Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Pforte, Frankreich und der Sklavenhandel

abhängt, kann auch ein Knecht mit schwarzer Haut Günstling des Palastes
werden und dann außerordentliche,, Einfluß üben und zu großem Reichtum
gelangen. Im ganzen Orient trägt der Sklave mehr den Charakter eines
Hausgenossen als den eines gekauften Knechtes. Was man in Amerika Arbeits¬
vieh (vlucktsl) nennen hören konnte, ist in muhammedanischen Ländern nicht zu
sinden. Es giebt hier Sklavemnürkte, aber keine öffentlichen Bersteigerungen von
lebendem Menschenfleisch, wo Mütter ihren Kindern entrissen wurden, keine Ver¬
käufe weißer Frauen mit Negerblut in den Adern zur Füllung schlechter Häuser
in Großstädten. Alle diese greulichen Handelsgewohnheiten blühten einst in
Amerika, niemals aber bei den Türken und Arabern. Alle Sklaven gehören
hier zum Haushalt. Ein reicher Mann hat Weiber, Nebenweiber, Kinder und
Sklaven, weiß und schwarz. Alles ist eine Familie, die sorgfältig abgeschlossen
von der Welt lebt. Die Sklaven sind abhängige Leute und Mündel, nicht oft
zu schwerer Arbeit angehalten und ihr Leben laug vom Herrn genährt und
gekleidet wie die andern Familienglieder. Ihre Freiheit ist nicht mehr beschränkt
als die der Frauen des Hauses. Sie fühlen sich in der Regel zufrieden und
würden sich schwerlich nach der mit Aussicht auf Darben gepaarten Freiheit
sehnen, deren sich freie Arbeiter und noch mehr Arbeiterinnen in unsern Gro߬
städten erfreuen. Die orientalische Sklaverei in der Weise, wie sie in der
letzten Zeit bestand, unterschied sich aber doch in sehr wesentlicher Art auch
unvorteilhaft vor der ehemals in Amerika üblichen. Wie wir sahen, schaffte"
die Vereinigten Staaten schon 1"08 den Sklavenhandel zwischen ihren Küsten
und dem überseeischen Auslande, in erster Reihe Afrika, ab. Die Pforte da¬
gegen hat die Einfuhr afrikanischer Sklaven in ihr Gebiet bis ans d,eher Tag
geduldet, und sie hat damit weit mehr Schaden und Greuel verschuldet, als
der ganze innere Sklavenhandel im Süden der nordamerikanischen Union jemals
zu verantworte" hatte. Sie hat den Arabern Ostafrikas und der Gebiete der
großen Binnenseen am Äquator einen offnen Markt für ihre Menschenware,
das Ergebnis ihrer Naubzttge nnter den heidnischen Negern, geboten, und sie
hat dadurch alle Schrecken und Schändlichkeiten der Sklavenjagden und der
Beförderung ihrer Beute nach der Küstengegend und von deren Häfen nach
ihren Gebieten lebendig erhalten. Um ein paar Hundert brauchbarer Neger
bis an das Note Meer zu bringe", verwüsteten jene arabischen Unholde und
deren Verbündete, muhammedanische Schwarze, Dutzende harmloser Dörfer und
ermordete" i" viele" Fälle" die zum Verkaufe nicht geeigneten Männer, Weiber
"ut Kinder, bisweilen zu Tausende". Ihre Sklaveukarawanen durchkreuzte,,
das Festland, indem sie ihre Wege mit den Gerippen der Unglückliche" bezeich -
ueten, die entweder den Strapazen und Entbehrungen des Marsches von ihrer
Heimat bis zum Sklavenschiffe erlagen oder wegen Widersetzlichkeit oder auch
als unnütz gewordne Ware einfach totgeschlagen wurde", Knabe" wurden ver¬
stümmelt, um für de" Gebrauch in deu türkische,, Harems verkäuflich zu werden.


