Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.Aus Nenösterreich mit einer gewissen Geringschätzung angesehen wird, und während für den Türken (Schluß folgt) Aus Nenösterreich mit einer gewissen Geringschätzung angesehen wird, und während für den Türken (Schluß folgt) <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0542" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/206541"/> <fw type="header" place="top"> Aus Nenösterreich</fw><lb/> <p xml:id="ID_1817" prev="#ID_1816"> mit einer gewissen Geringschätzung angesehen wird, und während für den Türken<lb/> die Frau eine Art Luxusgegenstand ist, muß sich das montenegrinische und<lb/> auch das serbische Weib vom Augenblicke der Heimführung für den arbeits¬<lb/> scheuen Manu abarbeiten. Die in Pensionaten künstlich beigebrachte Erziehung<lb/> und Bildung hat gewiß den Gedankenkreis des armen Wesens erweitert und<lb/> ihm gewisse Begriffe von der gesellschaftlichen Stellung des Weibes beigebracht —<lb/> welche Enttäuschungen harren ihrer, wenn sie diese im väterlichen Hause und<lb/> in ihrer Zukunft so wenig verwirklicht sieht! In Mvntenegro, wo nur Kriegs¬<lb/> glück und Mut den Mann machen, blickt ein Zurück (Held) mit einer Art<lb/> Verachtung auf sein Weib, als auf ein nur zur Arbeit bestimmtes Geschöpf,<lb/> sie naht sich ihm voll Demut, sie wagt es nicht, sich in seiner Gegenwart zu<lb/> setzen, mag auch der Mann seine Bildung, wie es viele junge Montenegriner<lb/> thun, in Paris oder in Petersburg erhalten haben, er bleibt aus Furcht, sich<lb/> lächerlich zu machen, bei dem alten Brauche, die Frau bleibt für ihn immer mir<lb/> die oberste Magd. Ich will damit nicht sagen, daß die Sittlichkeit darunter litte,<lb/> es giebt in Montenegro keine Halbwelt, wozu Wohl beitragen mag, daß die<lb/> Gesetze gegen den Ehebruch ungemein streng sind, und daß die Mißhandlung<lb/> einer Frau als etwas Schimpfliches angesehen wird. Die jungen, meist sehr<lb/> schönen Mädchen werden von zartester Jugend an daran gewöhnt, im Manne<lb/> den zukünftigen Gebieter zu sehen, und darauf vorbereitet, daß sie auf Familien-<lb/> verabrednng hin, ohne um ihren Willen gefragt zu werden, als Zugabe zu ein<lb/> Paar Ochsen und allerhand Hausgerät dem Manne übergeben werden. Sie<lb/> heiraten auch sehr jung, meist im vierzehnten oder fünfzehnten Lebensjahre,<lb/> und da ist es kein Wunder, daß ein dreißigjähriges Weib keine Spuren früherer<lb/> Schönheit aufzuweisen hat; auf solch ein abgemagertes, abgearbeitetes Geschöpf<lb/> würden Bezeichnungen wie das „schöne" oder „zarte" Geschlecht sehr wenig<lb/> passen. Noch vor vierzig Jahren gab es in Mvntenegro keine Schulen, erst<lb/> unter Danilo I., dem Vorgänger des jetzigen Fürsten, sind einige Schulen<lb/> errichtet worden, und uuter dem jetzigen Regenten Nikola, der seine Erziehung<lb/> in Paris, Wien und Triest erhalten hat und in fortwährendem Verkehr mit<lb/> Europa steht, hat das Schulwesen einen plötzlichen, beinahe unnatürlichen<lb/> Umschwung erfahren. Es wurden Volksschulen nach dem System der Wander¬<lb/> schulen errichtet, in größern Ortschaften allgemeine Schulpflicht eingeführt,<lb/> einheimische Lehrer und Geistliche bestellt, auch Pensionate errichtet. Im<lb/> Lehrerinnenpensivnat werden die zukünftigen Lehrerinnen auf Staatskosten ge¬<lb/> bildet, dorthin senden auch die Reichen ihre Töchter zur Ausbildung, auch Fürsten-<lb/> tochter hat man oft ans dein Wege zur Schule in lustiger Rauferei mit der<lb/> Straßenjugend gesehen. So wird sich der Leser leicht das Los der Tochter<lb/> unsers Wirtes vorstellen können; zu reich und zu hochmütig, um Lehrerin zu<lb/> werden, ohne Aussicht, sich auswärts zu verheiraten, wird sie binnen kurzem,<lb/> gleich ihrer Mutter und Großmutter, die Sklavin eines Mannes werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1818"> (Schluß folgt)</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0542]
