Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches Ersatz für den unmittelbaren Eindruck uns den der Sitzung beiwohnenden zu leiste", Wie schade ferner, daß kein Detektivapparat i" Thätigkeit war, als bei der Seien wir übrigens nicht Parteiisch. Die Versammlungen konservativer Wähler Maßgebliches und Unmaßgebliches Ersatz für den unmittelbaren Eindruck uns den der Sitzung beiwohnenden zu leiste», Wie schade ferner, daß kein Detektivapparat i» Thätigkeit war, als bei der Seien wir übrigens nicht Parteiisch. Die Versammlungen konservativer Wähler <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0491" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/206490"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_1693" prev="#ID_1692"> Ersatz für den unmittelbaren Eindruck uns den der Sitzung beiwohnenden zu leiste»,<lb/> noch einer kleinen Ergänzung bedürfen, und diese könnte ohne Schwierigkeit sofort<lb/> ins Leben treten. Wir meinen die Aufnahme von Angenbiicksbildern mit dem Photo-<lb/> graphischen Apparat. Bei nur einiger Umsicht wäre damit gewiß ein glänzendes<lb/> Geschäft zu macheu, Gegenwart und Zukunft würden dankbar sein für solche „echte"<lb/> Illustrationen der Tagesgeschichte, anstatt der hänfig erst nachträglich und „weit<lb/> vom Schuß" angefertigten Zeichnungen von „Spezialartisten." Denke» wir uns<lb/> z. B. die LilunOru, in dem Augenblicke geöffnet, wo Herr Engen Richter sich neulich<lb/> des durch Zeitungsartikel (natürlich nicht seine eignen!) gefährdeten „Ansehens des<lb/> Reiches" ritterlich annahm. Ob er selbst imstande gewesen ist, dabei den Ernst zu<lb/> bewahren, ist uoch uicht einmal die interessanteste Frage, die Gesichter der von ihm<lb/> angeführten Herren würden wir gern verewigt haben! Die Getreuesten werden wohl<lb/> von dieser überraschenden Wendung unterrichtet gewesen sein und daher ihre Ge¬<lb/> sichtsmuskeln beherrscht haben. Einige mögen alles, was ihr Hauptmann vorbringt,<lb/> für bare Münze nehmen und daher auch diesmal mit ehrfurchtsvoller Bewunde¬<lb/> rung zugehört haben. Vlber noch andre können doch an ihrem Herrn und Meister<lb/> ^'re geworden sein, der plötzlich seinen erhabnen Standpunkt, hoch über allen deu<lb/> »ntioualeu Schwächen, an denen nur übrigen leiden, zu verlasse» schien! deren<lb/> Verblüffung muß sich recht ergötzlich ausgenommen haben. Auch hat er vermutlich<lb/> selbst das Bedürfnis gefühlt, die Myrmidonen wieder zu beruhigen. Das eigne<lb/> Ansehen ist einem doch näher als das Ansehen des Reiches. Und so wurde denn<lb/> l'ni der Niger-Company und bei Samoa die Gelegenheit frisch vom Zaune ge<lb/> »rochen, zu zeigen, daß die alte internationale Gesinnnngstiichtigkeit noch keinen<lb/> Schaden genommen hat. Eine Reihe befriedigt schmunzelnder Gesichter würde da<lb/> wieder ein sehr hübsches Bild gegeben haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1694"> Wie schade ferner, daß kein Detektivapparat i» Thätigkeit war, als bei der<lb/> Feier für Weinhold Herr Birchow die Anniesenden durch die Entdeckung erfreute,<lb/> daß die Geschichte unsre Lehrmeisterin sein soll. Für ihn war das augen¬<lb/> scheinlich eine Entdeckung. Und so viel man von dem Manne auch gewohnt ist,<lb/> den Gustav Schwetscht'e schon als toe^ax omiribnu An estan se >>nilnnAÜun a.Ili»<lb/> chnrnkterisirte: gerade aus seinem Munde jene Sentenz vernehmen zu müssen, das<lb/> l>al auf die Hörer eine unwiderstehliche Wirkung geübt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1695"> Seien wir übrigens nicht Parteiisch. Die Versammlungen konservativer Wähler<lb/> "l Berlin, die, obwohl längst über das Alter jenes Knaben hinaus, der seine er-<lb/> frornen Finger als gerechte Strafe für seinen ihm keine Handschuhe laufenden Vater<lb/> ansah, doch beschlossen, gar nicht mehr mitzuspielen, weil sie nicht die erste Geige<lb/> spielen können, sie wären auch des Photographirens wert gewesen. Früher hielten<lb/> wir Herrn Adolf Wagner für einen Politiker, und müssen ihm nun Abbitte leisten:<lb/> er ist auch nur — Mitglied einer Partei. Ob die Verwaltung der Stadt Berlin<lb/> ilänzlich in die Hände von Anhängern einer Partei gelangt, die er nach seinen<lb/> Überzeugungen immer und überall bekämpfen muß, ob die Reichöhnuptstndt deu<lb/> feinen Ruf erhält, daß in ihr nur noch Richter und Singer kvnimandiren, das<lb/> thut nichts! Seine Partei ist „böse," sie steht maulend im Winkel, und dieses<lb/> ebenso patriotische wie imponirende Verhalten findet die volle Billigung ihres<lb/> Führers, des Geheimen Rates und Professors der Nationalökonomie Adolf Wagner, ja<lb/> er lehrt ausdrücklich die politische Weisheit: „Es ist meinem Vater ganz recht», f. w."