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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

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Lif Zähre ini Balkan

gor, wie der Kommandeur der ostrumelischen Pio"iertv">pag"le, Hauptmami
Iisatis, als Haupt einer Räuberbande. Er erschoß sich, als er sich als Mörder
der Frau Skobelew, der Mutter des jungen Generals dieses Namens, entdeckt
glaubte. Die Koffer und Handtaschen der Dame waren erbrochen gesunde"
worden, in den Taschen des Mörders und Selbstmörders fand man aber nur
drei Rubel i ein Leutnant der turkestanischen Artillerie hatte nämlich die
Gendarmen aus der Mühle, wo Usatis sich umgebracht hatte, fortgeschickt!
Bald darauf nahm er seinen Abschied. Dem gegenüber klingt es noch sehr
mild, wenn bereits 1881 ein Abgeordneter in einer Sitzung des Landtags zu
Philippopel die Ohnmacht des Fürstentums darauf zurückführte, daß die russi¬
schen Offiziere die bulgarischen verachteten, die bulgarischen aber allen Grund
hätten, die russischen Führer zu verachten.

Diese Äußerung bezog sich auf die vergeblichem Bemtthuugeu, deu Pvmaken
den Herrn zu zeigen. Wer die Pvmaken sind, dürfte nur wenigen Zeitungs-
lesern noch in Erinnerung sein, wir wenigstens bekennen, daß wir es gänzlich
vergessen hatte", bis wir hier wieder lernten, daß so jene im siebzehnten Jahr¬
hundert zum Islam übergetretenen Bulgaren genannt werden, die dem Berliner
Bertrage, durch den sie Ostrumelien zugeteilt worden waren, zuerst passiven,
dann aber sehr aktiven Widerstand entgegensetzten. Sie verdankten dem Religions¬
wechsel ihrer Boreltern eine bevorzugte Stellung, "zahlten keine Steuern, hatten
eigne Polizei, eigne Gerichtsbarkeit ohne geschriebene Gesetze und als Haupt
einen unter den Großen ihrer Dörfer gewählten Bey"; im Kriegsfalle stellten
sie freiwillig eine durch Tapferkeit ausgezeichnete Schar, und im Frieden
brandschatzten sie gern ihre christlichen Stammesbrüder. Wie sie den leiseste"
Versuch einer türkischen Behörde, ihre Unabhängigkeit anzutasten, zurückwiese",
zeigt eine von unserm Verfasser erzählte Episode'aus dem Jahre 1845. In
den Jahren 1876 bis 1878 wüteten muhammedanische und christliche Bulgaren
gegen einander, die Russen waren nicht imstande, die Pvmaken in ihren Fclsen-
burgen des Rhvdopegebirges zu bezwingen, noch weniger konnte dies den
Rumelioten gelingen, und die Pvmakenfrage wurde endlich auf der Konstanti-
"opeler Konferenz ans die natürlichste Weise gelöst, d. h. durch Rückgabe des
Gebietes an die Türkei.

Die Vereinigung der beiden Bulgarien brachte den Verfasser in die Dienste
des Fürsten Alexander. Er -- wie fast alle, die dem ersten Fürsten von
Bulgarien nähergetreten sind -- ist entschieden von ihm eingenommen. Er
nimmt ihn gegen die russischen Anschuldigungen in Schutz und erkennt nnr
als richtig an, daß seine Bemühungen, Bulgarien auf eigue Füße zu stellen,
die Absichten Nußlnuds durchkreuzten. Die Einheitsbewegung, auch die Au-
schlußneigungen in Macedonien seien von den Russen lebhaft begünstigt worden,
weil sie hoffte", der Batteuberger werde dabei über Bord gehe". Schon die
Anwesenheit des Militärattaches i" Philippvpel, des Obersten Tschitschagov,


Lif Zähre ini Balkan

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Iisatis, als Haupt einer Räuberbande. Er erschoß sich, als er sich als Mörder
der Frau Skobelew, der Mutter des jungen Generals dieses Namens, entdeckt
glaubte. Die Koffer und Handtaschen der Dame waren erbrochen gesunde»
worden, in den Taschen des Mörders und Selbstmörders fand man aber nur
drei Rubel i ein Leutnant der turkestanischen Artillerie hatte nämlich die
Gendarmen aus der Mühle, wo Usatis sich umgebracht hatte, fortgeschickt!
Bald darauf nahm er seinen Abschied. Dem gegenüber klingt es noch sehr
mild, wenn bereits 1881 ein Abgeordneter in einer Sitzung des Landtags zu
Philippopel die Ohnmacht des Fürstentums darauf zurückführte, daß die russi¬
schen Offiziere die bulgarischen verachteten, die bulgarischen aber allen Grund
hätten, die russischen Führer zu verachten.

Diese Äußerung bezog sich auf die vergeblichem Bemtthuugeu, deu Pvmaken
den Herrn zu zeigen. Wer die Pvmaken sind, dürfte nur wenigen Zeitungs-
lesern noch in Erinnerung sein, wir wenigstens bekennen, daß wir es gänzlich
vergessen hatte», bis wir hier wieder lernten, daß so jene im siebzehnten Jahr¬
hundert zum Islam übergetretenen Bulgaren genannt werden, die dem Berliner
Bertrage, durch den sie Ostrumelien zugeteilt worden waren, zuerst passiven,
dann aber sehr aktiven Widerstand entgegensetzten. Sie verdankten dem Religions¬
wechsel ihrer Boreltern eine bevorzugte Stellung, „zahlten keine Steuern, hatten
eigne Polizei, eigne Gerichtsbarkeit ohne geschriebene Gesetze und als Haupt
einen unter den Großen ihrer Dörfer gewählten Bey"; im Kriegsfalle stellten
sie freiwillig eine durch Tapferkeit ausgezeichnete Schar, und im Frieden
brandschatzten sie gern ihre christlichen Stammesbrüder. Wie sie den leiseste»
Versuch einer türkischen Behörde, ihre Unabhängigkeit anzutasten, zurückwiese»,
zeigt eine von unserm Verfasser erzählte Episode'aus dem Jahre 1845. In
den Jahren 1876 bis 1878 wüteten muhammedanische und christliche Bulgaren
gegen einander, die Russen waren nicht imstande, die Pvmaken in ihren Fclsen-
burgen des Rhvdopegebirges zu bezwingen, noch weniger konnte dies den
Rumelioten gelingen, und die Pvmakenfrage wurde endlich auf der Konstanti-
»opeler Konferenz ans die natürlichste Weise gelöst, d. h. durch Rückgabe des
Gebietes an die Türkei.

Die Vereinigung der beiden Bulgarien brachte den Verfasser in die Dienste
des Fürsten Alexander. Er — wie fast alle, die dem ersten Fürsten von
Bulgarien nähergetreten sind — ist entschieden von ihm eingenommen. Er
nimmt ihn gegen die russischen Anschuldigungen in Schutz und erkennt nnr
als richtig an, daß seine Bemühungen, Bulgarien auf eigue Füße zu stellen,
die Absichten Nußlnuds durchkreuzten. Die Einheitsbewegung, auch die Au-
schlußneigungen in Macedonien seien von den Russen lebhaft begünstigt worden,
weil sie hoffte», der Batteuberger werde dabei über Bord gehe». Schon die
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/341>, abgerufen am 04.07.2024.