscher Politiker verdiente, ist so bekannt,<lb/>
wie daß es in späterer Zeit aus mancherlei Ursachen, durch un¬<lb/>
taugliche Regenten, Bürgerkriege, selbstsüchtige Volksvertretungen. Parteistreitig¬<lb/>
keiten, namentlich aber durch den Einfluß der Armee auf seine innern politischen<lb/>
Geschicke von jener Bedeutung sehr viel verloren hat lind zu einem Staate<lb/>
zweiten Ranges geworden ist, sodaß es für uns beinahe der Entschuldigung<lb/>
bedarf, wenn wir einmal von ihm berichten. Gleichwohl hat es noch in den<lb/>
letzten Jahrzehnten eine Rolle gespielt, die auch uns berührte, es kaun sich<lb/>
das leicht wiederholen, und so ist es gerate». gelegentlich von den dortigen<lb/>
Ereignissen und Zuständen Notiz zu nehmen. Eine solche Gelegenheit bot steh<lb/>
1868. wo die spanische Septemberrevolntion der Ausführung der Kriegspläne<lb/>
Frankreichs, auf die Deutschland seit dem Tage von Königgrätz gefaßt sein<lb/>
'Mißte, eine Vertagung auferlegte. Jedermann erinnert sich auch, daß Spaniens<lb/>
Wahl eines Hohenzollern zum Könige 1870 den Vorwand abgab, als der<lb/>
Kaiser Napoleon uns wirklich den Krieg erklärte. Eine dritte Ausforderung,<lb/>
unsre Blicke auf das Land jenseits der Pyrenäen zu richten, ergeht in gegen¬<lb/>
wärtiger Zeit an uns infolge der Madrider Minifterkrisis, neben der die ge¬<lb/>
fährliche Erkrankung des jungen Königs und dessen bedenklicher Gesundheits-<lb/>
zustand überhaupt schwere Befürchtungen für den Frieden des Landes erwecken<lb/>
und mittelbar auch den Frieden Europas bedrohen können.</p><lb/><pxml:id="ID_412"next="#ID_413"> In der That, die ernste Krankheit König Alfonsos XIII. konnte sich kaum<lb/>
M ungelegnerer Stunde einstellen, kaum als größere Gefahr für die nur leidlich</p><lb/><fwtype="sig"place="bottom"> Grenzboten I 1890 2"</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[0161]
[Abbildung]
Verlegenheiten in Spanien
»aß Spanien einst, unter Karl dein Fünften, als erste Munde der
christlichen Welt aller Augen auf sich lenkte und auch noch im
siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert durch feine Bedeutung
die Aufmerksamkeit deutscher Politiker verdiente, ist so bekannt,
wie daß es in späterer Zeit aus mancherlei Ursachen, durch un¬
taugliche Regenten, Bürgerkriege, selbstsüchtige Volksvertretungen. Parteistreitig¬
keiten, namentlich aber durch den Einfluß der Armee auf seine innern politischen
Geschicke von jener Bedeutung sehr viel verloren hat lind zu einem Staate
zweiten Ranges geworden ist, sodaß es für uns beinahe der Entschuldigung
bedarf, wenn wir einmal von ihm berichten. Gleichwohl hat es noch in den
letzten Jahrzehnten eine Rolle gespielt, die auch uns berührte, es kaun sich
das leicht wiederholen, und so ist es gerate». gelegentlich von den dortigen
Ereignissen und Zuständen Notiz zu nehmen. Eine solche Gelegenheit bot steh
1868. wo die spanische Septemberrevolntion der Ausführung der Kriegspläne
Frankreichs, auf die Deutschland seit dem Tage von Königgrätz gefaßt sein
'Mißte, eine Vertagung auferlegte. Jedermann erinnert sich auch, daß Spaniens
Wahl eines Hohenzollern zum Könige 1870 den Vorwand abgab, als der
Kaiser Napoleon uns wirklich den Krieg erklärte. Eine dritte Ausforderung,
unsre Blicke auf das Land jenseits der Pyrenäen zu richten, ergeht in gegen¬
wärtiger Zeit an uns infolge der Madrider Minifterkrisis, neben der die ge¬
fährliche Erkrankung des jungen Königs und dessen bedenklicher Gesundheits-
zustand überhaupt schwere Befürchtungen für den Frieden des Landes erwecken
und mittelbar auch den Frieden Europas bedrohen können.
In der That, die ernste Krankheit König Alfonsos XIII. konnte sich kaum
M ungelegnerer Stunde einstellen, kaum als größere Gefahr für die nur leidlich
Grenzboten I 1890 2"
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:
Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.
Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;
Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/161>, abgerufen am 22.01.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.