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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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Die Wohnungsnot der Beamten

Deutschland und Portugal durch die Blockade der .Küste die Adern, und die
Sklavenschiffe, die sie brechen, haben nach dem Verbote des Sklavenhandels
in türkischen Gewässern und Landgebieten weniger als früher Aussicht, mit
ihrer Ware Geschäfte zu machen. Es gilt jetzt für Frankreich, sich dem Kreuz-
zuge gegen den ruchlosen Handel anzuschließen und, Vorurteile dahinten lassend,
nachzuholen, was mir zu lange versäumt worden ist. Das verlangt die öffent-
liche Meinung in Europa, das erfordern auch die Interessen des Gebietes, das
Frankreich neuerdings im Kongobecken erworben hat. Es darf sich nicht durch
die Pforte beschämen lassen bei der Bewegung gegen einen Fluch, der Afrika
mehr als alles andre zum "dunkeln Erdteil" macht.




Die Wohnungsnot der Beamten

MM
,l^MMMcum ein abschließendes, das Ganze überblickendes Urteil sich doch
immer wieder auf Einzeluntersuchungen gründen muß, wenn wirklich
nach Goethes Wort "das Allgemeine der einzelne Fall" ist, so
dürfte es sich rechtfertige" lassen, über einen Mißstand .Klage zu
erheben, der von mir allerdings nur in der nähern Umgebung
meiner Heimat beobachtet worden ist, der sich aber offenbar über ganz Nord-
dentschlnnd drohend verbreitet. Mag dann ein Weiterblickender, dem die Quellen
allseitiger Erkundigung zu Gebote stehen, eine ausgleichende Auffassung berichtigend
geltend machen.

Ich will von der vielbesprochenen Wohnungsnot der Beamten, insbesondre
der richterlichen Beamten handeln, die allmählch, soweit mein Blick reicht, zu einer
schiverdrückenden Bekümmernis für diese geworden zu sein scheint. Freilich
möchte jede derartige Klage rasch verstummen, wenn mau die Verhältnisse
mit der durch die bekannten neuern Untersuchungen in ein schauerlich grelles
Licht gestellten Wvhnungsbedrängnis der niedern Volksklassen an vielen Orte"
Deutschlands vergleicht. Aber ans der andern Seite braucht man doch auch
nicht den kleinern Mißstand über dein größern ans den Augen zu verliere"
und dessen vielleicht "tägliche wirtschaftliche Heilung unversucht zu lassen.

Bekanntlich ist in Deutschland seit einem Menschenalter im Gegensatz
zu der Verbillignug der gewerbliche" Erzeugnisse für alle Konsumenten durch-


Die Wohnungsnot der Beamten

Deutschland und Portugal durch die Blockade der .Küste die Adern, und die
Sklavenschiffe, die sie brechen, haben nach dem Verbote des Sklavenhandels
in türkischen Gewässern und Landgebieten weniger als früher Aussicht, mit
ihrer Ware Geschäfte zu machen. Es gilt jetzt für Frankreich, sich dem Kreuz-
zuge gegen den ruchlosen Handel anzuschließen und, Vorurteile dahinten lassend,
nachzuholen, was mir zu lange versäumt worden ist. Das verlangt die öffent-
liche Meinung in Europa, das erfordern auch die Interessen des Gebietes, das
Frankreich neuerdings im Kongobecken erworben hat. Es darf sich nicht durch
die Pforte beschämen lassen bei der Bewegung gegen einen Fluch, der Afrika
mehr als alles andre zum „dunkeln Erdteil" macht.




Die Wohnungsnot der Beamten

MM
,l^MMMcum ein abschließendes, das Ganze überblickendes Urteil sich doch
immer wieder auf Einzeluntersuchungen gründen muß, wenn wirklich
nach Goethes Wort „das Allgemeine der einzelne Fall" ist, so
dürfte es sich rechtfertige» lassen, über einen Mißstand .Klage zu
erheben, der von mir allerdings nur in der nähern Umgebung
meiner Heimat beobachtet worden ist, der sich aber offenbar über ganz Nord-
dentschlnnd drohend verbreitet. Mag dann ein Weiterblickender, dem die Quellen
allseitiger Erkundigung zu Gebote stehen, eine ausgleichende Auffassung berichtigend
geltend machen.

