Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Junge Liebe

rasende Eifersucht, el" so bitterer Haß überkommen, daß er ihm mehr als
einmal und auf verschiedene Weise in Worten und Handlungen Ausdruck gab.

Im Dorfe erzählte mau sich, daß der Förster sich über seine plötzliche
Nachlässigkeit und sein zügelloses Wesen beklagt habe; das Hütte so überhand
genommen, daß der Förster mit dem Gedanken umginge, ihn zu entlassen.
Jesper sollte sich oft tagelang herumtreiben, ohne sich bei der Arbeit sehen zu
lassen; und wirklich traf mau thu jetzt öfter als je im Dorfkruge, wo er die
Anwesenden mit bösem, herausforderndem Lächeln anstarrte. Und wenn er hier
niemand traf, mit dem er Handel anfangen konnte, so taumelte er durch die
Straßen, verfolgt von einem Schwarm lärmender Binder, und landete dann
schließlich regelmäßig draußen im Fährkrnge.

Aber jedesmal, wenn er sich in einen: solchen Zustande blicken ließ, ver¬
ließ Martha das Zimmer und verschloß sich in ihrer Kammer. Darm wurde
er wie rasend, stellte sich vor die Thür, schlug gegen die Thür und überhäufte
seine Braut mit den rohesten Schimpfworten und Flüchen, bis es der Mutter
endlich gelang, ihn zu entfernen. Wenn er dann wieder nüchtern geworden
war, bereute er, was er gethan hatte. Aber Martha begegnete seinem beschämte",
verlegner Blick mit einer so eisigen Kälte, einer so gleichgiltigen Verächtlichkeit,
daß ihm das Bl"t wieder in die Wangen schoß. Einmal hatte er sogar Hand
um sie legen wollen, sodaß Lars Einauge und die andern dazwischen treten mußten.

So verging ein Sommer und ein Winter, und Martha war siebzehn Jahre
alt geworden.

Da meinte Jesper, daß es Zeit sei, dein Spiel ein Ende zu machen.
Entweder war sie seine Braut, oder er mußte sich uach eiuer andern umsehen.
Er hatte auch selber ein Gefühl, daß er, wenn dies noch lange so fortginge,
zu Grunde gehen würde unter dem spöttischen Lachen und den heimlichen An¬
spielungen, von denen er sich überall umgeben glaubte. Eines Tages hatte ihn
einer der Holzarbeiter gerade heraus gefragt, ob er seine Braut schon einmal
geküßt habe. Der Scherz hatte dem Burschen eine blutige Nase und einen
zerbrochnen kleinen Finger eingetragen; aber bei derselben Gelegenheit beschloß
Jesper, einen entscheidenden Schritt zu thun.

Er hatte zufällig gehört, daß der Besitzer des "Mühlcnhauses" dies zu
verkaufen beabsichtige; und da er gelegentlich einmal erfahren hatte -- wodurch,
wußte er selber nicht --, daß Martha stets eine besondre Vorliebe für den Ort
gezeigt hatte, so beschloß er, sich sein mütterliches Erbe auszahlen zu lassen
und das Haus zu kaufen. Dann wollte er zum Förster gehen und um vier¬
zehn Tage Urlaub bitten, um das Haus in Stand zu setzen. Und wenn dies
geschehen wäre, wollte er zu Martha sagen: Jetzt kannst du sehen, was ich zu
bieten habe, nun verlange ich aber auch eine bestimmte Antwort. Wenn sie
nur erst zusammen wären, dachte er im Stillen, so würde sie sich schon ändern,
und alles könnte noch einmal gut werden.


Junge Liebe

rasende Eifersucht, el» so bitterer Haß überkommen, daß er ihm mehr als
einmal und auf verschiedene Weise in Worten und Handlungen Ausdruck gab.

Im Dorfe erzählte mau sich, daß der Förster sich über seine plötzliche
Nachlässigkeit und sein zügelloses Wesen beklagt habe; das Hütte so überhand
genommen, daß der Förster mit dem Gedanken umginge, ihn zu entlassen.
Jesper sollte sich oft tagelang herumtreiben, ohne sich bei der Arbeit sehen zu
lassen; und wirklich traf mau thu jetzt öfter als je im Dorfkruge, wo er die
Anwesenden mit bösem, herausforderndem Lächeln anstarrte. Und wenn er hier
niemand traf, mit dem er Handel anfangen konnte, so taumelte er durch die
Straßen, verfolgt von einem Schwarm lärmender Binder, und landete dann
schließlich regelmäßig draußen im Fährkrnge.

