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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

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Nochmals die Getreidezölle und die Notlage der östlichen Provinzen

Orleans, Se. Quentin, Belfort u. s, w, gegenüberstanden, und gewiß gehört eine
große Verworfenheit dazu, in Deutschland "geflissentlich" die Meinung zu ver¬
breiten, daß Frankreich nur auf eine günstige Gelegenheit zum Kriege warte.
Es ist ja richtig, daß von dem letzten Journalisten bis zu den ersten Ministern
jedermann eine Sprache führt, die ans solche Absicht hinzudeuten scheint, allein
derartige Scherze darf man doch ebenso wenig ernst nehmen wie die furcht¬
baren Rüstungen!

Wer doch auch so glücklich wäre, zum "Volke" zu gehören, d. h. zu den
Wühlern, die mit Stolz Staatsmänner wie Richter und Bebel ihre Vertreter
nennen dürfen!




Nochmals die Getreidezölle
und die Notlage der östlichen Provinzen

nsre in Ur. 26 der Grenzboten veröffentlichte Abhandlung "Ost¬
preußen und die Getreidezölle" hat die verschiedenartigste Be¬
urteilung gefunden und, wie bei der Objektivität unsrer Darstellung
zu erwarten war, kaum einer Partei genügt. Der geführte Be¬
weis, daß die geforderte Aufhebung des Identitätsnachweises ein
Truggebilde ist, dessen Verwirklichung unmöglich erscheint, befriedigt weder die
Agrarier noch die Freihandelsleute der Seestädte, und unsre Vorschläge zur
Beseitigung der unbestrittenen Notlage der ostdeutschen Landwirtschaft haben
ebenfalls Anfeindungen erlitten. Auf eine Ermäßigung des Roggenzolles wollen
die Agrarier, auf eine Erhöhung des Weizenzolles alle übrigen Parteien nicht
eingehen. Die Sozialdemokraten fordern Abschaffung aller Getreide- und
Nahrungsmittclzölle, und in dem jetzt lagerten Reichstage sind die lebhaftesten
Verhandlungen betreffs der Kornzölle zu erwarten. Der Staatssekretär des
Reichsschatzamts, Herr von Maltznhn-Gültz, hat bereits bei der ersten Beratung
des Etats erklärt, daß die Kornzölle im laufenden Etatsjahre die hohe Summe
von siebzig bis achtzig Millionen Mark einbringen würden, und nicht bloß die
ReichstngSabgeordncten, sondern alle Politiker sind von der volkswirtschaftlichen
und finanziellen Bedeutung gerade dieser Zölle jetzt noch mehr als früher über¬
zeugt. Das finanzielle Ergebnis wird die Erwartungen des Herrn von Maltznhn
im laufenden Etatsjahre noch bedeutend übertreffen, da er die völlige Miß-


Nochmals die Getreidezölle und die Notlage der östlichen Provinzen

Orleans, Se. Quentin, Belfort u. s, w, gegenüberstanden, und gewiß gehört eine
große Verworfenheit dazu, in Deutschland „geflissentlich" die Meinung zu ver¬
breiten, daß Frankreich nur auf eine günstige Gelegenheit zum Kriege warte.
Es ist ja richtig, daß von dem letzten Journalisten bis zu den ersten Ministern
jedermann eine Sprache führt, die ans solche Absicht hinzudeuten scheint, allein
derartige Scherze darf man doch ebenso wenig ernst nehmen wie die furcht¬
baren Rüstungen!

Wer doch auch so glücklich wäre, zum „Volke" zu gehören, d. h. zu den
Wühlern, die mit Stolz Staatsmänner wie Richter und Bebel ihre Vertreter
nennen dürfen!




