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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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Die Pforte, Frankreich und der Sklavenhandel

stattete im Mittelalter den Handel mit Sklaven, der allerdings meist von
Jude" betrieben wurde, aber bis ans Kaiser Karl den Fünften einzig weiße
Menschen -- anfangs Slawen, woher der Name Sklaven kaufte und
verkaufte, und in den Südstnaten der nordamerikanischen Union schlössen die
Pastoren aller Sekten und Bekenntnisse über das Unwesen nicht nur die Augen,
sondern fanden es ganz in der Ordnung und von Gott gewollt, daß die
"Söhne 5>uns" als verkäufliches Vieh betrachtet und behandelt ivnrden. Wir
haben dem endlich ein Ziel gesetzt, und der Islam folgt nun mit dem Befehle
seines Chalifen nach. Dieser konnte sich aber zu der großen Reform umso
leichter entschließen, als in Britisch-Jndien fünfzig Millionen Muhamedaner
leben, die sich vollkommen freier Ausübung ihrer Religion erfreuen und die
Abgeschlossenheit ihrer Harems ungestört bewahren, ohne daß sie menschliche
Wesen, schwarz oder weiß, zur Sklaverei oder zur Verstümmlung zu ver¬
dammen brauchen. Was also unter dem Szepter der Kaiserin von Indien
Brauch und Gesetz ist, kann auch in Syrien und Kleinasien ohne Schaden für
den muhamedanischen Glauben eingeführt werden.

Wir sagten zu Anfang, es sei noch nicht vorgekommen, daß die Türkei
irgend einer christlichen Regierung durch eine Reform mit gutem Beispiele
vorangegangen sei. Aber die Staatsmänner, die Frankreich regieren, konnten
jetzt mit Vorteil Notiz davon nehmen, daß nach den Bestimmungen des neuen
Erlasses des Padischa den Führern britischer Kreuzerschiffe fortan die Erlaubnis
erteilt worden ist, Fahrzeuge, die unter türkischer Flagge segeln, anzuhalten und
M untersuchen, ob sie Sklavenfracht an Bord haben, und daß anderseits schiffe
unter englischer Flagge sich derselben Behandlung vonseiten türkischer zu
unterwerfen bilden. Bis heute verweigert Frankreich den Engländern diese
Befugnis und unterstützt dadurch den arabischen Sklavenhandel in Afrika. Ein
dabei beteiligter Schurke verschafft sich von einem französischen Konsul das
Recht, auf seiner Dhau die Trikolore der Republik aufzuziehen, die nun gegen jede
Durchsuchung Vonseiten britischer Seeleute geheiligt ist. Eine englische Kriegs¬
schaluppe darf sie nicht entern und wegnehmen, auch wenn sie erwiesenermaßen
voll Sklaven steckt. Um also die Reinheit seines nationalen Emblems gegen saubere
fremde Hände zu wahren, läßt das französische Volk es durch die Fäuste der
schmutzigsten Schufte der Welt schänden. Es sind sehr seltsame und widersinnige
Begriffe von Zartgefühl und Würde, die hier die Politik Frankreichs beherrschen.
Der Kardinal Lavigerie, auch ein Franzose, denkt verständiger und menschlicher,
und das Übel, das er bekämpft, ist groß genug, um die ganze zivilisirte Welt zu
seiner Unterstützung aufzufordern. Die Einnahme von Chartum und der erzwungene
Rückzug Emin Paschas von Wadelei haben Jnnerafrika den Sklavenjügern und
den Abnehmern ihrer Ware preisgegeben. Aber mit dem neue" Erlaß beginnt
^ne neue Periode. Das Unwesen im Binnenlande wird sobald nicht angegriffen
und unterdrückt werden können. Aber einstweilen unterbinden ihm England.


Die Pforte, Frankreich und der Sklavenhandel

stattete im Mittelalter den Handel mit Sklaven, der allerdings meist von
Jude» betrieben wurde, aber bis ans Kaiser Karl den Fünften einzig weiße
Menschen — anfangs Slawen, woher der Name Sklaven kaufte und
verkaufte, und in den Südstnaten der nordamerikanischen Union schlössen die
Pastoren aller Sekten und Bekenntnisse über das Unwesen nicht nur die Augen,
sondern fanden es ganz in der Ordnung und von Gott gewollt, daß die
»Söhne 5>uns" als verkäufliches Vieh betrachtet und behandelt ivnrden. Wir
haben dem endlich ein Ziel gesetzt, und der Islam folgt nun mit dem Befehle
seines Chalifen nach. Dieser konnte sich aber zu der großen Reform umso
leichter entschließen, als in Britisch-Jndien fünfzig Millionen Muhamedaner
leben, die sich vollkommen freier Ausübung ihrer Religion erfreuen und die
Abgeschlossenheit ihrer Harems ungestört bewahren, ohne daß sie menschliche
Wesen, schwarz oder weiß, zur Sklaverei oder zur Verstümmlung zu ver¬
dammen brauchen. Was also unter dem Szepter der Kaiserin von Indien
Brauch und Gesetz ist, kann auch in Syrien und Kleinasien ohne Schaden für
den muhamedanischen Glauben eingeführt werden.