Ich will von der vielbesprochenen Wohnungsnot der Beamten, insbesondre
der richterlichen Beamten handeln, die allmählch, soweit mein Blick reicht, zu einer
schiverdrückenden Bekümmernis für diese geworden zu sein scheint. Freilich
möchte jede derartige Klage rasch verstummen, wenn mau die Verhältnisse
mit der durch die bekannten neuern Untersuchungen in ein schauerlich grelles
Licht gestellten Wvhnungsbedrängnis der niedern Volksklassen an vielen Orte»
Deutschlands vergleicht. Aber ans der andern Seite braucht man doch auch
nicht den kleinern Mißstand über dein größern ans den Augen zu verliere»
und dessen vielleicht »tägliche wirtschaftliche Heilung unversucht zu lassen.

Bekanntlich ist in Deutschland seit einem Menschenalter im Gegensatz
zu der Verbillignug der gewerbliche» Erzeugnisse für alle Konsumenten durch-


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[0120] Die Wohnungsnot der Beamten Deutschland und Portugal durch die Blockade der .Küste die Adern, und die Sklavenschiffe, die sie brechen, haben nach dem Verbote des Sklavenhandels in türkischen Gewässern und Landgebieten weniger als früher Aussicht, mit ihrer Ware Geschäfte zu machen. Es gilt jetzt für Frankreich, sich dem Kreuz- zuge gegen den ruchlosen Handel anzuschließen und, Vorurteile dahinten lassend, nachzuholen, was mir zu lange versäumt worden ist. Das verlangt die öffent- liche Meinung in Europa, das erfordern auch die Interessen des Gebietes, das Frankreich neuerdings im Kongobecken erworben hat. Es darf sich nicht durch die Pforte beschämen lassen bei der Bewegung gegen einen Fluch, der Afrika mehr als alles andre zum „dunkeln Erdteil" macht. Die Wohnungsnot der Beamten MM ,l^MMMcum ein abschließendes, das Ganze überblickendes Urteil sich doch immer wieder auf Einzeluntersuchungen gründen muß, wenn wirklich nach Goethes Wort „das Allgemeine der einzelne Fall" ist, so dürfte es sich rechtfertige» lassen, über einen Mißstand .Klage zu erheben, der von mir allerdings nur in der nähern Umgebung meiner Heimat beobachtet worden ist, der sich aber offenbar über ganz Nord- dentschlnnd drohend verbreitet. Mag dann ein Weiterblickender, dem die Quellen allseitiger Erkundigung zu Gebote stehen, eine ausgleichende Auffassung berichtigend geltend machen. Ich will von der vielbesprochenen Wohnungsnot der Beamten, insbesondre der richterlichen Beamten handeln, die allmählch, soweit mein Blick reicht, zu einer schiverdrückenden Bekümmernis für diese geworden zu sein scheint. Freilich möchte jede derartige Klage rasch verstummen, wenn mau die Verhältnisse mit der durch die bekannten neuern Untersuchungen in ein schauerlich grelles Licht gestellten Wvhnungsbedrängnis der niedern Volksklassen an vielen Orte» Deutschlands vergleicht. Aber ans der andern Seite braucht man doch auch nicht den kleinern Mißstand über dein größern ans den Augen zu verliere» und dessen vielleicht »tägliche wirtschaftliche Heilung unversucht zu lassen. Bekanntlich ist in Deutschland seit einem Menschenalter im Gegensatz zu der Verbillignug der gewerbliche» Erzeugnisse für alle Konsumenten durch-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/120>, abgerufen am 23.07.2024.