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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

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Die geschichtliche Bedeutung des Sedantages

ein andres Erfordernis hervor, das ist der Fortbestand unsers Kaisertums in
seiner jetzigen Machtfülle. Eine erbliche und hvchberechtigte Zentralgewalt,
mit der sich gleichwohl unsre geschichtlich gewordenen bundesstaatlichen wie
parlamentarischen Verfassungsformen in ihrer gegenwärtigen politischen Werk¬
form verträget?, das ist das Thema, das unsre leidensreiche Geschichte am
eindringlichsten predigt und dessen Wahrheit wir durch die Folgen des Gegen¬
teils nur zu deutlich bestätigt finden, wenn wir zu unsern Nachbarn jenseits
des Rheines hinüberblicken. Alles Große, was wir im Staatsleben erreicht
haben, verdanken wir denn auch in erster Linie der Monarchie, und alles Gute,
was wir noch hoffen, können wir nur mit ihrer Hilfe erreichen, so den Schutz
unsrer von zwei Seiten bedrohten Grenzen?, Frieden und Fortschritt im Innern.
Wohl uus, daß die Monarchie der Hohenzollern so festgewurzelt ist in der
Liebe des Vaterlandes und zugleich getragen wird von den Sympathien der
meisten Völker. Wenn die Rundfahrt unsers jungen Kaisers zu zahlreichen
europäischen Fürstenhöfen ein erhebendes Anzeichen der neuen deutschen Macht
war, so bekundete sie anderseits für jeden, der da sehen wollte, das hehre Ziel
der deutschen Politik, die Sicherung des Weltfriedens und der Weltkultur. In
der That bezeigen uns denn auch, wie wir dnrch unsre Siege, unser Maßhalten
und friedlich tüchtiges Schaffen ein volles, leider vielfach noch nicht geübtes
Recht zu nationaler Selbstachtung wiedergewonnen haben, die Völker und
Staaten des Erdballes eine aufrichtige Achtung -- oder Furcht, die letztere
jedoch nur die "revanche"- oder eroberungslnstigcn Friedensstörer.

Ich kann diese rasche Betrachtung nicht treffender und schöner schließen
als mit dem an König Wilhelm gerichteten Festgruß Emanuel Geibels, jenes
edeln Sängers, der so sehnsüchtig wie nur irgend einer der zeitgenössischen
Dichter den deutscheu Einheitstramn mittrüumte und sie alle durch die prophe¬
tische Sicherheit seines politischen Urteils übertraf:


Im engen Bett schlich unser Leben
Versiegend wie der Bach im Sand,
Da hast dn uns, was not, gegeben:
Den Glauben an ein Vaterland.
Das schöne Recht, uns selbst zu achten.
Das uns des Auslands Hohn verschlang,
Hast du im Donner deiner Schlachten
Uns heimgekauft, o habe Dank!
Nun weht von Türmen, flaggt von Masten
Das deutsche Zeichen nllgeehrt;
Von ihm geschirmt nun bringt die Lasten
Der Schiffer froh zum Heimatsherd.
Nun mag am harmlos riistgen Werke
Der Kunstfleiß schaffen unverzagt,
Denn Friedensbürgschaft ist die Stinte,
Daran kein Feind zu rühren wagt!



Die geschichtliche Bedeutung des Sedantages

ein andres Erfordernis hervor, das ist der Fortbestand unsers Kaisertums in
seiner jetzigen Machtfülle. Eine erbliche und hvchberechtigte Zentralgewalt,
mit der sich gleichwohl unsre geschichtlich gewordenen bundesstaatlichen wie
parlamentarischen Verfassungsformen in ihrer gegenwärtigen politischen Werk¬
form verträget?, das ist das Thema, das unsre leidensreiche Geschichte am
eindringlichsten predigt und dessen Wahrheit wir durch die Folgen des Gegen¬
teils nur zu deutlich bestätigt finden, wenn wir zu unsern Nachbarn jenseits
des Rheines hinüberblicken. Alles Große, was wir im Staatsleben erreicht
haben, verdanken wir denn auch in erster Linie der Monarchie, und alles Gute,
was wir noch hoffen, können wir nur mit ihrer Hilfe erreichen, so den Schutz
unsrer von zwei Seiten bedrohten Grenzen?, Frieden und Fortschritt im Innern.
Wohl uus, daß die Monarchie der Hohenzollern so festgewurzelt ist in der
Liebe des Vaterlandes und zugleich getragen wird von den Sympathien der
meisten Völker. Wenn die Rundfahrt unsers jungen Kaisers zu zahlreichen
europäischen Fürstenhöfen ein erhebendes Anzeichen der neuen deutschen Macht
war, so bekundete sie anderseits für jeden, der da sehen wollte, das hehre Ziel
der deutschen Politik, die Sicherung des Weltfriedens und der Weltkultur. In
der That bezeigen uns denn auch, wie wir dnrch unsre Siege, unser Maßhalten
und friedlich tüchtiges Schaffen ein volles, leider vielfach noch nicht geübtes
Recht zu nationaler Selbstachtung wiedergewonnen haben, die Völker und
Staaten des Erdballes eine aufrichtige Achtung — oder Furcht, die letztere
jedoch nur die „revanche"- oder eroberungslnstigcn Friedensstörer.

