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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

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Immermanns Theaterleitimg

Immermann ein weitaus wichtigeres Ehrenwort gegeben hatte, von dessen Ein¬
haltung das Glück einer mit ihm mehr als fünfzehn Jahre zusammenlebenden
bedeutenden Frau abhing, und Immermanns Existenz weder künstlerisch noch
sonstwie in dem Maße gefährdet war, wie es bei Mendelssohn der Fall war,
lind dennoch weiß es Fellner nachsichtig zu beurteilen. Besser gethan hätte er
freilich diese Privatsache so wie Putlitz zu verschweige". Jedenfalls muß man
Gerechtigkeit nach allen Seiten üben und nicht nach dem Vorgang Richard
Wagners Mendelssohn angreifen, weil man den Trumpf ausspielen will, daß
sich in beiden Männern "nntionale"^Gegensätze verkörpert hätten, daß Immer¬
mann das deutsche Rechtsgefühl vertrete, Mendelssohn nicht. Wenn irgend
etwas diese Auslegung widerlegt, so ist es die von Fellner absichtlich ver¬
schwiegne Thatsache (denn er muß sie ja kennen, da er die Briefe Mendels¬
sohns anführt), daß Mendelssohns eigner Vater seine Handlungsweise in der
Theatersache getadelt hat.

Wie weit sich Fellner den Blick hat trüben lassen, beweist nachfolgende
Bemerkung, Immermann verzeichnet im Diarium vom 13. Februar 1835:
"Ich habe das Resultat der Einnahmen und Ausgaben des Schauspiels und
der Oper bis zum letzten Januar extrcchiren lassen; darnach hat das Schauspiel
über 6000 Thaler, die Oper etwas über 4000 Thaler eingebracht. Dagegen
hat das Schauspiel circa 1!"00 Thaler weniger als seine Einnahme, die Oper
circa 480 Thaler mehr als ihre Einnahme gekostet." Natürlich! Denn das
Schauspiel hatte weniger Dekorativns- und Gagenkosten, wurde auch häusiger
gespielt als die Oper. Das sieht aber Fellner nicht, sondern macht dazu die
Bemerkung: "Demnach ist der Ausspruch F. Mendelssohns: "Die Opern sind
alle ganz voll, die Schauspiele aber nicht, sodaß den Aktionären zuweilen ein
bischen bang wird" eine wirkliche Entstellung der Thatsachen." Warum denn?
Welches Interesse hätte denn Mendelssohn gehabt, so kleinlich zu. lügen?
Fellners Haß kennt keine Grenzen. Nur daraus läßt sich auch die ganz
unglaubliche Wendung erklären: "Als nach dem Bruche mit Mendelssohn die
Zweideutigkeit ^so! als ob die gewechselten Briefe nicht klar gewesen wären!j
abgethan hinter Immermann lag ^was nicht zutreffend ist, denn Jmmerman
hat noch jahrelang später dein Komponisten gezürntj, hoffte dieser, daß Grabbe
die Lücke ausfüllen würde." Was? Grabbe, der sich um Almosen bettelnd
an Immermann wandte und dankbar Rollenabschriften übernahm, sollte die
Lücke, Mendelssohns hinterlassen, ausfüllen? An solchen Phrasen mangelt
es dem Buche Felluers auch sonst nicht. Es ist eine fleißige Arbeit, mit
Begeisterung für Immermann geschrieben, vielfach verdienstlich, aber ebenso
oft unkritisch. Es wird z. B. niemand mehr die von Fellner so bewunderte
Zusanunenstreichung vou Schillers Wallenstein-Trilogie auf ein fünfaktiges,
nur einen Abend füllendes Stück gutheißen, mau wird bei aller Hoch¬
achtung Immermanns seine romantischen Neigungen (zu Calderon, Tieck) nicht


Immermanns Theaterleitimg

Immermann ein weitaus wichtigeres Ehrenwort gegeben hatte, von dessen Ein¬
haltung das Glück einer mit ihm mehr als fünfzehn Jahre zusammenlebenden
bedeutenden Frau abhing, und Immermanns Existenz weder künstlerisch noch
sonstwie in dem Maße gefährdet war, wie es bei Mendelssohn der Fall war,
lind dennoch weiß es Fellner nachsichtig zu beurteilen. Besser gethan hätte er
freilich diese Privatsache so wie Putlitz zu verschweige». Jedenfalls muß man
Gerechtigkeit nach allen Seiten üben und nicht nach dem Vorgang Richard
Wagners Mendelssohn angreifen, weil man den Trumpf ausspielen will, daß
sich in beiden Männern „nntionale"^Gegensätze verkörpert hätten, daß Immer¬
mann das deutsche Rechtsgefühl vertrete, Mendelssohn nicht. Wenn irgend
etwas diese Auslegung widerlegt, so ist es die von Fellner absichtlich ver¬
schwiegne Thatsache (denn er muß sie ja kennen, da er die Briefe Mendels¬
sohns anführt), daß Mendelssohns eigner Vater seine Handlungsweise in der
Theatersache getadelt hat.

