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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

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Aus Neuösterreich

ihm gekommen waren, waren seine Freunde. Nach herzlicher Begrüßung nahmen
!le teil an unserm Mahl und unsern Gesprächen, die sich beim Dalmatiner
Vivo noro bis tief in die Nacht hinein erstreckten.

Die Gaststube wurde uns zum Nachtquartier hergerichtet, doch mußten
wir sie mit dem Sohne des Hauses teilen; unsre Diener waren im Pferdestnll
untergebracht, während die Familie im Nebenzimmer lagerte. Ich weiß nicht,
war es Ermüdung oder die außergewöluiliche Reinlichkeit des Hauses, ich
schlief prächtig, und die Sonne stand schon hoch am Himmel, als mich mein
Freund weckte, um nach dem Frühstück, daß unsre Diener zubereiteten und
woran auch unser Wirt teilnahm, einen Spaziergnng dnrch den Ort zu unter¬
nehmen. Dobrnjak bestand damals aus dreißig unregelmäßig zerstreuten kleinen
Häusern, unter denen das Haus unsres Gastfreundes, der zugleich Richter und
Kommandant der Mobiltruppeu war, Wohl das ansehnlichste war, die andern
waren meist nur aus Steinen und Reißig zusammengeflickte Baracken, in denen
Menschen und das liebe Vieh gemeinschaftlich hausten. Eine kleine, griechisch¬
orientalische Kapelle sah einer Festung ähnlicher als einem Gotteshause, was
aber nicht Wunder nahm; befanden wir uns doch auf blutgetränkem Boden
in dem sog. Xg.iÄ-äAg'Il (schwarzer Boden), den, der Sage nach, noch kein Türke
in den 590 jährigen Kämpfen lebend verlassen hat. Wie ein gothischer Dom
erhob sich südöstlich das Ziel unsrer Wünsche, der Dormitor, dessen Abhänge
mit ihren schwarzen Wäldern und riesigen Schneefeldern wunderbar von dem
blauen Himmel abstachen.

Wir sollten nachmittags aufbrechen und an der obern Waldgrenze über¬
nachten, um am nächsten Tage, bei Sonnenaufgang, die Besteigung der Spitze
zu unternehmen. Unser Wirt, sein Neffe und ungefähr 10 montenegrinische
Soldaten sollten uns als Führer und Gepäckträger begleite:?; ich gab unserm
Diener Auftrag, an den Proviant zu denken, wozu der gestern geschossene
Rehbock sofort gebraten wurde. Die Kunde von der Ankunft eines OeouiK
(Arzt) hatte sich schnell verbreitet, sodaß mein Freund alle Hunde voll zu thun
hatte, um alle Hilfesuchenden mit Rat und Arzneien zu versehen.

Nach dem Essen brachen wir auf, unsre Kolonne war 15 Mann stark,
7 Pferde und des Doktors Meute begleitete" uns. Hinter dem Orte betraten
wir uralte Bucheubestcinde, durch die der Weg bis ans die höher gelegenen
Wiesen führte. Den Beschluß unsres Zuges bildete" die mit Decken beladenen
Pferde, die hinter einander gekoppelt vou einem alte" Montenegriner, einen,
Musikanten seines Zeichens, geführt wurden. Wir kamen über mehrere Wald-
Wiesen, auf denen kleines, aber kräftiges Hornvieh weidete und allerhand junges
Volk mit Heumachen beschäftigt war. Der Weg ward immer schwieriger,
manchmal nur den kriegspfadgewvhnten Augen der Montenegriner erkennbar.
Gegen L Uhr erreichten wir die äußere Waldgrenze, wo wir unser Nacht¬
quartier aufschlugen. Bald waren einige junge Föhren gefällt, die als Zelt-


Aus Neuösterreich

ihm gekommen waren, waren seine Freunde. Nach herzlicher Begrüßung nahmen
!le teil an unserm Mahl und unsern Gesprächen, die sich beim Dalmatiner
Vivo noro bis tief in die Nacht hinein erstreckten.

Die Gaststube wurde uns zum Nachtquartier hergerichtet, doch mußten
wir sie mit dem Sohne des Hauses teilen; unsre Diener waren im Pferdestnll
untergebracht, während die Familie im Nebenzimmer lagerte. Ich weiß nicht,
war es Ermüdung oder die außergewöluiliche Reinlichkeit des Hauses, ich
schlief prächtig, und die Sonne stand schon hoch am Himmel, als mich mein
Freund weckte, um nach dem Frühstück, daß unsre Diener zubereiteten und
woran auch unser Wirt teilnahm, einen Spaziergnng dnrch den Ort zu unter¬
nehmen. Dobrnjak bestand damals aus dreißig unregelmäßig zerstreuten kleinen
Häusern, unter denen das Haus unsres Gastfreundes, der zugleich Richter und
Kommandant der Mobiltruppeu war, Wohl das ansehnlichste war, die andern
waren meist nur aus Steinen und Reißig zusammengeflickte Baracken, in denen
Menschen und das liebe Vieh gemeinschaftlich hausten. Eine kleine, griechisch¬
orientalische Kapelle sah einer Festung ähnlicher als einem Gotteshause, was
aber nicht Wunder nahm; befanden wir uns doch auf blutgetränkem Boden
in dem sog. Xg.iÄ-äAg'Il (schwarzer Boden), den, der Sage nach, noch kein Türke
in den 590 jährigen Kämpfen lebend verlassen hat. Wie ein gothischer Dom
erhob sich südöstlich das Ziel unsrer Wünsche, der Dormitor, dessen Abhänge
mit ihren schwarzen Wäldern und riesigen Schneefeldern wunderbar von dem
blauen Himmel abstachen.

