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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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Die j-^forte, Frankreich und der Sklavenhandel

Freiheit und Gleichheit verpflichtet, fährt fort, diesen Handel mit allen seinen
Greueln durch ihre Flagge zu decken!

Das Verbot des Handels mit Negersklaven ist nicht gleichbedeutend mit
der Unterdrückung der Sklaverei selbst, wohl aber ein beachtenswerter Schritt
zu dieser Maßregel, die der Zukunft zu überlassen ist. Es war natürlich viel
leichter, das Gewissen des Volkes zu wecken, wenn man auf die Abscheulich¬
keiten der arabischen Menschenjäger und Meuschenhändler in Afrika hinwies,
als wenn man auf die weniger zu tage liegenden Übel der seit Urzeiten im
Orient eingebürgerten und den Völkern zur zweiten Natur gewordenen sklavischen
Knechtschaft aufmerksam gemacht und darauf ein Verbot gegründet hatte. Die
Sklaverei war hier gleichsam in die Familien aufgenommen, und sie war
vielfach durch Beruf und Herkommen, sowie durch deu menschlichen Sinn der
einzelnen Herren gemildert. England schaffte deu Handel mit Sklaven viele
Jahre vor dem Zeitpunkte ab, wo es die Befreiung seiner westindischen Neger
aussprach. Die Vereinigten Staaten untersagten schon früh in diesem Jahr¬
hundert die Einfuhr unfreier Arbeitskräfte aus Afrika, während sie die Sklaverei
selbst erst 1862 unterdrückten. Die Abschaffung des Handels mit Schwarzen er¬
folgte vonseiten Englands, nachdem sie von den Quäkern zuerst angeregt worden
und seit 1788 besonders von Wilberforce im Parlament eifrig betrieben und
von Pitt unterstützt worden war, durch die Abolitivnsakte von 1807, wonach
der englische Sklavenhandel mit dem 1. Januar 1803 aufhören sollte. Im
Wiener Frieden von 1814 verzichteten dann Spanien und Portugal ans diesen
Handel nördlich von Äquator. Übereinkünfte der Großmächte, die zu London
stattfanden, bewogen 1816 Frankreich, ihn offiziell ganz auszugeben. Im Jahre
darauf folgte Spanien diesem Beispiele, 182/5 Portugal, dieses wie jenes gegen
eine beträchtliche Entschädigung. Auf Grund von ^Verträgen mit Gro߬
britannien, die 1826 und 1830 abgeschlossen wurden, verbot Brasilien seinen
Kaufleuten und Schiffern das Geschäft in "Schwarzfleisch." Trotzdem wurde
der Negerhaudel im geheimen noch ziemlich schwunghaft fortbetrieben, zumal
da in den amerikanischen Staaten und Kolonien das Halten von Sklaven zu¬
nächst nicht untersagt worden war. Mit der Abstellung dieser Gewohnheit
aber ging es langsam, da sie mit großen Schwierigkeiten verbunden war.
Zuerst gab 1830 die britische Negierung sämtlichen Sklaven der Krone die
Freiheit, und drei Jahre später, am 28. Angust 1833, erging eine Prokla¬
mation, durch die alle Sklave" der englischen Kolonien in freie Leute verwandelt
wurden. Die betreffenden Pflanzer und sonstigen Herren erhielten dafür die
ungeheure Entschädigung von zwanzig Millionen Pfund. Es waren aber
auch durch die Maßregel mit einem Schlage ungefähr 639000 Farbige ans
lebenslanger Knechtschaft zu freien Arbeitern erhoben worden. Frankreich folgte
diesen: Beispiele erst nach der Februarrevolution von 1848 in seinen über¬
seeischen Niederlassungen. Ähnliches geschah dann nach und nach in den nord-


Die j-^forte, Frankreich und der Sklavenhandel

Freiheit und Gleichheit verpflichtet, fährt fort, diesen Handel mit allen seinen
Greueln durch ihre Flagge zu decken!

Das Verbot des Handels mit Negersklaven ist nicht gleichbedeutend mit
der Unterdrückung der Sklaverei selbst, wohl aber ein beachtenswerter Schritt
zu dieser Maßregel, die der Zukunft zu überlassen ist. Es war natürlich viel
leichter, das Gewissen des Volkes zu wecken, wenn man auf die Abscheulich¬
keiten der arabischen Menschenjäger und Meuschenhändler in Afrika hinwies,
als wenn man auf die weniger zu tage liegenden Übel der seit Urzeiten im
Orient eingebürgerten und den Völkern zur zweiten Natur gewordenen sklavischen
Knechtschaft aufmerksam gemacht und darauf ein Verbot gegründet hatte. Die
Sklaverei war hier gleichsam in die Familien aufgenommen, und sie war
vielfach durch Beruf und Herkommen, sowie durch deu menschlichen Sinn der
einzelnen Herren gemildert. England schaffte deu Handel mit Sklaven viele
Jahre vor dem Zeitpunkte ab, wo es die Befreiung seiner westindischen Neger
aussprach. Die Vereinigten Staaten untersagten schon früh in diesem Jahr¬
hundert die Einfuhr unfreier Arbeitskräfte aus Afrika, während sie die Sklaverei
selbst erst 1862 unterdrückten. Die Abschaffung des Handels mit Schwarzen er¬
folgte vonseiten Englands, nachdem sie von den Quäkern zuerst angeregt worden
und seit 1788 besonders von Wilberforce im Parlament eifrig betrieben und
von Pitt unterstützt worden war, durch die Abolitivnsakte von 1807, wonach
der englische Sklavenhandel mit dem 1. Januar 1803 aufhören sollte. Im
Wiener Frieden von 1814 verzichteten dann Spanien und Portugal ans diesen
Handel nördlich von Äquator. Übereinkünfte der Großmächte, die zu London
stattfanden, bewogen 1816 Frankreich, ihn offiziell ganz auszugeben. Im Jahre
darauf folgte Spanien diesem Beispiele, 182/5 Portugal, dieses wie jenes gegen
eine beträchtliche Entschädigung. Auf Grund von ^Verträgen mit Gro߬
britannien, die 1826 und 1830 abgeschlossen wurden, verbot Brasilien seinen
Kaufleuten und Schiffern das Geschäft in „Schwarzfleisch." Trotzdem wurde
der Negerhaudel im geheimen noch ziemlich schwunghaft fortbetrieben, zumal
da in den amerikanischen Staaten und Kolonien das Halten von Sklaven zu¬
nächst nicht untersagt worden war. Mit der Abstellung dieser Gewohnheit
aber ging es langsam, da sie mit großen Schwierigkeiten verbunden war.
Zuerst gab 1830 die britische Negierung sämtlichen Sklaven der Krone die
Freiheit, und drei Jahre später, am 28. Angust 1833, erging eine Prokla¬
mation, durch die alle Sklave» der englischen Kolonien in freie Leute verwandelt
wurden. Die betreffenden Pflanzer und sonstigen Herren erhielten dafür die
ungeheure Entschädigung von zwanzig Millionen Pfund. Es waren aber
auch durch die Maßregel mit einem Schlage ungefähr 639000 Farbige ans
lebenslanger Knechtschaft zu freien Arbeitern erhoben worden. Frankreich folgte
diesen: Beispiele erst nach der Februarrevolution von 1848 in seinen über¬
seeischen Niederlassungen. Ähnliches geschah dann nach und nach in den nord-


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[0114] Die j-^forte, Frankreich und der Sklavenhandel Freiheit und Gleichheit verpflichtet, fährt fort, diesen Handel mit allen seinen Greueln durch ihre Flagge zu decken! Das Verbot des Handels mit Negersklaven ist nicht gleichbedeutend mit der Unterdrückung der Sklaverei selbst, wohl aber ein beachtenswerter Schritt zu dieser Maßregel, die der Zukunft zu überlassen ist. Es war natürlich viel leichter, das Gewissen des Volkes zu wecken, wenn man auf die Abscheulich¬ keiten der arabischen Menschenjäger und Meuschenhändler in Afrika hinwies, als wenn man auf die weniger zu tage liegenden Übel der seit Urzeiten im Orient eingebürgerten und den Völkern zur zweiten Natur gewordenen sklavischen Knechtschaft aufmerksam gemacht und darauf ein Verbot gegründet hatte. Die Sklaverei war hier gleichsam in die Familien aufgenommen, und sie war vielfach durch Beruf und Herkommen, sowie durch deu menschlichen Sinn der einzelnen Herren gemildert. England schaffte deu Handel mit Sklaven viele Jahre vor dem Zeitpunkte ab, wo es die Befreiung seiner westindischen Neger aussprach. Die Vereinigten Staaten untersagten schon früh in diesem Jahr¬ hundert die Einfuhr unfreier Arbeitskräfte aus Afrika, während sie die Sklaverei selbst erst 1862 unterdrückten. Die Abschaffung des Handels mit Schwarzen er¬ folgte vonseiten Englands, nachdem sie von den Quäkern zuerst angeregt worden und seit 1788 besonders von Wilberforce im Parlament eifrig betrieben und von Pitt unterstützt worden war, durch die Abolitivnsakte von 1807, wonach der englische Sklavenhandel mit dem 1. Januar 1803 aufhören sollte. Im Wiener Frieden von 1814 verzichteten dann Spanien und Portugal ans diesen Handel nördlich von Äquator. Übereinkünfte der Großmächte, die zu London stattfanden, bewogen 1816 Frankreich, ihn offiziell ganz auszugeben. Im Jahre darauf folgte Spanien diesem Beispiele, 182/5 Portugal, dieses wie jenes gegen eine beträchtliche Entschädigung. Auf Grund von ^Verträgen mit Gro߬ britannien, die 1826 und 1830 abgeschlossen wurden, verbot Brasilien seinen Kaufleuten und Schiffern das Geschäft in „Schwarzfleisch." Trotzdem wurde der Negerhaudel im geheimen noch ziemlich schwunghaft fortbetrieben, zumal da in den amerikanischen Staaten und Kolonien das Halten von Sklaven zu¬ nächst nicht untersagt worden war. Mit der Abstellung dieser Gewohnheit aber ging es langsam, da sie mit großen Schwierigkeiten verbunden war. Zuerst gab 1830 die britische Negierung sämtlichen Sklaven der Krone die Freiheit, und drei Jahre später, am 28. Angust 1833, erging eine Prokla¬ mation, durch die alle Sklave» der englischen Kolonien in freie Leute verwandelt wurden. Die betreffenden Pflanzer und sonstigen Herren erhielten dafür die ungeheure Entschädigung von zwanzig Millionen Pfund. Es waren aber auch durch die Maßregel mit einem Schlage ungefähr 639000 Farbige ans lebenslanger Knechtschaft zu freien Arbeitern erhoben worden. Frankreich folgte diesen: Beispiele erst nach der Februarrevolution von 1848 in seinen über¬ seeischen Niederlassungen. Ähnliches geschah dann nach und nach in den nord-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/114>, abgerufen am 23.07.2024.