Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.Baron Frederik Ich ließ dem Frühstück alle Gerechtigkeit widerfahren und plauderte da¬ Erlauben Sie, daß ich eine Pfeife rauche? Schon, es genirt Sie nicht? Mein Auge siel auf ein aufgeschlagenes Buch. Darf ich sehen, was der Oh. es sind Madame de Sovignvs Briefe. Höchst interessant! Etwas Ich ehrte Madame de Svvignvs Andenken durch unverhohlene Anerkennung Ja, so gut wie ausschließlich. Sie werden das horribel finden, aber ich Er holte einige Bünde hervor, und wir betrachtete" gemeinschaftlich ver- Ich liebe diese Bilder sehr, sagte der Baron, zierlich und pikant! Ich Er zeigte mir eine Reihe Blätter, auf denen er mit unglaublicher Geduld Baron Frederik Ich ließ dem Frühstück alle Gerechtigkeit widerfahren und plauderte da¬ Erlauben Sie, daß ich eine Pfeife rauche? Schon, es genirt Sie nicht? Mein Auge siel auf ein aufgeschlagenes Buch. Darf ich sehen, was der Oh. es sind Madame de Sovignvs Briefe. Höchst interessant! Etwas Ich ehrte Madame de Svvignvs Andenken durch unverhohlene Anerkennung Ja, so gut wie ausschließlich. Sie werden das horribel finden, aber ich Er holte einige Bünde hervor, und wir betrachtete» gemeinschaftlich ver- Ich liebe diese Bilder sehr, sagte der Baron, zierlich und pikant! Ich Er zeigte mir eine Reihe Blätter, auf denen er mit unglaublicher Geduld <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0624" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/206623"/> <fw type="header" place="top"> Baron Frederik</fw><lb/> <p xml:id="ID_2061"> Ich ließ dem Frühstück alle Gerechtigkeit widerfahren und plauderte da¬<lb/> zwischen mit dem Baron, der der aufmerksamste Wirt war. Als wir gegessen<lb/> hatten, wurde sofort weggeräumt, und er bot mir eine Zigarre an.</p><lb/> <p xml:id="ID_2062"> Erlauben Sie, daß ich eine Pfeife rauche? Schon, es genirt Sie nicht?<lb/> Ich muß Ihnen sagen, eine gute Pfeife geht mir über alles, ich versichere<lb/> Ihnen, ich kann mich schon des Abends ordentlich auf meine Morgenpfeife freuen,<lb/> und diese — er zeigte ans einen großen, silberbeschlagenen Meerschaumkopf, deu<lb/> er in der Hand hatte — schmeckt nur besonders gut. Ich habe sie von meiner<lb/> Nichte erhalten, die mit dem Kammerjunker Father verheiratet ist, sie war so<lb/> scharmant, sie mir selbst in Wien zu kaufen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2063"> Mein Auge siel auf ein aufgeschlagenes Buch. Darf ich sehen, was der<lb/> Herr Baron liest? fragte ich.</p><lb/> <p xml:id="ID_2064"> Oh. es sind Madame de Sovignvs Briefe. Höchst interessant! Etwas<lb/> flott, etwas frivol, aber schließlich muß sie doch ein teufelsmäßig instruirtes<lb/> Frauenzimmer gewesen sein. Wie beliebt?</p><lb/> <p xml:id="ID_2065"> Ich ehrte Madame de Svvignvs Andenken durch unverhohlene Anerkennung<lb/> und fragte, ob er vorzugsweise französisch lese?</p><lb/> <p xml:id="ID_2066"> Ja, so gut wie ausschließlich. Sie werden das horribel finden, aber ich<lb/> lese selten dänische Bücher. Die jünger» goutire ich nicht, die sind nur ent¬<lb/> weder zu subtil oder zu platt, und man liest doch wirklich nicht allein des<lb/> Vergnügens wegen, sondern auch um seinen Geist zu bilden, um sich in einer<lb/> Sprache zu vervollkommnen, und es giebt, das müssen Sie gestehen, keine<lb/> elegantere Sprache als die französische. Ich versichere Ihnen, obgleich ich<lb/> beinahe meine kleine Bibliothek auswendig weiß, so ist es mir doch immer<lb/> wieder ein Genuß, darin zu lesen. Und das sind prächtige Ausgaben, die ich<lb/> besitze, es sind scharmante Kupferstiche drin. Hier, sehen Sie.</p><lb/> <p xml:id="ID_2067"> Er holte einige Bünde hervor, und wir betrachtete» gemeinschaftlich ver-<lb/> schiedne jener tüchtig gezeichiiete», in der Regel freilich etwas bedenklichen<lb/> Szenen, in denen die Cochlus und Mvrenus im vorigen Jahrhundert als<lb/> Meister galten.