<lb/> Wie mag sein alter Widerpart, Herr Alexander Meyer, darüber gelacht haben.<lb/> Wir aber hätten gern eine Photographie auch dieser Persammlung von Staats¬<lb/> männern !</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0491]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Ersatz für den unmittelbaren Eindruck uns den der Sitzung beiwohnenden zu leiste»,
noch einer kleinen Ergänzung bedürfen, und diese könnte ohne Schwierigkeit sofort
ins Leben treten. Wir meinen die Aufnahme von Angenbiicksbildern mit dem Photo-
graphischen Apparat. Bei nur einiger Umsicht wäre damit gewiß ein glänzendes
Geschäft zu macheu, Gegenwart und Zukunft würden dankbar sein für solche „echte"
Illustrationen der Tagesgeschichte, anstatt der hänfig erst nachträglich und „weit
vom Schuß" angefertigten Zeichnungen von „Spezialartisten." Denke» wir uns
z. B. die LilunOru, in dem Augenblicke geöffnet, wo Herr Engen Richter sich neulich
des durch Zeitungsartikel (natürlich nicht seine eignen!) gefährdeten „Ansehens des
Reiches" ritterlich annahm. Ob er selbst imstande gewesen ist, dabei den Ernst zu
bewahren, ist uoch uicht einmal die interessanteste Frage, die Gesichter der von ihm
angeführten Herren würden wir gern verewigt haben! Die Getreuesten werden wohl
von dieser überraschenden Wendung unterrichtet gewesen sein und daher ihre Ge¬
sichtsmuskeln beherrscht haben. Einige mögen alles, was ihr Hauptmann vorbringt,
für bare Münze nehmen und daher auch diesmal mit ehrfurchtsvoller Bewunde¬
rung zugehört haben. Vlber noch andre können doch an ihrem Herrn und Meister
^'re geworden sein, der plötzlich seinen erhabnen Standpunkt, hoch über allen deu
»ntioualeu Schwächen, an denen nur übrigen leiden, zu verlasse» schien! deren
Verblüffung muß sich recht ergötzlich ausgenommen haben. Auch hat er vermutlich
selbst das Bedürfnis gefühlt, die Myrmidonen wieder zu beruhigen. Das eigne
Ansehen ist einem doch näher als das Ansehen des Reiches. Und so wurde denn
l'ni der Niger-Company und bei Samoa die Gelegenheit frisch vom Zaune ge
»rochen, zu zeigen, daß die alte internationale Gesinnnngstiichtigkeit noch keinen
Schaden genommen hat. Eine Reihe befriedigt schmunzelnder Gesichter würde da
wieder ein sehr hübsches Bild gegeben haben.
Wie schade ferner, daß kein Detektivapparat i» Thätigkeit war, als bei der
Feier für Weinhold Herr Birchow die Anniesenden durch die Entdeckung erfreute,
daß die Geschichte unsre Lehrmeisterin sein soll. Für ihn war das augen¬
scheinlich eine Entdeckung. Und so viel man von dem Manne auch gewohnt ist,
den Gustav Schwetscht'e schon als toe^ax omiribnu An estan se >>nilnnAÜun a.Ili»
chnrnkterisirte: gerade aus seinem Munde jene Sentenz vernehmen zu müssen, das
l>al auf die Hörer eine unwiderstehliche Wirkung geübt.
Seien wir übrigens nicht Parteiisch. Die Versammlungen konservativer Wähler
"l Berlin, die, obwohl längst über das Alter jenes Knaben hinaus, der seine er-
frornen Finger als gerechte Strafe für seinen ihm keine Handschuhe laufenden Vater
ansah, doch beschlossen, gar nicht mehr mitzuspielen, weil sie nicht die erste Geige
spielen können, sie wären auch des Photographirens wert gewesen. Früher hielten
wir Herrn Adolf Wagner für einen Politiker, und müssen ihm nun Abbitte leisten:
er ist auch nur — Mitglied einer Partei. Ob die Verwaltung der Stadt Berlin
ilänzlich in die Hände von Anhängern einer Partei gelangt, die er nach seinen
Überzeugungen immer und überall bekämpfen muß, ob die Reichöhnuptstndt deu
feinen Ruf erhält, daß in ihr nur noch Richter und Singer kvnimandiren, das
thut nichts! Seine Partei ist „böse," sie steht maulend im Winkel, und dieses
ebenso patriotische wie imponirende Verhalten findet die volle Billigung ihres
Führers, des Geheimen Rates und Professors der Nationalökonomie Adolf Wagner, ja
er lehrt ausdrücklich die politische Weisheit: „Es ist meinem Vater ganz recht», f. w."
Wie mag sein alter Widerpart, Herr Alexander Meyer, darüber gelacht haben.
Wir aber hätten gern eine Photographie auch dieser Persammlung von Staats¬
männern !
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