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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

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Die Revolution in Brasilien

Betracht, und wer brasilischen Kaffee mag, wird ihn zu den Preisen trinken, die der
Markt bestimmt, gleichviel, ob er sich kaiserlichen oder republikanischen Kaffee
nennen läßt. Ein größeres Interesse könnten nur die vielen im selten der
neuen Republik angesiedelten Deutschen einflößen; aber sie haben das Vater¬
land hinter sich gelassen und eine neue Heimat gewühlt, und möge" nun sehen,
wie sie mit ihr zurecht kommen, nachdem sie ein andres Geficht aufgesetzt hat.
Wichtiger ist das Interesse, das England um einer gedeihlichen Entwicklung
der Republik Brasilien hat. Die Form des Staates kann ihm dabei so gleich-
giltig wie uus sein, wenn nur der Staatskredit und die vertragsmäßigen Ver¬
pflichtungen bei der Sache keinen Schaden leiden. Von den brasilischen Papieren
befinden sich etwa sür 800 Millionen Mark in den Händen von Engländern,
und die Handelsbeziehungen zwischen den beiden Ländern sind sehr ausgedehnt.
Nach den neuesten Nachrichten ist in dieser Hinsicht nichts zu befürchten. Die
republikanische Regierung wird aber wohlthun, ihren beruhigenden Erklärungen
in dieser Richtung bald die folgen zu lassen, daß sie die freundschaftlichen
Beziehungen der kaiserlichen zu allen fremden Staaten aufrecht zu erhalten
entschlossen ist. Ihre einzige Pflicht wird nach Befestigung der neuen Staats¬
einrichtung in Janeiro in der möglichst raschen Erschließung der Hilfsquellen
des Landes liegen. Ob bei der dünnen weißen Bevölkerung des Landes die
Befreiung der Schwarzen von der Arbeit, die sie mißbrauchen, sich mit
dieser Aufgabe vertragen wird, ist sehr die Frage. Keine Frage aber ist es,
daß Brasilien mit energischer Arbeit sich zu großartiger Blüte entwickeln läßt,
und das weiße Arbeiter sich aus Gründen, die vorzüglich im Klima liegen
und folglich nicht zu beseitigen sind, niemals in genügender Zahl finden
werden. Weit eher ist auf Zuströmen fremden Kapitals zu rechnen, und es
dürfte möglich sein, mit dessen Hilfe die der tropischen Landwirtschaft nötige
Menschenkraft wenigstens zum großen Teil durch Maschinen zu ersetzen. Wir
schließen mit guten Wünschen für das verwandelte Land, selbstverständlich nicht
weil, sondern trotzdem daß es eine Republik geworden ist -- mit guten
Wünschen, aber vorläufig nur mit mäßigen und bedingten Hoffnungen.