Wie weit sich Fellner den Blick hat trüben lassen, beweist nachfolgende
Bemerkung, Immermann verzeichnet im Diarium vom 13. Februar 1835:
„Ich habe das Resultat der Einnahmen und Ausgaben des Schauspiels und
der Oper bis zum letzten Januar extrcchiren lassen; darnach hat das Schauspiel
über 6000 Thaler, die Oper etwas über 4000 Thaler eingebracht. Dagegen
hat das Schauspiel circa 1!»00 Thaler weniger als seine Einnahme, die Oper
circa 480 Thaler mehr als ihre Einnahme gekostet." Natürlich! Denn das
Schauspiel hatte weniger Dekorativns- und Gagenkosten, wurde auch häusiger
gespielt als die Oper. Das sieht aber Fellner nicht, sondern macht dazu die
Bemerkung: „Demnach ist der Ausspruch F. Mendelssohns: »Die Opern sind
alle ganz voll, die Schauspiele aber nicht, sodaß den Aktionären zuweilen ein
bischen bang wird« eine wirkliche Entstellung der Thatsachen." Warum denn?
Welches Interesse hätte denn Mendelssohn gehabt, so kleinlich zu. lügen?
Fellners Haß kennt keine Grenzen. Nur daraus läßt sich auch die ganz
unglaubliche Wendung erklären: „Als nach dem Bruche mit Mendelssohn die
Zweideutigkeit ^so! als ob die gewechselten Briefe nicht klar gewesen wären!j
abgethan hinter Immermann lag ^was nicht zutreffend ist, denn Jmmerman
hat noch jahrelang später dein Komponisten gezürntj, hoffte dieser, daß Grabbe
die Lücke ausfüllen würde." Was? Grabbe, der sich um Almosen bettelnd
an Immermann wandte und dankbar Rollenabschriften übernahm, sollte die
Lücke, Mendelssohns hinterlassen, ausfüllen? An solchen Phrasen mangelt
es dem Buche Felluers auch sonst nicht. Es ist eine fleißige Arbeit, mit
Begeisterung für Immermann geschrieben, vielfach verdienstlich, aber ebenso
oft unkritisch. Es wird z. B. niemand mehr die von Fellner so bewunderte
Zusanunenstreichung vou Schillers Wallenstein-Trilogie auf ein fünfaktiges,
nur einen Abend füllendes Stück gutheißen, mau wird bei aller Hoch¬
achtung Immermanns seine romantischen Neigungen (zu Calderon, Tieck) nicht


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[0336] Immermanns Theaterleitimg Immermann ein weitaus wichtigeres Ehrenwort gegeben hatte, von dessen Ein¬ haltung das Glück einer mit ihm mehr als fünfzehn Jahre zusammenlebenden bedeutenden Frau abhing, und Immermanns Existenz weder künstlerisch noch sonstwie in dem Maße gefährdet war, wie es bei Mendelssohn der Fall war, lind dennoch weiß es Fellner nachsichtig zu beurteilen. Besser gethan hätte er freilich diese Privatsache so wie Putlitz zu verschweige». Jedenfalls muß man Gerechtigkeit nach allen Seiten üben und nicht nach dem Vorgang Richard Wagners Mendelssohn angreifen, weil man den Trumpf ausspielen will, daß sich in beiden Männern „nntionale"^Gegensätze verkörpert hätten, daß Immer¬ mann das deutsche Rechtsgefühl vertrete, Mendelssohn nicht. Wenn irgend etwas diese Auslegung widerlegt, so ist es die von Fellner absichtlich ver¬ schwiegne Thatsache (denn er muß sie ja kennen, da er die Briefe Mendels¬ sohns anführt), daß Mendelssohns eigner Vater seine Handlungsweise in der Theatersache getadelt hat. Wie weit sich Fellner den Blick hat trüben lassen, beweist nachfolgende Bemerkung, Immermann verzeichnet im Diarium vom 13. Februar 1835: „Ich habe das Resultat der Einnahmen und Ausgaben des Schauspiels und der Oper bis zum letzten Januar extrcchiren lassen; darnach hat das Schauspiel über 6000 Thaler, die Oper etwas über 4000 Thaler eingebracht. Dagegen hat das Schauspiel circa 1!»00 Thaler weniger als seine Einnahme, die Oper circa 480 Thaler mehr als ihre Einnahme gekostet." Natürlich! Denn das Schauspiel hatte weniger Dekorativns- und Gagenkosten, wurde auch häusiger gespielt als die Oper. Das sieht aber Fellner nicht, sondern macht dazu die Bemerkung: „Demnach ist der Ausspruch F. Mendelssohns: »Die Opern sind alle ganz voll, die Schauspiele aber nicht, sodaß den Aktionären zuweilen ein bischen bang wird« eine wirkliche Entstellung der Thatsachen." Warum denn? Welches Interesse hätte denn Mendelssohn gehabt, so kleinlich zu. lügen? Fellners Haß kennt keine Grenzen. Nur daraus läßt sich auch die ganz unglaubliche Wendung erklären: „Als nach dem Bruche mit Mendelssohn die Zweideutigkeit ^so! als ob die gewechselten Briefe nicht klar gewesen wären!j abgethan hinter Immermann lag ^was nicht zutreffend ist, denn Jmmerman hat noch jahrelang später dein Komponisten gezürntj, hoffte dieser, daß Grabbe die Lücke ausfüllen würde." Was? Grabbe, der sich um Almosen bettelnd an Immermann wandte und dankbar Rollenabschriften übernahm, sollte die Lücke, Mendelssohns hinterlassen, ausfüllen? An solchen Phrasen mangelt es dem Buche Felluers auch sonst nicht. Es ist eine fleißige Arbeit, mit Begeisterung für Immermann geschrieben, vielfach verdienstlich, aber ebenso oft unkritisch. Es wird z. B. niemand mehr die von Fellner so bewunderte Zusanunenstreichung vou Schillers Wallenstein-Trilogie auf ein fünfaktiges, nur einen Abend füllendes Stück gutheißen, mau wird bei aller Hoch¬ achtung Immermanns seine romantischen Neigungen (zu Calderon, Tieck) nicht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/336>, abgerufen am 22.12.2024.