Nochmals die Getreidezölle
und die Notlage der östlichen Provinzen

nsre in Ur. 26 der Grenzboten veröffentlichte Abhandlung „Ost¬
preußen und die Getreidezölle" hat die verschiedenartigste Be¬
urteilung gefunden und, wie bei der Objektivität unsrer Darstellung
zu erwarten war, kaum einer Partei genügt. Der geführte Be¬
weis, daß die geforderte Aufhebung des Identitätsnachweises ein
Truggebilde ist, dessen Verwirklichung unmöglich erscheint, befriedigt weder die
Agrarier noch die Freihandelsleute der Seestädte, und unsre Vorschläge zur
Beseitigung der unbestrittenen Notlage der ostdeutschen Landwirtschaft haben
ebenfalls Anfeindungen erlitten. Auf eine Ermäßigung des Roggenzolles wollen
die Agrarier, auf eine Erhöhung des Weizenzolles alle übrigen Parteien nicht
eingehen. Die Sozialdemokraten fordern Abschaffung aller Getreide- und
Nahrungsmittclzölle, und in dem jetzt lagerten Reichstage sind die lebhaftesten
Verhandlungen betreffs der Kornzölle zu erwarten. Der Staatssekretär des
Reichsschatzamts, Herr von Maltznhn-Gültz, hat bereits bei der ersten Beratung
des Etats erklärt, daß die Kornzölle im laufenden Etatsjahre die hohe Summe
von siebzig bis achtzig Millionen Mark einbringen würden, und nicht bloß die
ReichstngSabgeordncten, sondern alle Politiker sind von der volkswirtschaftlichen
und finanziellen Bedeutung gerade dieser Zölle jetzt noch mehr als früher über¬
zeugt. Das finanzielle Ergebnis wird die Erwartungen des Herrn von Maltznhn
im laufenden Etatsjahre noch bedeutend übertreffen, da er die völlige Miß-


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[0308] Nochmals die Getreidezölle und die Notlage der östlichen Provinzen Orleans, Se. Quentin, Belfort u. s, w, gegenüberstanden, und gewiß gehört eine große Verworfenheit dazu, in Deutschland „geflissentlich" die Meinung zu ver¬ breiten, daß Frankreich nur auf eine günstige Gelegenheit zum Kriege warte. Es ist ja richtig, daß von dem letzten Journalisten bis zu den ersten Ministern jedermann eine Sprache führt, die ans solche Absicht hinzudeuten scheint, allein derartige Scherze darf man doch ebenso wenig ernst nehmen wie die furcht¬ baren Rüstungen! Wer doch auch so glücklich wäre, zum „Volke" zu gehören, d. h. zu den Wühlern, die mit Stolz Staatsmänner wie Richter und Bebel ihre Vertreter nennen dürfen! Nochmals die Getreidezölle und die Notlage der östlichen Provinzen nsre in Ur. 26 der Grenzboten veröffentlichte Abhandlung „Ost¬ preußen und die Getreidezölle" hat die verschiedenartigste Be¬ urteilung gefunden und, wie bei der Objektivität unsrer Darstellung zu erwarten war, kaum einer Partei genügt. Der geführte Be¬ weis, daß die geforderte Aufhebung des Identitätsnachweises ein Truggebilde ist, dessen Verwirklichung unmöglich erscheint, befriedigt weder die Agrarier noch die Freihandelsleute der Seestädte, und unsre Vorschläge zur Beseitigung der unbestrittenen Notlage der ostdeutschen Landwirtschaft haben ebenfalls Anfeindungen erlitten. Auf eine Ermäßigung des Roggenzolles wollen die Agrarier, auf eine Erhöhung des Weizenzolles alle übrigen Parteien nicht eingehen. Die Sozialdemokraten fordern Abschaffung aller Getreide- und Nahrungsmittclzölle, und in dem jetzt lagerten Reichstage sind die lebhaftesten Verhandlungen betreffs der Kornzölle zu erwarten. Der Staatssekretär des Reichsschatzamts, Herr von Maltznhn-Gültz, hat bereits bei der ersten Beratung des Etats erklärt, daß die Kornzölle im laufenden Etatsjahre die hohe Summe von siebzig bis achtzig Millionen Mark einbringen würden, und nicht bloß die ReichstngSabgeordncten, sondern alle Politiker sind von der volkswirtschaftlichen und finanziellen Bedeutung gerade dieser Zölle jetzt noch mehr als früher über¬ zeugt. Das finanzielle Ergebnis wird die Erwartungen des Herrn von Maltznhn im laufenden Etatsjahre noch bedeutend übertreffen, da er die völlige Miß-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/308>, abgerufen am 22.12.2024.