Wir sagten zu Anfang, es sei noch nicht vorgekommen, daß die Türkei
irgend einer christlichen Regierung durch eine Reform mit gutem Beispiele
vorangegangen sei. Aber die Staatsmänner, die Frankreich regieren, konnten
jetzt mit Vorteil Notiz davon nehmen, daß nach den Bestimmungen des neuen
Erlasses des Padischa den Führern britischer Kreuzerschiffe fortan die Erlaubnis
erteilt worden ist, Fahrzeuge, die unter türkischer Flagge segeln, anzuhalten und
M untersuchen, ob sie Sklavenfracht an Bord haben, und daß anderseits schiffe
unter englischer Flagge sich derselben Behandlung vonseiten türkischer zu
unterwerfen bilden. Bis heute verweigert Frankreich den Engländern diese
Befugnis und unterstützt dadurch den arabischen Sklavenhandel in Afrika. Ein
dabei beteiligter Schurke verschafft sich von einem französischen Konsul das
Recht, auf seiner Dhau die Trikolore der Republik aufzuziehen, die nun gegen jede
Durchsuchung Vonseiten britischer Seeleute geheiligt ist. Eine englische Kriegs¬
schaluppe darf sie nicht entern und wegnehmen, auch wenn sie erwiesenermaßen
voll Sklaven steckt. Um also die Reinheit seines nationalen Emblems gegen saubere
fremde Hände zu wahren, läßt das französische Volk es durch die Fäuste der
schmutzigsten Schufte der Welt schänden. Es sind sehr seltsame und widersinnige
Begriffe von Zartgefühl und Würde, die hier die Politik Frankreichs beherrschen.
Der Kardinal Lavigerie, auch ein Franzose, denkt verständiger und menschlicher,
und das Übel, das er bekämpft, ist groß genug, um die ganze zivilisirte Welt zu
seiner Unterstützung aufzufordern. Die Einnahme von Chartum und der erzwungene
Rückzug Emin Paschas von Wadelei haben Jnnerafrika den Sklavenjügern und
den Abnehmern ihrer Ware preisgegeben. Aber mit dem neue» Erlaß beginnt
^ne neue Periode. Das Unwesen im Binnenlande wird sobald nicht angegriffen
und unterdrückt werden können. Aber einstweilen unterbinden ihm England.


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[0119] Die Pforte, Frankreich und der Sklavenhandel stattete im Mittelalter den Handel mit Sklaven, der allerdings meist von Jude» betrieben wurde, aber bis ans Kaiser Karl den Fünften einzig weiße Menschen — anfangs Slawen, woher der Name Sklaven kaufte und verkaufte, und in den Südstnaten der nordamerikanischen Union schlössen die Pastoren aller Sekten und Bekenntnisse über das Unwesen nicht nur die Augen, sondern fanden es ganz in der Ordnung und von Gott gewollt, daß die »Söhne 5>uns" als verkäufliches Vieh betrachtet und behandelt ivnrden. Wir haben dem endlich ein Ziel gesetzt, und der Islam folgt nun mit dem Befehle seines Chalifen nach. Dieser konnte sich aber zu der großen Reform umso leichter entschließen, als in Britisch-Jndien fünfzig Millionen Muhamedaner leben, die sich vollkommen freier Ausübung ihrer Religion erfreuen und die Abgeschlossenheit ihrer Harems ungestört bewahren, ohne daß sie menschliche Wesen, schwarz oder weiß, zur Sklaverei oder zur Verstümmlung zu ver¬ dammen brauchen. Was also unter dem Szepter der Kaiserin von Indien Brauch und Gesetz ist, kann auch in Syrien und Kleinasien ohne Schaden für den muhamedanischen Glauben eingeführt werden. Wir sagten zu Anfang, es sei noch nicht vorgekommen, daß die Türkei irgend einer christlichen Regierung durch eine Reform mit gutem Beispiele vorangegangen sei. Aber die Staatsmänner, die Frankreich regieren, konnten jetzt mit Vorteil Notiz davon nehmen, daß nach den Bestimmungen des neuen Erlasses des Padischa den Führern britischer Kreuzerschiffe fortan die Erlaubnis erteilt worden ist, Fahrzeuge, die unter türkischer Flagge segeln, anzuhalten und M untersuchen, ob sie Sklavenfracht an Bord haben, und daß anderseits schiffe unter englischer Flagge sich derselben Behandlung vonseiten türkischer zu unterwerfen bilden. Bis heute verweigert Frankreich den Engländern diese Befugnis und unterstützt dadurch den arabischen Sklavenhandel in Afrika. Ein dabei beteiligter Schurke verschafft sich von einem französischen Konsul das Recht, auf seiner Dhau die Trikolore der Republik aufzuziehen, die nun gegen jede Durchsuchung Vonseiten britischer Seeleute geheiligt ist. Eine englische Kriegs¬ schaluppe darf sie nicht entern und wegnehmen, auch wenn sie erwiesenermaßen voll Sklaven steckt. Um also die Reinheit seines nationalen Emblems gegen saubere fremde Hände zu wahren, läßt das französische Volk es durch die Fäuste der schmutzigsten Schufte der Welt schänden. Es sind sehr seltsame und widersinnige Begriffe von Zartgefühl und Würde, die hier die Politik Frankreichs beherrschen. Der Kardinal Lavigerie, auch ein Franzose, denkt verständiger und menschlicher, und das Übel, das er bekämpft, ist groß genug, um die ganze zivilisirte Welt zu seiner Unterstützung aufzufordern. Die Einnahme von Chartum und der erzwungene Rückzug Emin Paschas von Wadelei haben Jnnerafrika den Sklavenjügern und den Abnehmern ihrer Ware preisgegeben. Aber mit dem neue» Erlaß beginnt ^ne neue Periode. Das Unwesen im Binnenlande wird sobald nicht angegriffen und unterdrückt werden können. Aber einstweilen unterbinden ihm England.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/119>, abgerufen am 23.07.2024.