Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches unter dem Titel "Durchdringung des modernen Lebens mit den Prinzipien des Maßgebliches und Unmaßgebliches unter dem Titel „Durchdringung des modernen Lebens mit den Prinzipien des <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0111" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/206110"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_417" prev="#ID_416" next="#ID_418"> unter dem Titel „Durchdringung des modernen Lebens mit den Prinzipien des<lb/> katholische» Glaubens nud der katholischen Sitte" seiue freche Reklame treibt. Er<lb/> Handelt in allen Stücken nach dein Rezept Leos XIII., katholische ''Anschauungen auf<lb/> alle Weise in dus Lebensblut protestantischer Voller zu bringen. Welche An¬<lb/> schauungen in unsern ultramontanen Kreisen über die letzten Jahrzehnte unsrer<lb/> vaterländischen Geschichte herrschen und von da ans weiter verbreitet werde», das<lb/> sieht mau. am deutlichsten aus unsern katholischen „Volksblättern," die seit 18LK so<lb/> massenhaft ans dem ultramontanen GeisteSbodeu aufgeschossen sind. Da schrieb<lb/> z. B. als ehemaliger Mitarbeiter des I)r. Sigl der jetzige Redakteur der „West¬<lb/> fälischen Volkszeitung," Fußangel, ein geborner Preuße: „Wir haben gewiß nichts<lb/> dagegen, wenn Preußen auf ihren König toastiren, aber aufs tiefste, muß es bedauert<lb/> werden, daß es gläubige Katholiken giebt, welche heule noch den traurigen Mut<lb/> haben, die »Einheit« nud »Stärke« unsers zerrissnen, geschwächten und gedemütigten<lb/> deutschen Vaterlandes durch Festtoaste zu feiern. Nein, der Katholik kaun sich nicht<lb/> freuen über die »Einheit« und »Stärke« Deutschlands, die ihm durch Preußen ge¬<lb/> worden. Der Katholik kann nur trauern und seinen Trost in der Hoffnung finden,<lb/> daß die Tage des Preußeutums gezählt siud. Ja, wir siud antinational, wir sind<lb/> reichsfeiudlich und werdeu eS bleiben, aber uur, weil wir unser Vaterland (Rom!)<lb/> liebe». Wir beklagen, aufs tiefste den Entwicklungsgang Deutschlands seit dein<lb/> Jahre >8t>K." Und den Mann solcher Bekenntnisse berief die römisch-katholische<lb/> Pürte.ileituug in Bochum in die Redaktion einer größer» Zeitung und versetzte ihn<lb/> mit Hilfe der fünfzehn katholischen Vereine Bochums in die Lage, nicht nur bei<lb/> Reichs- und LaudtagSwahlen, sondern auch bei soziale» Bewegungen wie dem<lb/> westphälischen Kohlenstrike. im ullramvntan-demagogischen Sinne eine Hauptrolle zu<lb/> spielen. Hinter der katholischen Parteileitung zu Bochum stehen, wie überall hinter<lb/> den katholischen Vereinen, die Priester. Ob es da wohl richtig ist, wenn auf eine<lb/> Anfrage, im Briefkasten einer viel gelesenen Dresdener Zeitung, warum doch im<lb/> Gegensatz zu der evangelische» Geistlichkeit zum Empfange des Kaisers in Dresden<lb/> kein einziger katholischer Geistlicher zugegen gewesen sei, und warum doch im Gegen<lb/> Suez zu den sämtlichen Kirchen Dresdens die katholische Hofkirche allein nicht geflaggt<lb/> habe? ob es da wohl richtig ist, wen» auf solche Anfragen die Antwort der Redaktion<lb/> kommt, „daß mehrere katholische. Geistliche erschienen seien, doch nicht, wie die<lb/> evangelische Geistlichkeit, in ^>mtslrncht, sondern im einreihigen Rock mit Stehkragen.<lb/> Geflaggt aber habe die katholische. Hofkirche, wie auch daS Schloß, seit unvordenk¬<lb/> liche» Zeiten nicht," und dann in der Antwort versichert wird: „Daß die katho¬<lb/> lischen Geistlichen, wie alle andern Deutschen, in dein deutscheu Kaiser das von<lb/> Gott gesetzte Oberhaupt des deutscheu Reiches lieben und verehren, versteht sich von<lb/> selbst." Wollte Gott. eS wäre so! Wir befürchten bei vielen, sehr vielen das<lb/> Gegenteil. Kein Papst kann Ghibelline sein. Und was von, Papst gilt, das gilt<lb/> anch von seiner Klerisei. Ist der Ghibelline zu groß, als daß der Streit mit ihm<lb/> viel Erfolg verspräche, so stellt sich Papst und Klerus ihm befreundet und rückt ihn<lb/> möglichst in seine Nähe; glaubt er sich ihm gewachsen, so beginnt der Streit. Aber<lb/> so wie so, scheinbar befreundet oder feindlich, bei dem echten Ultramontanen ist von<lb/> Wahrheit leine Spur, am allerwenigsten vou geschichtlichem Wahrheitssinn. Das<lb/> liegt ein »ni im römischen System. Wer Gelegenheit gehabt hat, das kennen zu<lb/> lernen, der findet, daß es so ist, wie. Wiese, dieser unparteiische Mann, in seinen<lb/> „Lebenserinnerungen nud Amtserfahrnngeu" bezeugt, wenn er sagt, daß er sich nur<lb/> weniger Katholiken erinnere, bei denen die Einwirkungen der römisch-katholischen<lb/> Pädagogik ans den WahrheilSsinu nicht zu bemerkn, gewesen wären; die. Folgen des</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0111]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