Aber jedesmal, wenn er sich in einen: solchen Zustande blicken ließ, ver¬
ließ Martha das Zimmer und verschloß sich in ihrer Kammer. Darm wurde
er wie rasend, stellte sich vor die Thür, schlug gegen die Thür und überhäufte
seine Braut mit den rohesten Schimpfworten und Flüchen, bis es der Mutter
endlich gelang, ihn zu entfernen. Wenn er dann wieder nüchtern geworden
war, bereute er, was er gethan hatte. Aber Martha begegnete seinem beschämte»,
verlegner Blick mit einer so eisigen Kälte, einer so gleichgiltigen Verächtlichkeit,
daß ihm das Bl»t wieder in die Wangen schoß. Einmal hatte er sogar Hand
um sie legen wollen, sodaß Lars Einauge und die andern dazwischen treten mußten.

So verging ein Sommer und ein Winter, und Martha war siebzehn Jahre
alt geworden.

Da meinte Jesper, daß es Zeit sei, dein Spiel ein Ende zu machen.
Entweder war sie seine Braut, oder er mußte sich uach eiuer andern umsehen.
Er hatte auch selber ein Gefühl, daß er, wenn dies noch lange so fortginge,
zu Grunde gehen würde unter dem spöttischen Lachen und den heimlichen An¬
spielungen, von denen er sich überall umgeben glaubte. Eines Tages hatte ihn
einer der Holzarbeiter gerade heraus gefragt, ob er seine Braut schon einmal
geküßt habe. Der Scherz hatte dem Burschen eine blutige Nase und einen
zerbrochnen kleinen Finger eingetragen; aber bei derselben Gelegenheit beschloß
Jesper, einen entscheidenden Schritt zu thun.

