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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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Beobachtungen und Urteile eines sächsischen Diplomaten

Werk zu alt gewordnen Clown. Die Geschichte wird Lord Palmerston trotz
seines unleugbaren Talents nicht zu den Staatsmännern erster Klasse rechnen
und ehr weder mit Lord Chatham noch mit William Pitt auf dieselbe Linie
stellen. Er war ein geschickter Gaukler, aber ein Politiker zweiten Ranges.
Es fehlte ihm nicht an Mut, wohl aber an Ruhe und Besonnenheit. Eine
so ausgesprochne Selbstsucht wie die seine ist nur zu oft zu kleinen Mitteln
verurteilt und beeinträchtigt den Nachruhm. Napoleon I. fragte einmal, was
"mu von ihm sagen wurde, wenn er tot sei. Die Umstehenden ergossen sich
natürlich in Schmeicheleien. Der Kaiser lies; sie ausreden und sagte dann:
Vou" n> öto" ML; on dir-,.: Ont! Das ist die Nachrede, die auch dem alten
Palmerston von Freund und Feind geworden ist." Die, denen dieses Urteil
zu hart vorkommt, und die, denen es zweifelhaft erscheint, weil es von einem
Anhänger Österreichs gefällt wird, mögen die Denkwürdigkeiten Grevilles damit
vergleichen, der Palmerston von Jugend an kannte und ein Freund seiner Ge¬
mahlin war.

Anschaulich erzählt und großenteils sehr anziehend sind die Begegnungen,
die Vitzthum mit Antouelli und Papst Pio Nouv hatte, doch müssen wir davon
absehen, darauf näher einzugehen. Hervorgehoben sei nur, das; der Papst den
Lord Palmerston als einen new'tort,, <lui "u (M^uit. ni Ä Die" rü n, (kahle
bezeichnete.

Wir komme" zum Frühling 186et und zu der Zeit kurz vor dem Beginne
des deutschen Krieges. Am 15. Mai berichtete Graf Vitzthum ans London
"ach Dresden, England sei tief bekümmert den Phase" der Entwicklung gefolgt,
d>e Deutschland a" deu Abgrund eines Bürgerkrieges geführt Hütten, weil
mau überzeugt sei, er könne einen für England gefährlichem Weltbrmid^ ent¬
zünden. "Ganz abgesehen von den Handelsinteressen könnte dessen Macht¬
stellung eine gleichgiltige Zuschauerrolle verbiete", so gehört z. B. Antwerpen
die britische Machtsphäre. Kein englischer Minister würde die Pflicht der
Selbstcrhaltttng versäumen dürfen. Es ist sonach nicht zu verwundern, wenn
die öffentliche Meinung in dem Grafen Vismarck den eigentlichen Friedens¬
störer erblickt und als solche" verdammt, da der Friedensstörer leicht sich als
das Werkzeug dunkler, in letzter Instanz gegen Englands Machtstellung ge¬
richteter Pläne entpuppen könnte. Man läßt ihn gewähren in der Hoffnung.
er werde in sein eignes Verderben reimen. Mau ist hier überzeugt, er werde
i" der elften Stunde de" Einflüssen "'eichen müssen, welche allseits gegen ihn
wirken, da sein ehrgeiziger Plan die Existenz des preußischen Staates aufs
Spiel setzt. Alle Bemühungen sind in diesem Augenblicke darauf gerichtet, dem
Könige von Preußen klar zu machen, daß er den preußische" Stand n"r retten
kann, wen" er seinen ehrgeizigen Minister fallen laßt und dessen abenteuerliche
Politik cittfgiebt." Der Verfasser bemerkt hierzu: "Man war unter dem Ein¬
drucke, Graf Bismarck übe auf seinen Monarchen einen persönlichen Zauber


Beobachtungen und Urteile eines sächsischen Diplomaten

Werk zu alt gewordnen Clown. Die Geschichte wird Lord Palmerston trotz
seines unleugbaren Talents nicht zu den Staatsmännern erster Klasse rechnen
und ehr weder mit Lord Chatham noch mit William Pitt auf dieselbe Linie
stellen. Er war ein geschickter Gaukler, aber ein Politiker zweiten Ranges.
Es fehlte ihm nicht an Mut, wohl aber an Ruhe und Besonnenheit. Eine
so ausgesprochne Selbstsucht wie die seine ist nur zu oft zu kleinen Mitteln
verurteilt und beeinträchtigt den Nachruhm. Napoleon I. fragte einmal, was
»mu von ihm sagen wurde, wenn er tot sei. Die Umstehenden ergossen sich
natürlich in Schmeicheleien. Der Kaiser lies; sie ausreden und sagte dann:
Vou« n> öto« ML; on dir-,.: Ont! Das ist die Nachrede, die auch dem alten
Palmerston von Freund und Feind geworden ist." Die, denen dieses Urteil
zu hart vorkommt, und die, denen es zweifelhaft erscheint, weil es von einem
Anhänger Österreichs gefällt wird, mögen die Denkwürdigkeiten Grevilles damit
vergleichen, der Palmerston von Jugend an kannte und ein Freund seiner Ge¬
mahlin war.

Anschaulich erzählt und großenteils sehr anziehend sind die Begegnungen,
die Vitzthum mit Antouelli und Papst Pio Nouv hatte, doch müssen wir davon
absehen, darauf näher einzugehen. Hervorgehoben sei nur, das; der Papst den
Lord Palmerston als einen new'tort,, <lui »u (M^uit. ni Ä Die» rü n, (kahle
bezeichnete.