Grenzbvte" IV 188955.
Die Revolution in Brasilien

Betracht, und wer brasilischen Kaffee mag, wird ihn zu den Preisen trinken, die der
Markt bestimmt, gleichviel, ob er sich kaiserlichen oder republikanischen Kaffee
nennen läßt. Ein größeres Interesse könnten nur die vielen im selten der
neuen Republik angesiedelten Deutschen einflößen; aber sie haben das Vater¬
land hinter sich gelassen und eine neue Heimat gewühlt, und möge» nun sehen,
wie sie mit ihr zurecht kommen, nachdem sie ein andres Geficht aufgesetzt hat.
Wichtiger ist das Interesse, das England um einer gedeihlichen Entwicklung
der Republik Brasilien hat. Die Form des Staates kann ihm dabei so gleich-
giltig wie uus sein, wenn nur der Staatskredit und die vertragsmäßigen Ver¬
pflichtungen bei der Sache keinen Schaden leiden. Von den brasilischen Papieren
befinden sich etwa sür 800 Millionen Mark in den Händen von Engländern,
und die Handelsbeziehungen zwischen den beiden Ländern sind sehr ausgedehnt.
Nach den neuesten Nachrichten ist in dieser Hinsicht nichts zu befürchten. Die
republikanische Regierung wird aber wohlthun, ihren beruhigenden Erklärungen
in dieser Richtung bald die folgen zu lassen, daß sie die freundschaftlichen
Beziehungen der kaiserlichen zu allen fremden Staaten aufrecht zu erhalten
entschlossen ist. Ihre einzige Pflicht wird nach Befestigung der neuen Staats¬
einrichtung in Janeiro in der möglichst raschen Erschließung der Hilfsquellen
des Landes liegen. Ob bei der dünnen weißen Bevölkerung des Landes die
Befreiung der Schwarzen von der Arbeit, die sie mißbrauchen, sich mit
dieser Aufgabe vertragen wird, ist sehr die Frage. Keine Frage aber ist es,
daß Brasilien mit energischer Arbeit sich zu großartiger Blüte entwickeln läßt,
und das weiße Arbeiter sich aus Gründen, die vorzüglich im Klima liegen
und folglich nicht zu beseitigen sind, niemals in genügender Zahl finden
werden. Weit eher ist auf Zuströmen fremden Kapitals zu rechnen, und es
dürfte möglich sein, mit dessen Hilfe die der tropischen Landwirtschaft nötige
Menschenkraft wenigstens zum großen Teil durch Maschinen zu ersetzen. Wir
schließen mit guten Wünschen für das verwandelte Land, selbstverständlich nicht
weil, sondern trotzdem daß es eine Republik geworden ist — mit guten
Wünschen, aber vorläufig nur mit mäßigen und bedingten Hoffnungen.




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[0441] Die Revolution in Brasilien Betracht, und wer brasilischen Kaffee mag, wird ihn zu den Preisen trinken, die der Markt bestimmt, gleichviel, ob er sich kaiserlichen oder republikanischen Kaffee nennen läßt. Ein größeres Interesse könnten nur die vielen im selten der neuen Republik angesiedelten Deutschen einflößen; aber sie haben das Vater¬ land hinter sich gelassen und eine neue Heimat gewühlt, und möge» nun sehen, wie sie mit ihr zurecht kommen, nachdem sie ein andres Geficht aufgesetzt hat. Wichtiger ist das Interesse, das England um einer gedeihlichen Entwicklung der Republik Brasilien hat. Die Form des Staates kann ihm dabei so gleich- giltig wie uus sein, wenn nur der Staatskredit und die vertragsmäßigen Ver¬ pflichtungen bei der Sache keinen Schaden leiden. Von den brasilischen Papieren befinden sich etwa sür 800 Millionen Mark in den Händen von Engländern, und die Handelsbeziehungen zwischen den beiden Ländern sind sehr ausgedehnt. Nach den neuesten Nachrichten ist in dieser Hinsicht nichts zu befürchten. Die republikanische Regierung wird aber wohlthun, ihren beruhigenden Erklärungen in dieser Richtung bald die folgen zu lassen, daß sie die freundschaftlichen Beziehungen der kaiserlichen zu allen fremden Staaten aufrecht zu erhalten entschlossen ist. Ihre einzige Pflicht wird nach Befestigung der neuen Staats¬ einrichtung in Janeiro in der möglichst raschen Erschließung der Hilfsquellen des Landes liegen. Ob bei der dünnen weißen Bevölkerung des Landes die Befreiung der Schwarzen von der Arbeit, die sie mißbrauchen, sich mit dieser Aufgabe vertragen wird, ist sehr die Frage. Keine Frage aber ist es, daß Brasilien mit energischer Arbeit sich zu großartiger Blüte entwickeln läßt, und das weiße Arbeiter sich aus Gründen, die vorzüglich im Klima liegen und folglich nicht zu beseitigen sind, niemals in genügender Zahl finden werden. Weit eher ist auf Zuströmen fremden Kapitals zu rechnen, und es dürfte möglich sein, mit dessen Hilfe die der tropischen Landwirtschaft nötige Menschenkraft wenigstens zum großen Teil durch Maschinen zu ersetzen. Wir schließen mit guten Wünschen für das verwandelte Land, selbstverständlich nicht weil, sondern trotzdem daß es eine Republik geworden ist — mit guten Wünschen, aber vorläufig nur mit mäßigen und bedingten Hoffnungen. Grenzbvte» IV 188955.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/441>, abgerufen am 22.12.2024.