Aus Nenösterreich
mit einer gewissen Geringschätzung angesehen wird, und während für den Türken
die Frau eine Art Luxusgegenstand ist, muß sich das montenegrinische und
auch das serbische Weib vom Augenblicke der Heimführung für den arbeits¬
scheuen Manu abarbeiten. Die in Pensionaten künstlich beigebrachte Erziehung
und Bildung hat gewiß den Gedankenkreis des armen Wesens erweitert und
ihm gewisse Begriffe von der gesellschaftlichen Stellung des Weibes beigebracht —
welche Enttäuschungen harren ihrer, wenn sie diese im väterlichen Hause und
in ihrer Zukunft so wenig verwirklicht sieht! In Mvntenegro, wo nur Kriegs¬
glück und Mut den Mann machen, blickt ein Zurück (Held) mit einer Art
Verachtung auf sein Weib, als auf ein nur zur Arbeit bestimmtes Geschöpf,
sie naht sich ihm voll Demut, sie wagt es nicht, sich in seiner Gegenwart zu
setzen, mag auch der Mann seine Bildung, wie es viele junge Montenegriner
thun, in Paris oder in Petersburg erhalten haben, er bleibt aus Furcht, sich
lächerlich zu machen, bei dem alten Brauche, die Frau bleibt für ihn immer mir
die oberste Magd. Ich will damit nicht sagen, daß die Sittlichkeit darunter litte,
es giebt in Montenegro keine Halbwelt, wozu Wohl beitragen mag, daß die
Gesetze gegen den Ehebruch ungemein streng sind, und daß die Mißhandlung
einer Frau als etwas Schimpfliches angesehen wird. Die jungen, meist sehr
schönen Mädchen werden von zartester Jugend an daran gewöhnt, im Manne
den zukünftigen Gebieter zu sehen, und darauf vorbereitet, daß sie auf Familien-
verabrednng hin, ohne um ihren Willen gefragt zu werden, als Zugabe zu ein
Paar Ochsen und allerhand Hausgerät dem Manne übergeben werden. Sie
heiraten auch sehr jung, meist im vierzehnten oder fünfzehnten Lebensjahre,
und da ist es kein Wunder, daß ein dreißigjähriges Weib keine Spuren früherer
Schönheit aufzuweisen hat; auf solch ein abgemagertes, abgearbeitetes Geschöpf
würden Bezeichnungen wie das „schöne" oder „zarte" Geschlecht sehr wenig
passen. Noch vor vierzig Jahren gab es in Mvntenegro keine Schulen, erst
unter Danilo I., dem Vorgänger des jetzigen Fürsten, sind einige Schulen
errichtet worden, und uuter dem jetzigen Regenten Nikola, der seine Erziehung
in Paris, Wien und Triest erhalten hat und in fortwährendem Verkehr mit
Europa steht, hat das Schulwesen einen plötzlichen, beinahe unnatürlichen
Umschwung erfahren. Es wurden Volksschulen nach dem System der Wander¬
schulen errichtet, in größern Ortschaften allgemeine Schulpflicht eingeführt,
einheimische Lehrer und Geistliche bestellt, auch Pensionate errichtet. Im
Lehrerinnenpensivnat werden die zukünftigen Lehrerinnen auf Staatskosten ge¬
bildet, dorthin senden auch die Reichen ihre Töchter zur Ausbildung, auch Fürsten-
tochter hat man oft ans dein Wege zur Schule in lustiger Rauferei mit der
Straßenjugend gesehen. So wird sich der Leser leicht das Los der Tochter
unsers Wirtes vorstellen können; zu reich und zu hochmütig, um Lehrerin zu
werden, ohne Aussicht, sich auswärts zu verheiraten, wird sie binnen kurzem,
gleich ihrer Mutter und Großmutter, die Sklavin eines Mannes werden.
(Schluß folgt)
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