Wir komme» zum Frühling 186et und zu der Zeit kurz vor dem Beginne
des deutschen Krieges. Am 15. Mai berichtete Graf Vitzthum ans London
"ach Dresden, England sei tief bekümmert den Phase» der Entwicklung gefolgt,
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mau überzeugt sei, er könne einen für England gefährlichem Weltbrmid^ ent¬
zünden. „Ganz abgesehen von den Handelsinteressen könnte dessen Macht¬
stellung eine gleichgiltige Zuschauerrolle verbiete», so gehört z. B. Antwerpen
die britische Machtsphäre. Kein englischer Minister würde die Pflicht der
Selbstcrhaltttng versäumen dürfen. Es ist sonach nicht zu verwundern, wenn
die öffentliche Meinung in dem Grafen Vismarck den eigentlichen Friedens¬
störer erblickt und als solche» verdammt, da der Friedensstörer leicht sich als
das Werkzeug dunkler, in letzter Instanz gegen Englands Machtstellung ge¬
richteter Pläne entpuppen könnte. Man läßt ihn gewähren in der Hoffnung.
er werde in sein eignes Verderben reimen. Mau ist hier überzeugt, er werde
i" der elften Stunde de» Einflüssen »'eichen müssen, welche allseits gegen ihn
wirken, da sein ehrgeiziger Plan die Existenz des preußischen Staates aufs
Spiel setzt. Alle Bemühungen sind in diesem Augenblicke darauf gerichtet, dem
Könige von Preußen klar zu machen, daß er den preußische» Stand n»r retten
kann, wen» er seinen ehrgeizigen Minister fallen laßt und dessen abenteuerliche
Politik cittfgiebt." Der Verfasser bemerkt hierzu: „Man war unter dem Ein¬
drucke, Graf Bismarck übe auf seinen Monarchen einen persönlichen Zauber


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[0131] Beobachtungen und Urteile eines sächsischen Diplomaten Werk zu alt gewordnen Clown. Die Geschichte wird Lord Palmerston trotz seines unleugbaren Talents nicht zu den Staatsmännern erster Klasse rechnen und ehr weder mit Lord Chatham noch mit William Pitt auf dieselbe Linie stellen. Er war ein geschickter Gaukler, aber ein Politiker zweiten Ranges. Es fehlte ihm nicht an Mut, wohl aber an Ruhe und Besonnenheit. Eine so ausgesprochne Selbstsucht wie die seine ist nur zu oft zu kleinen Mitteln verurteilt und beeinträchtigt den Nachruhm. Napoleon I. fragte einmal, was »mu von ihm sagen wurde, wenn er tot sei. Die Umstehenden ergossen sich natürlich in Schmeicheleien. Der Kaiser lies; sie ausreden und sagte dann: Vou« n> öto« ML; on dir-,.: Ont! Das ist die Nachrede, die auch dem alten Palmerston von Freund und Feind geworden ist." Die, denen dieses Urteil zu hart vorkommt, und die, denen es zweifelhaft erscheint, weil es von einem Anhänger Österreichs gefällt wird, mögen die Denkwürdigkeiten Grevilles damit vergleichen, der Palmerston von Jugend an kannte und ein Freund seiner Ge¬ mahlin war. Anschaulich erzählt und großenteils sehr anziehend sind die Begegnungen, die Vitzthum mit Antouelli und Papst Pio Nouv hatte, doch müssen wir davon absehen, darauf näher einzugehen. Hervorgehoben sei nur, das; der Papst den Lord Palmerston als einen new'tort,, <lui »u (M^uit. ni Ä Die» rü n, (kahle bezeichnete. Wir komme» zum Frühling 186et und zu der Zeit kurz vor dem Beginne des deutschen Krieges. Am 15. Mai berichtete Graf Vitzthum ans London "ach Dresden, England sei tief bekümmert den Phase» der Entwicklung gefolgt, d>e Deutschland a» deu Abgrund eines Bürgerkrieges geführt Hütten, weil mau überzeugt sei, er könne einen für England gefährlichem Weltbrmid^ ent¬ zünden. „Ganz abgesehen von den Handelsinteressen könnte dessen Macht¬ stellung eine gleichgiltige Zuschauerrolle verbiete», so gehört z. B. Antwerpen die britische Machtsphäre. Kein englischer Minister würde die Pflicht der Selbstcrhaltttng versäumen dürfen. Es ist sonach nicht zu verwundern, wenn die öffentliche Meinung in dem Grafen Vismarck den eigentlichen Friedens¬ störer erblickt und als solche» verdammt, da der Friedensstörer leicht sich als das Werkzeug dunkler, in letzter Instanz gegen Englands Machtstellung ge¬ richteter Pläne entpuppen könnte. Man läßt ihn gewähren in der Hoffnung. er werde in sein eignes Verderben reimen. Mau ist hier überzeugt, er werde i" der elften Stunde de» Einflüssen »'eichen müssen, welche allseits gegen ihn wirken, da sein ehrgeiziger Plan die Existenz des preußischen Staates aufs Spiel setzt. Alle Bemühungen sind in diesem Augenblicke darauf gerichtet, dem Könige von Preußen klar zu machen, daß er den preußische» Stand n»r retten kann, wen» er seinen ehrgeizigen Minister fallen laßt und dessen abenteuerliche Politik cittfgiebt." Der Verfasser bemerkt hierzu: „Man war unter dem Ein¬ drucke, Graf Bismarck übe auf seinen Monarchen einen persönlichen Zauber

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/131>, abgerufen am 23.07.2024.