unter dem Titel „Durchdringung des modernen Lebens mit den Prinzipien des
katholische» Glaubens nud der katholischen Sitte" seiue freche Reklame treibt. Er
Handelt in allen Stücken nach dein Rezept Leos XIII., katholische ''Anschauungen auf
alle Weise in dus Lebensblut protestantischer Voller zu bringen. Welche An¬
schauungen in unsern ultramontanen Kreisen über die letzten Jahrzehnte unsrer
vaterländischen Geschichte herrschen und von da ans weiter verbreitet werde», das
sieht mau. am deutlichsten aus unsern katholischen „Volksblättern," die seit 18LK so
massenhaft ans dem ultramontanen GeisteSbodeu aufgeschossen sind. Da schrieb
z. B. als ehemaliger Mitarbeiter des I)r. Sigl der jetzige Redakteur der „West¬
fälischen Volkszeitung," Fußangel, ein geborner Preuße: „Wir haben gewiß nichts
dagegen, wenn Preußen auf ihren König toastiren, aber aufs tiefste, muß es bedauert
werden, daß es gläubige Katholiken giebt, welche heule noch den traurigen Mut
haben, die »Einheit« nud »Stärke« unsers zerrissnen, geschwächten und gedemütigten
deutschen Vaterlandes durch Festtoaste zu feiern. Nein, der Katholik kaun sich nicht
freuen über die »Einheit« und »Stärke« Deutschlands, die ihm durch Preußen ge¬
worden. Der Katholik kann nur trauern und seinen Trost in der Hoffnung finden,
daß die Tage des Preußeutums gezählt siud. Ja, wir siud antinational, wir sind
reichsfeiudlich und werdeu eS bleiben, aber uur, weil wir unser Vaterland (Rom!)
liebe». Wir beklagen, aufs tiefste den Entwicklungsgang Deutschlands seit dein
Jahre >8t>K." Und den Mann solcher Bekenntnisse berief die römisch-katholische
Pürte.ileituug in Bochum in die Redaktion einer größer» Zeitung und versetzte ihn
mit Hilfe der fünfzehn katholischen Vereine Bochums in die Lage, nicht nur bei
Reichs- und LaudtagSwahlen, sondern auch bei soziale» Bewegungen wie dem
westphälischen Kohlenstrike. im ullramvntan-demagogischen Sinne eine Hauptrolle zu
spielen. Hinter der katholischen Parteileitung zu Bochum stehen, wie überall hinter
den katholischen Vereinen, die Priester. Ob es da wohl richtig ist, wenn auf eine
Anfrage, im Briefkasten einer viel gelesenen Dresdener Zeitung, warum doch im
Gegensatz zu der evangelische» Geistlichkeit zum Empfange des Kaisers in Dresden
kein einziger katholischer Geistlicher zugegen gewesen sei, und warum doch im Gegen
Suez zu den sämtlichen Kirchen Dresdens die katholische Hofkirche allein nicht geflaggt
habe? ob es da wohl richtig ist, wen» auf solche Anfragen die Antwort der Redaktion
kommt, „daß mehrere katholische. Geistliche erschienen seien, doch nicht, wie die
evangelische Geistlichkeit, in ^>mtslrncht, sondern im einreihigen Rock mit Stehkragen.
Geflaggt aber habe die katholische. Hofkirche, wie auch daS Schloß, seit unvordenk¬
liche» Zeiten nicht," und dann in der Antwort versichert wird: „Daß die katho¬
lischen Geistlichen, wie alle andern Deutschen, in dein deutscheu Kaiser das von
Gott gesetzte Oberhaupt des deutscheu Reiches lieben und verehren, versteht sich von
selbst." Wollte Gott. eS wäre so! Wir befürchten bei vielen, sehr vielen das
Gegenteil. Kein Papst kann Ghibelline sein. Und was von, Papst gilt, das gilt
anch von seiner Klerisei. Ist der Ghibelline zu groß, als daß der Streit mit ihm
viel Erfolg verspräche, so stellt sich Papst und Klerus ihm befreundet und rückt ihn
möglichst in seine Nähe; glaubt er sich ihm gewachsen, so beginnt der Streit. Aber
so wie so, scheinbar befreundet oder feindlich, bei dem echten Ultramontanen ist von
Wahrheit leine Spur, am allerwenigsten vou geschichtlichem Wahrheitssinn. Das
liegt ein »ni im römischen System. Wer Gelegenheit gehabt hat, das kennen zu
lernen, der findet, daß es so ist, wie. Wiese, dieser unparteiische Mann, in seinen
„Lebenserinnerungen nud Amtserfahrnngeu" bezeugt, wenn er sagt, daß er sich nur
weniger Katholiken erinnere, bei denen die Einwirkungen der römisch-katholischen
Pädagogik ans den WahrheilSsinu nicht zu bemerkn, gewesen wären; die. Folgen des
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