Er hatte zufällig gehört, daß der Besitzer des „Mühlcnhauses" dies zu
verkaufen beabsichtige; und da er gelegentlich einmal erfahren hatte — wodurch,
wußte er selber nicht —, daß Martha stets eine besondre Vorliebe für den Ort
gezeigt hatte, so beschloß er, sich sein mütterliches Erbe auszahlen zu lassen
und das Haus zu kaufen. Dann wollte er zum Förster gehen und um vier¬
zehn Tage Urlaub bitten, um das Haus in Stand zu setzen. Und wenn dies
geschehen wäre, wollte er zu Martha sagen: Jetzt kannst du sehen, was ich zu
bieten habe, nun verlange ich aber auch eine bestimmte Antwort. Wenn sie
nur erst zusammen wären, dachte er im Stillen, so würde sie sich schon ändern,
und alles könnte noch einmal gut werden.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0296" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/206295"/>
            <fw type="header" place="top"> Junge Liebe</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_977" prev="#ID_976"> rasende Eifersucht, el» so bitterer Haß überkommen, daß er ihm mehr als<lb/>
einmal und auf verschiedene Weise in Worten und Handlungen Ausdruck gab.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_978"> Im Dorfe erzählte mau sich, daß der Förster sich über seine plötzliche<lb/>
Nachlässigkeit und sein zügelloses Wesen beklagt habe; das Hütte so überhand<lb/>
genommen, daß der Förster mit dem Gedanken umginge, ihn zu entlassen.<lb/>
Jesper sollte sich oft tagelang herumtreiben, ohne sich bei der Arbeit sehen zu<lb/>
lassen; und wirklich traf mau thu jetzt öfter als je im Dorfkruge, wo er die<lb/>
Anwesenden mit bösem, herausforderndem Lächeln anstarrte. Und wenn er hier<lb/>
niemand traf, mit dem er Handel anfangen konnte, so taumelte er durch die<lb/>
Straßen, verfolgt von einem Schwarm lärmender Binder, und landete dann<lb/>
schließlich regelmäßig draußen im Fährkrnge.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_979"> Aber jedesmal, wenn er sich in einen: solchen Zustande blicken ließ, ver¬<lb/>
ließ Martha das Zimmer und verschloß sich in ihrer Kammer. Darm wurde<lb/>
er wie rasend, stellte sich vor die Thür, schlug gegen die Thür und überhäufte<lb/>
seine Braut mit den rohesten Schimpfworten und Flüchen, bis es der Mutter<lb/>
endlich gelang, ihn zu entfernen. Wenn er dann wieder nüchtern geworden<lb/>
war, bereute er, was er gethan hatte. Aber Martha begegnete seinem beschämte»,<lb/>
verlegner Blick mit einer so eisigen Kälte, einer so gleichgiltigen Verächtlichkeit,<lb/>
daß ihm das Bl»t wieder in die Wangen schoß. Einmal hatte er sogar Hand<lb/>
um sie legen wollen, sodaß Lars Einauge und die andern dazwischen treten mußten.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_980"> So verging ein Sommer und ein Winter, und Martha war siebzehn Jahre<lb/>
alt geworden.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_981"> Da meinte Jesper, daß es Zeit sei, dein Spiel ein Ende zu machen.<lb/>
Entweder war sie seine Braut, oder er mußte sich uach eiuer andern umsehen.<lb/>
Er hatte auch selber ein Gefühl, daß er, wenn dies noch lange so fortginge,<lb/>
zu Grunde gehen würde unter dem spöttischen Lachen und den heimlichen An¬<lb/>
spielungen, von denen er sich überall umgeben glaubte. Eines Tages hatte ihn<lb/>
einer der Holzarbeiter gerade heraus gefragt, ob er seine Braut schon einmal<lb/>
geküßt habe. Der Scherz hatte dem Burschen eine blutige Nase und einen<lb/>
zerbrochnen kleinen Finger eingetragen; aber bei derselben Gelegenheit beschloß<lb/>
Jesper, einen entscheidenden Schritt zu thun.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_982"> Er hatte zufällig gehört, daß der Besitzer des &#x201E;Mühlcnhauses" dies zu<lb/>
verkaufen beabsichtige; und da er gelegentlich einmal erfahren hatte &#x2014; wodurch,<lb/>
wußte er selber nicht &#x2014;, daß Martha stets eine besondre Vorliebe für den Ort<lb/>
gezeigt hatte, so beschloß er, sich sein mütterliches Erbe auszahlen zu lassen<lb/>
und das Haus zu kaufen. Dann wollte er zum Förster gehen und um vier¬<lb/>
zehn Tage Urlaub bitten, um das Haus in Stand zu setzen. Und wenn dies<lb/>
geschehen wäre, wollte er zu Martha sagen: Jetzt kannst du sehen, was ich zu<lb/>
bieten habe, nun verlange ich aber auch eine bestimmte Antwort. Wenn sie<lb/>
nur erst zusammen wären, dachte er im Stillen, so würde sie sich schon ändern,<lb/>
und alles könnte noch einmal gut werden.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0296] Junge Liebe rasende Eifersucht, el» so bitterer Haß überkommen, daß er ihm mehr als einmal und auf verschiedene Weise in Worten und Handlungen Ausdruck gab. Im Dorfe erzählte mau sich, daß der Förster sich über seine plötzliche Nachlässigkeit und sein zügelloses Wesen beklagt habe; das Hütte so überhand genommen, daß der Förster mit dem Gedanken umginge, ihn zu entlassen. Jesper sollte sich oft tagelang herumtreiben, ohne sich bei der Arbeit sehen zu lassen; und wirklich traf mau thu jetzt öfter als je im Dorfkruge, wo er die Anwesenden mit bösem, herausforderndem Lächeln anstarrte. Und wenn er hier niemand traf, mit dem er Handel anfangen konnte, so taumelte er durch die Straßen, verfolgt von einem Schwarm lärmender Binder, und landete dann schließlich regelmäßig draußen im Fährkrnge. Aber jedesmal, wenn er sich in einen: solchen Zustande blicken ließ, ver¬ ließ Martha das Zimmer und verschloß sich in ihrer Kammer. Darm wurde er wie rasend, stellte sich vor die Thür, schlug gegen die Thür und überhäufte seine Braut mit den rohesten Schimpfworten und Flüchen, bis es der Mutter endlich gelang, ihn zu entfernen. Wenn er dann wieder nüchtern geworden war, bereute er, was er gethan hatte. Aber Martha begegnete seinem beschämte», verlegner Blick mit einer so eisigen Kälte, einer so gleichgiltigen Verächtlichkeit, daß ihm das Bl»t wieder in die Wangen schoß. Einmal hatte er sogar Hand um sie legen wollen, sodaß Lars Einauge und die andern dazwischen treten mußten. So verging ein Sommer und ein Winter, und Martha war siebzehn Jahre alt geworden. Da meinte Jesper, daß es Zeit sei, dein Spiel ein Ende zu machen. Entweder war sie seine Braut, oder er mußte sich uach eiuer andern umsehen. Er hatte auch selber ein Gefühl, daß er, wenn dies noch lange so fortginge, zu Grunde gehen würde unter dem spöttischen Lachen und den heimlichen An¬ spielungen, von denen er sich überall umgeben glaubte. Eines Tages hatte ihn einer der Holzarbeiter gerade heraus gefragt, ob er seine Braut schon einmal geküßt habe. Der Scherz hatte dem Burschen eine blutige Nase und einen zerbrochnen kleinen Finger eingetragen; aber bei derselben Gelegenheit beschloß Jesper, einen entscheidenden Schritt zu thun. Er hatte zufällig gehört, daß der Besitzer des „Mühlcnhauses" dies zu verkaufen beabsichtige; und da er gelegentlich einmal erfahren hatte — wodurch, wußte er selber nicht —, daß Martha stets eine besondre Vorliebe für den Ort gezeigt hatte, so beschloß er, sich sein mütterliches Erbe auszahlen zu lassen und das Haus zu kaufen. Dann wollte er zum Förster gehen und um vier¬ zehn Tage Urlaub bitten, um das Haus in Stand zu setzen. Und wenn dies geschehen wäre, wollte er zu Martha sagen: Jetzt kannst du sehen, was ich zu bieten habe, nun verlange ich aber auch eine bestimmte Antwort. Wenn sie nur erst zusammen wären, dachte er im Stillen, so würde sie sich schon ändern, und alles könnte noch einmal gut werden.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/296
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/296>, abgerufen am 22.12.2024.