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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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trennbarkeit des Dreibundes auch dessen Unbesiegbarkeit gestiegen, und es ist nicht
mehr so sehr wie vorher zu befürchten, Deutschland werde bei einem Kampfe der
Bundesgenossen mit den Feinden im Osten und Westen doch wohl das Beste
thun und von allen dreien die schwerste Last tragen müssen. Wenn man einmal
beim Zurückblicken in die weitere Vergangenheit sich des Verhaltens der Berliner
Politik gegen das werdende Italien erinnert, so kaun nichts den Unterschied
zwischen damals und heute besser bezeichnen, als die Worte, die Kaiser Wilhelm
an den König Umberto bei dessen Anwesenheit in Berlin richtete. Es war nur ein
Trinkspruch, aber ein hochbedeutsames Wort, wenn er sagte: "Ich trinke auf die
unwandelbare Freundschaft mit dem Hause Savohen, dessen Devise: Lvinpre
u,v"uti, 8g,von! zur Einigung des Königreichs Italien geführt hat." Immer
vorwärts, Savohen daS durfte man jetzt laut auch nach Österreich hinaus-
rufen, dessen Besitz und Einfluß in Italien unter dieser Devise so viel verloren
hatten, und das noch vor wenigen Jahren unter ihr von der Jrredenta
mit weitern Verlusten, ohne daß von der königlichen Regierung eingeschritten
worden wäre, offen bedroht wurde. Der Torsk war geradezu ein Ereignis.
Wie viel mußte in Wien vergeben und vergessen sein bis zu ihm, wie fest
mußte der dritte Bundesgenosse, auf alles fernere Begehren verzichtend, in¬
zwischen in den Verband der beiden andern Glieder eingewachsen sein! Be¬
trachten wir endlich die Stellung, die Deutschland im letzten Jahre zu den
hauptsächlichsten Mächten außerhalb des Dreibundes einnahm, so war ihr ein
starker Wechsel vorangegangen. Hatte der Kompaß des Staatsschiffes sich in
den 99 Tagen mit seiner Nadel sehr merklich nach England drehen wollen, so begann
er sofort nach dem Regierungsantritte des Kaisers Wilhelm nach Petersburg hin¬
zuweisen. Der junge Monarch trat seine Fahrten nach den verschiednen Nachbar¬
höfen an, und die erste ging zum Zaren, um ihm und der Welt darzuthun,
daß ihn: und seinem obersten Rate nichts ferner liege als eine grundsätzlich
russenfeindliche Politik und nichts näher als der Wunsch, ihn vom Gegenteile
zu überzeuge": und zu der alten Freundschaft unter Wilhelm dem Ersten und
Alexander dem Zweiten zurückzuführen. Das schien gelungen zu sein, aber
nicht für die Dauer; wenigstens ließ der Gegenbesuch des Zaren bis tief in
das nächste Jahr auf sich warten. Man konnte freilich auch warten. Dennoch
war die endliche Ankunft Kaiser Alexanders willkommen, zumal da sie zu einer
Unterredung desselben mit Vismarck führte, die den Gast über gefährliche Mi߬
verständnisse aufklärte und dann in einer bessern Stimmung und Auffassung heim¬
kehren ließ, als in der er gekommen war. DieKvnigin von England war das Ziel des
letzten kaiserlichen Besuches im verflossenen Jahre. Aber auch nach dieser
Richtung können wir auf das alte Jahr mit Befriedigung zurücksehen. Wir
sind in Ostafrika mit den Engländern vereinigt, um den Sklavenhandel nach der
See zu unterdrücken, und wir haben vielleicht Hoffnung, sie einmal anderwärts
mittelbar uus zur Seite zu sehen, wenn auch immer unter der Voraussetzung,


trennbarkeit des Dreibundes auch dessen Unbesiegbarkeit gestiegen, und es ist nicht
mehr so sehr wie vorher zu befürchten, Deutschland werde bei einem Kampfe der
Bundesgenossen mit den Feinden im Osten und Westen doch wohl das Beste
thun und von allen dreien die schwerste Last tragen müssen. Wenn man einmal
beim Zurückblicken in die weitere Vergangenheit sich des Verhaltens der Berliner
Politik gegen das werdende Italien erinnert, so kaun nichts den Unterschied
zwischen damals und heute besser bezeichnen, als die Worte, die Kaiser Wilhelm
an den König Umberto bei dessen Anwesenheit in Berlin richtete. Es war nur ein
Trinkspruch, aber ein hochbedeutsames Wort, wenn er sagte: „Ich trinke auf die
unwandelbare Freundschaft mit dem Hause Savohen, dessen Devise: Lvinpre
u,v»uti, 8g,von! zur Einigung des Königreichs Italien geführt hat." Immer
vorwärts, Savohen daS durfte man jetzt laut auch nach Österreich hinaus-
rufen, dessen Besitz und Einfluß in Italien unter dieser Devise so viel verloren
hatten, und das noch vor wenigen Jahren unter ihr von der Jrredenta
mit weitern Verlusten, ohne daß von der königlichen Regierung eingeschritten
worden wäre, offen bedroht wurde. Der Torsk war geradezu ein Ereignis.
Wie viel mußte in Wien vergeben und vergessen sein bis zu ihm, wie fest
mußte der dritte Bundesgenosse, auf alles fernere Begehren verzichtend, in¬
zwischen in den Verband der beiden andern Glieder eingewachsen sein! Be¬
trachten wir endlich die Stellung, die Deutschland im letzten Jahre zu den
hauptsächlichsten Mächten außerhalb des Dreibundes einnahm, so war ihr ein
starker Wechsel vorangegangen. Hatte der Kompaß des Staatsschiffes sich in
den 99 Tagen mit seiner Nadel sehr merklich nach England drehen wollen, so begann
er sofort nach dem Regierungsantritte des Kaisers Wilhelm nach Petersburg hin¬
zuweisen. Der junge Monarch trat seine Fahrten nach den verschiednen Nachbar¬
höfen an, und die erste ging zum Zaren, um ihm und der Welt darzuthun,
daß ihn: und seinem obersten Rate nichts ferner liege als eine grundsätzlich
russenfeindliche Politik und nichts näher als der Wunsch, ihn vom Gegenteile
zu überzeuge«: und zu der alten Freundschaft unter Wilhelm dem Ersten und
Alexander dem Zweiten zurückzuführen. Das schien gelungen zu sein, aber
nicht für die Dauer; wenigstens ließ der Gegenbesuch des Zaren bis tief in
das nächste Jahr auf sich warten. Man konnte freilich auch warten. Dennoch
war die endliche Ankunft Kaiser Alexanders willkommen, zumal da sie zu einer
Unterredung desselben mit Vismarck führte, die den Gast über gefährliche Mi߬
verständnisse aufklärte und dann in einer bessern Stimmung und Auffassung heim¬
kehren ließ, als in der er gekommen war. DieKvnigin von England war das Ziel des
letzten kaiserlichen Besuches im verflossenen Jahre. Aber auch nach dieser
Richtung können wir auf das alte Jahr mit Befriedigung zurücksehen. Wir
sind in Ostafrika mit den Engländern vereinigt, um den Sklavenhandel nach der
See zu unterdrücken, und wir haben vielleicht Hoffnung, sie einmal anderwärts
mittelbar uus zur Seite zu sehen, wenn auch immer unter der Voraussetzung,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/14>, abgerufen am 23.07.2024.