</p><lb/> <p xml:id="ID_2068"> Ich liebe diese Bilder sehr, sagte der Baron, zierlich und pikant! Ich<lb/> verbringe manche Stunde damit, sie zu kopiren. Hier können Sie die Resultate<lb/> sehen, freilich es ist nur Dilettantenarbeit, aber vielleicht macht es Ihnen Ver¬<lb/> gnügen, sie durchzublättern.</p><lb/> <p xml:id="ID_2069"> Er zeigte mir eine Reihe Blätter, auf denen er mit unglaublicher Geduld<lb/> jeden Strich des betreffenden Kupferstiches mit Feder und Tusche wiedergegeben<lb/> hatte. Ich konnte nicht umhin, ihm meine aufrichtige Bewunderung über einen<lb/> solchen Fleiß auszusprechen, und das freute ihn offenbar. Als er seine Zeich¬<lb/> nungen wieder in die Schatulle legen wollte, fiel ein rotes Etui von der Art,<lb/> wie man sie in Juwelierlüden bekommt, ans deu Boden; ich beeilte mich, es<lb/> mifzuheben.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0624]
Baron Frederik
Ich ließ dem Frühstück alle Gerechtigkeit widerfahren und plauderte da¬
zwischen mit dem Baron, der der aufmerksamste Wirt war. Als wir gegessen
hatten, wurde sofort weggeräumt, und er bot mir eine Zigarre an.
Erlauben Sie, daß ich eine Pfeife rauche? Schon, es genirt Sie nicht?
Ich muß Ihnen sagen, eine gute Pfeife geht mir über alles, ich versichere
Ihnen, ich kann mich schon des Abends ordentlich auf meine Morgenpfeife freuen,
und diese — er zeigte ans einen großen, silberbeschlagenen Meerschaumkopf, deu
er in der Hand hatte — schmeckt nur besonders gut. Ich habe sie von meiner
Nichte erhalten, die mit dem Kammerjunker Father verheiratet ist, sie war so
scharmant, sie mir selbst in Wien zu kaufen.
Mein Auge siel auf ein aufgeschlagenes Buch. Darf ich sehen, was der
Herr Baron liest? fragte ich.
Oh. es sind Madame de Sovignvs Briefe. Höchst interessant! Etwas
flott, etwas frivol, aber schließlich muß sie doch ein teufelsmäßig instruirtes
Frauenzimmer gewesen sein. Wie beliebt?
Ich ehrte Madame de Svvignvs Andenken durch unverhohlene Anerkennung
und fragte, ob er vorzugsweise französisch lese?
Ja, so gut wie ausschließlich. Sie werden das horribel finden, aber ich
lese selten dänische Bücher. Die jünger» goutire ich nicht, die sind nur ent¬
weder zu subtil oder zu platt, und man liest doch wirklich nicht allein des
Vergnügens wegen, sondern auch um seinen Geist zu bilden, um sich in einer
Sprache zu vervollkommnen, und es giebt, das müssen Sie gestehen, keine
elegantere Sprache als die französische. Ich versichere Ihnen, obgleich ich
beinahe meine kleine Bibliothek auswendig weiß, so ist es mir doch immer
wieder ein Genuß, darin zu lesen. Und das sind prächtige Ausgaben, die ich
besitze, es sind scharmante Kupferstiche drin. Hier, sehen Sie.
Er holte einige Bünde hervor, und wir betrachtete» gemeinschaftlich ver-
schiedne jener tüchtig gezeichiiete», in der Regel freilich etwas bedenklichen
Szenen, in denen die Cochlus und Mvrenus im vorigen Jahrhundert als
Meister galten.
Ich liebe diese Bilder sehr, sagte der Baron, zierlich und pikant! Ich
verbringe manche Stunde damit, sie zu kopiren. Hier können Sie die Resultate
sehen, freilich es ist nur Dilettantenarbeit, aber vielleicht macht es Ihnen Ver¬
gnügen, sie durchzublättern.
Er zeigte mir eine Reihe Blätter, auf denen er mit unglaublicher Geduld
jeden Strich des betreffenden Kupferstiches mit Feder und Tusche wiedergegeben
hatte. Ich konnte nicht umhin, ihm meine aufrichtige Bewunderung über einen
solchen Fleiß auszusprechen, und das freute ihn offenbar. Als er seine Zeich¬
nungen wieder in die Schatulle legen wollte, fiel ein rotes Etui von der Art,
wie man sie in Juwelierlüden bekommt, ans deu Boden; ich beeilte mich, es
mifzuheben.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |