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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

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Geschichte, die nicht nur nicht erkennen läßt, was davon mir lind was ihm
angehört, sondern die dadurch, daß sie an wichtigen Punkten meine Auffassung
stillschweigend durch eine andre ersetzt, die Hauptergebnisse meines Buches
geradezu unterdrückt. Im zweiten Teil aber bekämpft er einige meiner
Äußerungen in einer Weise, die erst recht geeignet ist, den eigentlichen Kern
unsrer Meinungsverschiedenheit zu verdunkeln.

Was Gerland über den Begriff des verantwortlichen Redakteurs, über
dessen Geschichte sowie über die Geschichte seiner Haftpflicht mitteilt, beruht durch¬
weg ans einer, wenn auch nicht immer genauen Wiedergabe meiner Untersuchungen.
Dagegen stehen die Angaben des Verfassers über deu Inhalt dieser Haftpflicht,
über die Art und Weise der Strafbnrkcit des verantwortlichen Redakteurs nach
dem heute geltenden Preßrecht, also über das, was gerade den Hauptgegenstand
meiner Arbeit ausmachte, im allerschärfsten Gegensatz zu dieser. Der Verfasser
vertritt hier gerade die Ansicht, die ich als unrichtig bekämpft, die ich aus dem
Zusammenhange des Reichspreßgesetzes selbst, aus seiner Geschichte wie aus
der geschichtlichen Entwicklung der ganzen modernen Preßgesetzgebnng in aus¬
führlichster Weise als unhaltbar und unmöglich nachzuweisen versucht habe,
ohne von dem allen auch nur ein Wort zu erwähnen lind ohne auf meine
Gegengründe im geringsten einzugehen, geschweige denn daß er eine selbständige
Begründung seiner Ansicht unternommen hätte. Von dem Hauptinhalte meines
Buches, von den Ergebnissen, ans deren Gewinnung alle darin enthaltenen
Einzeluntersuchungen abzielen, erführe also der Leser überhaupt nichts. Wohl
aber wird er hierdurch zu der Meinung verleitet, daß bezüglich der Haftung
des verantwortlichen Redakteurs nach heutigem Preßrecht ein Zweifel nicht be¬
stehe, und daß die Ansicht des Verfassers, um deren Bekämpfung willen ich
jenes Buch geschrieben habe, auch meine Ansicht sei.

Ich muß, um dem Leser verständlich zu werden, auf den Inhalt dieser
Meinungsverschiedenheit etwas näher eingehen.

Nach der bisherigen, vom Reichsgericht und nun auch von Gerland ver¬
tretene" Ansicht hat der verantwortliche Redakteur einer periodischen Druckschrift
für die darin enthaltenen strafbaren Äußerungen - abgesehen von wenigen
Ausnahmefällen -- stets mit der vollen Strafe des verübten Verbrechens wie
ein Thäter zu haften, gleichviel ob er dieses Verbrechen selbst begangen, d. h.
die Veröffentlichung der strafbaren Äußerung selbst ans eignem Willen bewirkt
hat, ob er also wirklich der Thäter^ist oder nicht; ja gleichviel sogar, ob er
von dieser Veröffentlichung in seinen: Blatte auch nur etwas gewußt hat oder
nicht. Denn, sagt man, wenn er eine solche strafbare Veröffentlichung auch
nicht selbst bewirkt oder nichts davon gewußt hat, so wäre es doch seine Pflicht
als Redakteur gewesen, sich darum zu kümmern und die Veröffentlichung zu
verhindern; er ist dann eben strafbar wegen Verletzung dieser seiner Redakteur-
Pflicht, und zwar ebenso, als wen" er wirklicher Thäter wäre. Die volle


Geschichte, die nicht nur nicht erkennen läßt, was davon mir lind was ihm
angehört, sondern die dadurch, daß sie an wichtigen Punkten meine Auffassung
stillschweigend durch eine andre ersetzt, die Hauptergebnisse meines Buches
geradezu unterdrückt. Im zweiten Teil aber bekämpft er einige meiner
Äußerungen in einer Weise, die erst recht geeignet ist, den eigentlichen Kern
unsrer Meinungsverschiedenheit zu verdunkeln.

Was Gerland über den Begriff des verantwortlichen Redakteurs, über
dessen Geschichte sowie über die Geschichte seiner Haftpflicht mitteilt, beruht durch¬
weg ans einer, wenn auch nicht immer genauen Wiedergabe meiner Untersuchungen.
Dagegen stehen die Angaben des Verfassers über deu Inhalt dieser Haftpflicht,
über die Art und Weise der Strafbnrkcit des verantwortlichen Redakteurs nach
dem heute geltenden Preßrecht, also über das, was gerade den Hauptgegenstand
meiner Arbeit ausmachte, im allerschärfsten Gegensatz zu dieser. Der Verfasser
vertritt hier gerade die Ansicht, die ich als unrichtig bekämpft, die ich aus dem
Zusammenhange des Reichspreßgesetzes selbst, aus seiner Geschichte wie aus
der geschichtlichen Entwicklung der ganzen modernen Preßgesetzgebnng in aus¬
führlichster Weise als unhaltbar und unmöglich nachzuweisen versucht habe,
ohne von dem allen auch nur ein Wort zu erwähnen lind ohne auf meine
Gegengründe im geringsten einzugehen, geschweige denn daß er eine selbständige
Begründung seiner Ansicht unternommen hätte. Von dem Hauptinhalte meines
Buches, von den Ergebnissen, ans deren Gewinnung alle darin enthaltenen
Einzeluntersuchungen abzielen, erführe also der Leser überhaupt nichts. Wohl
aber wird er hierdurch zu der Meinung verleitet, daß bezüglich der Haftung
des verantwortlichen Redakteurs nach heutigem Preßrecht ein Zweifel nicht be¬
stehe, und daß die Ansicht des Verfassers, um deren Bekämpfung willen ich
jenes Buch geschrieben habe, auch meine Ansicht sei.

Ich muß, um dem Leser verständlich zu werden, auf den Inhalt dieser
Meinungsverschiedenheit etwas näher eingehen.

Nach der bisherigen, vom Reichsgericht und nun auch von Gerland ver¬
tretene» Ansicht hat der verantwortliche Redakteur einer periodischen Druckschrift
für die darin enthaltenen strafbaren Äußerungen - abgesehen von wenigen
Ausnahmefällen — stets mit der vollen Strafe des verübten Verbrechens wie
ein Thäter zu haften, gleichviel ob er dieses Verbrechen selbst begangen, d. h.
die Veröffentlichung der strafbaren Äußerung selbst ans eignem Willen bewirkt
hat, ob er also wirklich der Thäter^ist oder nicht; ja gleichviel sogar, ob er
von dieser Veröffentlichung in seinen: Blatte auch nur etwas gewußt hat oder
nicht. Denn, sagt man, wenn er eine solche strafbare Veröffentlichung auch
nicht selbst bewirkt oder nichts davon gewußt hat, so wäre es doch seine Pflicht
als Redakteur gewesen, sich darum zu kümmern und die Veröffentlichung zu
verhindern; er ist dann eben strafbar wegen Verletzung dieser seiner Redakteur-
Pflicht, und zwar ebenso, als wen» er wirklicher Thäter wäre. Die volle


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/450>, abgerufen am 25.07.2024.