Wir sollten nachmittags aufbrechen und an der obern Waldgrenze über¬
nachten, um am nächsten Tage, bei Sonnenaufgang, die Besteigung der Spitze
zu unternehmen. Unser Wirt, sein Neffe und ungefähr 10 montenegrinische
Soldaten sollten uns als Führer und Gepäckträger begleite:?; ich gab unserm
Diener Auftrag, an den Proviant zu denken, wozu der gestern geschossene
Rehbock sofort gebraten wurde. Die Kunde von der Ankunft eines OeouiK
(Arzt) hatte sich schnell verbreitet, sodaß mein Freund alle Hunde voll zu thun
hatte, um alle Hilfesuchenden mit Rat und Arzneien zu versehen.

Nach dem Essen brachen wir auf, unsre Kolonne war 15 Mann stark,
7 Pferde und des Doktors Meute begleitete» uns. Hinter dem Orte betraten
wir uralte Bucheubestcinde, durch die der Weg bis ans die höher gelegenen
Wiesen führte. Den Beschluß unsres Zuges bildete» die mit Decken beladenen
Pferde, die hinter einander gekoppelt vou einem alte« Montenegriner, einen,
Musikanten seines Zeichens, geführt wurden. Wir kamen über mehrere Wald-
Wiesen, auf denen kleines, aber kräftiges Hornvieh weidete und allerhand junges
Volk mit Heumachen beschäftigt war. Der Weg ward immer schwieriger,
manchmal nur den kriegspfadgewvhnten Augen der Montenegriner erkennbar.
Gegen L Uhr erreichten wir die äußere Waldgrenze, wo wir unser Nacht¬
quartier aufschlugen. Bald waren einige junge Föhren gefällt, die als Zelt-


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[0579] Aus Neuösterreich ihm gekommen waren, waren seine Freunde. Nach herzlicher Begrüßung nahmen !le teil an unserm Mahl und unsern Gesprächen, die sich beim Dalmatiner Vivo noro bis tief in die Nacht hinein erstreckten. Die Gaststube wurde uns zum Nachtquartier hergerichtet, doch mußten wir sie mit dem Sohne des Hauses teilen; unsre Diener waren im Pferdestnll untergebracht, während die Familie im Nebenzimmer lagerte. Ich weiß nicht, war es Ermüdung oder die außergewöluiliche Reinlichkeit des Hauses, ich schlief prächtig, und die Sonne stand schon hoch am Himmel, als mich mein Freund weckte, um nach dem Frühstück, daß unsre Diener zubereiteten und woran auch unser Wirt teilnahm, einen Spaziergnng dnrch den Ort zu unter¬ nehmen. Dobrnjak bestand damals aus dreißig unregelmäßig zerstreuten kleinen Häusern, unter denen das Haus unsres Gastfreundes, der zugleich Richter und Kommandant der Mobiltruppeu war, Wohl das ansehnlichste war, die andern waren meist nur aus Steinen und Reißig zusammengeflickte Baracken, in denen Menschen und das liebe Vieh gemeinschaftlich hausten. Eine kleine, griechisch¬ orientalische Kapelle sah einer Festung ähnlicher als einem Gotteshause, was aber nicht Wunder nahm; befanden wir uns doch auf blutgetränkem Boden in dem sog. Xg.iÄ-äAg'Il (schwarzer Boden), den, der Sage nach, noch kein Türke in den 590 jährigen Kämpfen lebend verlassen hat. Wie ein gothischer Dom erhob sich südöstlich das Ziel unsrer Wünsche, der Dormitor, dessen Abhänge mit ihren schwarzen Wäldern und riesigen Schneefeldern wunderbar von dem blauen Himmel abstachen. Wir sollten nachmittags aufbrechen und an der obern Waldgrenze über¬ nachten, um am nächsten Tage, bei Sonnenaufgang, die Besteigung der Spitze zu unternehmen. Unser Wirt, sein Neffe und ungefähr 10 montenegrinische Soldaten sollten uns als Führer und Gepäckträger begleite:?; ich gab unserm Diener Auftrag, an den Proviant zu denken, wozu der gestern geschossene Rehbock sofort gebraten wurde. Die Kunde von der Ankunft eines OeouiK (Arzt) hatte sich schnell verbreitet, sodaß mein Freund alle Hunde voll zu thun hatte, um alle Hilfesuchenden mit Rat und Arzneien zu versehen. Nach dem Essen brachen wir auf, unsre Kolonne war 15 Mann stark, 7 Pferde und des Doktors Meute begleitete» uns. Hinter dem Orte betraten wir uralte Bucheubestcinde, durch die der Weg bis ans die höher gelegenen Wiesen führte. Den Beschluß unsres Zuges bildete» die mit Decken beladenen Pferde, die hinter einander gekoppelt vou einem alte« Montenegriner, einen, Musikanten seines Zeichens, geführt wurden. Wir kamen über mehrere Wald- Wiesen, auf denen kleines, aber kräftiges Hornvieh weidete und allerhand junges Volk mit Heumachen beschäftigt war. Der Weg ward immer schwieriger, manchmal nur den kriegspfadgewvhnten Augen der Montenegriner erkennbar. Gegen L Uhr erreichten wir die äußere Waldgrenze, wo wir unser Nacht¬ quartier aufschlugen. Bald waren einige junge Föhren gefällt, die als Zelt-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/579>, abgerufen am 25.07.2024.