Die Pforte, Frankreich und der Sklavenhandel

abhängt, kann auch ein Knecht mit schwarzer Haut Günstling des Palastes
werden und dann außerordentliche,, Einfluß üben und zu großem Reichtum
gelangen. Im ganzen Orient trägt der Sklave mehr den Charakter eines
Hausgenossen als den eines gekauften Knechtes. Was man in Amerika Arbeits¬
vieh (vlucktsl) nennen hören konnte, ist in muhammedanischen Ländern nicht zu
sinden. Es giebt hier Sklavemnürkte, aber keine öffentlichen Bersteigerungen von
lebendem Menschenfleisch, wo Mütter ihren Kindern entrissen wurden, keine Ver¬
käufe weißer Frauen mit Negerblut in den Adern zur Füllung schlechter Häuser
in Großstädten. Alle diese greulichen Handelsgewohnheiten blühten einst in
Amerika, niemals aber bei den Türken und Arabern. Alle Sklaven gehören
hier zum Haushalt. Ein reicher Mann hat Weiber, Nebenweiber, Kinder und
Sklaven, weiß und schwarz. Alles ist eine Familie, die sorgfältig abgeschlossen
von der Welt lebt. Die Sklaven sind abhängige Leute und Mündel, nicht oft
zu schwerer Arbeit angehalten und ihr Leben laug vom Herrn genährt und
gekleidet wie die andern Familienglieder. Ihre Freiheit ist nicht mehr beschränkt
als die der Frauen des Hauses. Sie fühlen sich in der Regel zufrieden und
würden sich schwerlich nach der mit Aussicht auf Darben gepaarten Freiheit
sehnen, deren sich freie Arbeiter und noch mehr Arbeiterinnen in unsern Gro߬
städten erfreuen. Die orientalische Sklaverei in der Weise, wie sie in der
letzten Zeit bestand, unterschied sich aber doch in sehr wesentlicher Art auch
unvorteilhaft vor der ehemals in Amerika üblichen. Wie wir sahen, schaffte»
die Vereinigten Staaten schon 1»08 den Sklavenhandel zwischen ihren Küsten
und dem überseeischen Auslande, in erster Reihe Afrika, ab. Die Pforte da¬
gegen hat die Einfuhr afrikanischer Sklaven in ihr Gebiet bis ans d,eher Tag
geduldet, und sie hat damit weit mehr Schaden und Greuel verschuldet, als
der ganze innere Sklavenhandel im Süden der nordamerikanischen Union jemals
zu verantworte» hatte. Sie hat den Arabern Ostafrikas und der Gebiete der
großen Binnenseen am Äquator einen offnen Markt für ihre Menschenware,
das Ergebnis ihrer Naubzttge nnter den heidnischen Negern, geboten, und sie
hat dadurch alle Schrecken und Schändlichkeiten der Sklavenjagden und der
Beförderung ihrer Beute nach der Küstengegend und von deren Häfen nach
ihren Gebieten lebendig erhalten. Um ein paar Hundert brauchbarer Neger
bis an das Note Meer zu bringe», verwüsteten jene arabischen Unholde und
deren Verbündete, muhammedanische Schwarze, Dutzende harmloser Dörfer und
ermordete» i» viele» Fälle» die zum Verkaufe nicht geeigneten Männer, Weiber
»ut Kinder, bisweilen zu Tausende». Ihre Sklaveukarawanen durchkreuzte,,
das Festland, indem sie ihre Wege mit den Gerippen der Unglückliche» bezeich -
ueten, die entweder den Strapazen und Entbehrungen des Marsches von ihrer
Heimat bis zum Sklavenschiffe erlagen oder wegen Widersetzlichkeit oder auch
als unnütz gewordne Ware einfach totgeschlagen wurde», Knabe» wurden ver¬
stümmelt, um für de» Gebrauch in deu türkische,, Harems verkäuflich zu werden.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0117" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/206762"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Pforte, Frankreich und der Sklavenhandel</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_295" prev="#ID_294" next="#ID_296"> abhängt, kann auch ein Knecht mit schwarzer Haut Günstling des Palastes<lb/>
werden und dann außerordentliche,, Einfluß üben und zu großem Reichtum<lb/>
gelangen. Im ganzen Orient trägt der Sklave mehr den Charakter eines<lb/>
Hausgenossen als den eines gekauften Knechtes. Was man in Amerika Arbeits¬<lb/>
vieh (vlucktsl) nennen hören konnte, ist in muhammedanischen Ländern nicht zu<lb/>
sinden. Es giebt hier Sklavemnürkte, aber keine öffentlichen Bersteigerungen von<lb/>
lebendem Menschenfleisch, wo Mütter ihren Kindern entrissen wurden, keine Ver¬<lb/>
käufe weißer Frauen mit Negerblut in den Adern zur Füllung schlechter Häuser<lb/>
in Großstädten. Alle diese greulichen Handelsgewohnheiten blühten einst in<lb/>
Amerika, niemals aber bei den Türken und Arabern. Alle Sklaven gehören<lb/>
hier zum Haushalt. Ein reicher Mann hat Weiber, Nebenweiber, Kinder und<lb/>
Sklaven, weiß und schwarz. Alles ist eine Familie, die sorgfältig abgeschlossen<lb/>
von der Welt lebt. Die Sklaven sind abhängige Leute und Mündel, nicht oft<lb/>
zu schwerer Arbeit angehalten und ihr Leben laug vom Herrn genährt und<lb/>
gekleidet wie die andern Familienglieder. Ihre Freiheit ist nicht mehr beschränkt<lb/>
als die der Frauen des Hauses. Sie fühlen sich in der Regel zufrieden und<lb/>
würden sich schwerlich nach der mit Aussicht auf Darben gepaarten Freiheit<lb/>
sehnen, deren sich freie Arbeiter und noch mehr Arbeiterinnen in unsern Gro߬<lb/>
städten erfreuen. Die orientalische Sklaverei in der Weise, wie sie in der<lb/>
letzten Zeit bestand, unterschied sich aber doch in sehr wesentlicher Art auch<lb/>
unvorteilhaft vor der ehemals in Amerika üblichen. Wie wir sahen, schaffte»<lb/>
die Vereinigten Staaten schon 1»08 den Sklavenhandel zwischen ihren Küsten<lb/>
und dem überseeischen Auslande, in erster Reihe Afrika, ab. Die Pforte da¬<lb/>
gegen hat die Einfuhr afrikanischer Sklaven in ihr Gebiet bis ans d,eher Tag<lb/>
geduldet, und sie hat damit weit mehr Schaden und Greuel verschuldet, als<lb/>
der ganze innere Sklavenhandel im Süden der nordamerikanischen Union jemals<lb/>
zu verantworte» hatte. Sie hat den Arabern Ostafrikas und der Gebiete der<lb/>
großen Binnenseen am Äquator einen offnen Markt für ihre Menschenware,<lb/>
das Ergebnis ihrer Naubzttge nnter den heidnischen Negern, geboten, und sie<lb/>
hat dadurch alle Schrecken und Schändlichkeiten der Sklavenjagden und der<lb/>
Beförderung ihrer Beute nach der Küstengegend und von deren Häfen nach<lb/>
ihren Gebieten lebendig erhalten. Um ein paar Hundert brauchbarer Neger<lb/>
bis an das Note Meer zu bringe», verwüsteten jene arabischen Unholde und<lb/>
deren Verbündete, muhammedanische Schwarze, Dutzende harmloser Dörfer und<lb/>
ermordete» i» viele» Fälle» die zum Verkaufe nicht geeigneten Männer, Weiber<lb/>
»ut Kinder, bisweilen zu Tausende». Ihre Sklaveukarawanen durchkreuzte,,<lb/>
das Festland, indem sie ihre Wege mit den Gerippen der Unglückliche» bezeich -<lb/>
ueten, die entweder den Strapazen und Entbehrungen des Marsches von ihrer<lb/>
Heimat bis zum Sklavenschiffe erlagen oder wegen Widersetzlichkeit oder auch<lb/>
als unnütz gewordne Ware einfach totgeschlagen wurde», Knabe» wurden ver¬<lb/>
stümmelt, um für de» Gebrauch in deu türkische,, Harems verkäuflich zu werden.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0117] Die Pforte, Frankreich und der Sklavenhandel abhängt, kann auch ein Knecht mit schwarzer Haut Günstling des Palastes werden und dann außerordentliche,, Einfluß üben und zu großem Reichtum gelangen. Im ganzen Orient trägt der Sklave mehr den Charakter eines Hausgenossen als den eines gekauften Knechtes. Was man in Amerika Arbeits¬ vieh (vlucktsl) nennen hören konnte, ist in muhammedanischen Ländern nicht zu sinden. Es giebt hier Sklavemnürkte, aber keine öffentlichen Bersteigerungen von lebendem Menschenfleisch, wo Mütter ihren Kindern entrissen wurden, keine Ver¬ käufe weißer Frauen mit Negerblut in den Adern zur Füllung schlechter Häuser in Großstädten. Alle diese greulichen Handelsgewohnheiten blühten einst in Amerika, niemals aber bei den Türken und Arabern. Alle Sklaven gehören hier zum Haushalt. Ein reicher Mann hat Weiber, Nebenweiber, Kinder und Sklaven, weiß und schwarz. Alles ist eine Familie, die sorgfältig abgeschlossen von der Welt lebt. Die Sklaven sind abhängige Leute und Mündel, nicht oft zu schwerer Arbeit angehalten und ihr Leben laug vom Herrn genährt und gekleidet wie die andern Familienglieder. Ihre Freiheit ist nicht mehr beschränkt als die der Frauen des Hauses. Sie fühlen sich in der Regel zufrieden und würden sich schwerlich nach der mit Aussicht auf Darben gepaarten Freiheit sehnen, deren sich freie Arbeiter und noch mehr Arbeiterinnen in unsern Gro߬ städten erfreuen. Die orientalische Sklaverei in der Weise, wie sie in der letzten Zeit bestand, unterschied sich aber doch in sehr wesentlicher Art auch unvorteilhaft vor der ehemals in Amerika üblichen. Wie wir sahen, schaffte» die Vereinigten Staaten schon 1»08 den Sklavenhandel zwischen ihren Küsten und dem überseeischen Auslande, in erster Reihe Afrika, ab. Die Pforte da¬ gegen hat die Einfuhr afrikanischer Sklaven in ihr Gebiet bis ans d,eher Tag geduldet, und sie hat damit weit mehr Schaden und Greuel verschuldet, als der ganze innere Sklavenhandel im Süden der nordamerikanischen Union jemals zu verantworte» hatte. Sie hat den Arabern Ostafrikas und der Gebiete der großen Binnenseen am Äquator einen offnen Markt für ihre Menschenware, das Ergebnis ihrer Naubzttge nnter den heidnischen Negern, geboten, und sie hat dadurch alle Schrecken und Schändlichkeiten der Sklavenjagden und der Beförderung ihrer Beute nach der Küstengegend und von deren Häfen nach ihren Gebieten lebendig erhalten. Um ein paar Hundert brauchbarer Neger bis an das Note Meer zu bringe», verwüsteten jene arabischen Unholde und deren Verbündete, muhammedanische Schwarze, Dutzende harmloser Dörfer und ermordete» i» viele» Fälle» die zum Verkaufe nicht geeigneten Männer, Weiber »ut Kinder, bisweilen zu Tausende». Ihre Sklaveukarawanen durchkreuzte,, das Festland, indem sie ihre Wege mit den Gerippen der Unglückliche» bezeich - ueten, die entweder den Strapazen und Entbehrungen des Marsches von ihrer Heimat bis zum Sklavenschiffe erlagen oder wegen Widersetzlichkeit oder auch als unnütz gewordne Ware einfach totgeschlagen wurde», Knabe» wurden ver¬ stümmelt, um für de» Gebrauch in deu türkische,, Harems verkäuflich zu werden.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/117
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/117>, abgerufen am 25.08.2024.