Ich kann diese rasche Betrachtung nicht treffender und schöner schließen
als mit dem an König Wilhelm gerichteten Festgruß Emanuel Geibels, jenes
edeln Sängers, der so sehnsüchtig wie nur irgend einer der zeitgenössischen
Dichter den deutscheu Einheitstramn mittrüumte und sie alle durch die prophe¬
tische Sicherheit seines politischen Urteils übertraf:


Im engen Bett schlich unser Leben
Versiegend wie der Bach im Sand,
Da hast dn uns, was not, gegeben:
Den Glauben an ein Vaterland.
Das schöne Recht, uns selbst zu achten.
Das uns des Auslands Hohn verschlang,
Hast du im Donner deiner Schlachten
Uns heimgekauft, o habe Dank!
Nun weht von Türmen, flaggt von Masten
Das deutsche Zeichen nllgeehrt;
Von ihm geschirmt nun bringt die Lasten
Der Schiffer froh zum Heimatsherd.
Nun mag am harmlos riistgen Werke
Der Kunstfleiß schaffen unverzagt,
Denn Friedensbürgschaft ist die Stinte,
Daran kein Feind zu rühren wagt!



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[0278] Die geschichtliche Bedeutung des Sedantages ein andres Erfordernis hervor, das ist der Fortbestand unsers Kaisertums in seiner jetzigen Machtfülle. Eine erbliche und hvchberechtigte Zentralgewalt, mit der sich gleichwohl unsre geschichtlich gewordenen bundesstaatlichen wie parlamentarischen Verfassungsformen in ihrer gegenwärtigen politischen Werk¬ form verträget?, das ist das Thema, das unsre leidensreiche Geschichte am eindringlichsten predigt und dessen Wahrheit wir durch die Folgen des Gegen¬ teils nur zu deutlich bestätigt finden, wenn wir zu unsern Nachbarn jenseits des Rheines hinüberblicken. Alles Große, was wir im Staatsleben erreicht haben, verdanken wir denn auch in erster Linie der Monarchie, und alles Gute, was wir noch hoffen, können wir nur mit ihrer Hilfe erreichen, so den Schutz unsrer von zwei Seiten bedrohten Grenzen?, Frieden und Fortschritt im Innern. Wohl uus, daß die Monarchie der Hohenzollern so festgewurzelt ist in der Liebe des Vaterlandes und zugleich getragen wird von den Sympathien der meisten Völker. Wenn die Rundfahrt unsers jungen Kaisers zu zahlreichen europäischen Fürstenhöfen ein erhebendes Anzeichen der neuen deutschen Macht war, so bekundete sie anderseits für jeden, der da sehen wollte, das hehre Ziel der deutschen Politik, die Sicherung des Weltfriedens und der Weltkultur. In der That bezeigen uns denn auch, wie wir dnrch unsre Siege, unser Maßhalten und friedlich tüchtiges Schaffen ein volles, leider vielfach noch nicht geübtes Recht zu nationaler Selbstachtung wiedergewonnen haben, die Völker und Staaten des Erdballes eine aufrichtige Achtung — oder Furcht, die letztere jedoch nur die „revanche"- oder eroberungslnstigcn Friedensstörer. Ich kann diese rasche Betrachtung nicht treffender und schöner schließen als mit dem an König Wilhelm gerichteten Festgruß Emanuel Geibels, jenes edeln Sängers, der so sehnsüchtig wie nur irgend einer der zeitgenössischen Dichter den deutscheu Einheitstramn mittrüumte und sie alle durch die prophe¬ tische Sicherheit seines politischen Urteils übertraf: Im engen Bett schlich unser Leben Versiegend wie der Bach im Sand, Da hast dn uns, was not, gegeben: Den Glauben an ein Vaterland. Das schöne Recht, uns selbst zu achten. Das uns des Auslands Hohn verschlang, Hast du im Donner deiner Schlachten Uns heimgekauft, o habe Dank! Nun weht von Türmen, flaggt von Masten Das deutsche Zeichen nllgeehrt; Von ihm geschirmt nun bringt die Lasten Der Schiffer froh zum Heimatsherd. Nun mag am harmlos riistgen Werke Der Kunstfleiß schaffen unverzagt, Denn Friedensbürgschaft ist die Stinte, Daran kein Feind zu rühren wagt!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/278>, abgerufen am 22.12.2024.