Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.Im Svmnrer, wenn die schöne llnugegend von Tvllristen und Vergnügungs¬ Für gewöhnlich wurde der Ort aber fast ausschließlich 0on fünf bis sechs Es waren dies ein paar Krüppel ans dem Armenhause und ein Paar In dieser Gesellschaft hatte Ellen auch allmählich gelernt, ihre Gedanken Inzwischen tummelte sich Martha munter umher und wuchs zu dem Wenn man sie in der offnen Thür stehen fah, mit den Schultern an den Die lange, schmale Nase und die großen, ovale" Nasenlöcher, die deu Im Svmnrer, wenn die schöne llnugegend von Tvllristen und Vergnügungs¬ Für gewöhnlich wurde der Ort aber fast ausschließlich 0on fünf bis sechs Es waren dies ein paar Krüppel ans dem Armenhause und ein Paar In dieser Gesellschaft hatte Ellen auch allmählich gelernt, ihre Gedanken Inzwischen tummelte sich Martha munter umher und wuchs zu dem Wenn man sie in der offnen Thür stehen fah, mit den Schultern an den Die lange, schmale Nase und die großen, ovale» Nasenlöcher, die deu <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0103" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/206102"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_363"> Im Svmnrer, wenn die schöne llnugegend von Tvllristen und Vergnügungs¬<lb/> reisenden überschwemmt wurde, kam es wohl vor, daß der eine oder der andre<lb/> >n dem alten Kruge vorsprach, um nach dem Wege zu fragen oder um ein Glas<lb/> Milch zu bitten. Zuweilen hielten auch herrschaftliche Wagen am Brunnen,<lb/> um die Pferde zu tränken; ja die alten, braungestrichnen Mauern übten wohl<lb/> gelegentlich eine gewisse Anziehungskraft auf einen jungen, schwärmerischen<lb/> Studenten, ans.</p><lb/> <p xml:id="ID_364"> Für gewöhnlich wurde der Ort aber fast ausschließlich 0on fünf bis sechs<lb/> alten, gutmütigen Mannsleuten besucht, die im Vvlksmnnde den Namen „der<lb/> Schnapsklub" führte», und die sich hier Abend für Abend wie zu einem Schatten¬<lb/> gastmahl um den große» Eicheutisch versnnunelteu.</p><lb/> <p xml:id="ID_365"> Es waren dies ein paar Krüppel ans dem Armenhause und ein Paar<lb/> frühere Holzhauer und Wegcarbeiter, die hier in ernster Stimmung und größter<lb/> Eintracht eine Kruke Branntwein auf ihr gemeinsames trauriges Los leerten,<lb/> um dann regelmäßig unter allgemeinem, Zank und Streit spät in der Nacht<lb/> »ach Hause zu schwanken.</p><lb/> <p xml:id="ID_366"> In dieser Gesellschaft hatte Ellen auch allmählich gelernt, ihre Gedanken<lb/> <>n betäuben. Eine Zeit lang geschah es nur in aller Heimlichkeit, wenn die<lb/> -^rnnkenheit den andern zu Kopfe gestiegen war und ihre Sinne umnebelt hatte.<lb/> Aber von Jahr zu Jahr verlor sie mehr und mehr die Macht über sich, und<lb/> jetzt geschah es sehr häusig, daß sie schwankend auf ihrem Stuhle zwischen ihnen<lb/> saß, mit bleichem Munde und starren Augen.</p><lb/> <p xml:id="ID_367"> Inzwischen tummelte sich Martha munter umher und wuchs zu dem<lb/> Ebenbilde ihres Vaters heran. Mit vierzehn Jahren war sie schon ein völlig<lb/> entwickeltes junges Mädchen, das in denn roten Mieder und den weißen Hemds¬<lb/> ärmeln gar frisch und verführerisch aussah, und auf dessen schlanker, fein-<lb/> gebanter Gestalt mit dem festen Fuß und dein, geschmeidigen Rücken die Blicke<lb/> der jungen Herren, die des Wegs vorüberkamen, gern ruhten.</p><lb/> <p xml:id="ID_368"> Wenn man sie in der offnen Thür stehen fah, mit den Schultern an den<lb/> Thürpfosten gelehnt, den einen nackten Fuß über den andern gesetzt, die<lb/> Augen gen Himmel gerichtet, oder wenn sie an Winterabenden müde ans<lb/> ihren, Binsenstuhl in die Ecke gelehnt saß, die zarten Finger um das erhobene<lb/> Knie geschlungen und mit müden Lächeln die nickenden Köpfe der schweigsamen<lb/> Trinkergesellschaft unter dem trüben, rauchigen Schein der Hängelampe betrach¬<lb/> tend, dann war es, als erblickte man in diesen feinen, klugen Zügen, in diesen<lb/> wachen, spähenden Augen und der ganzen, kleinen Gestalt mit den angespannten<lb/> Nerven Jakobs verklärte Erscheinung.</p><lb/> <p xml:id="ID_369" next="#ID_370"> Die lange, schmale Nase und die großen, ovale» Nasenlöcher, die deu<lb/> rosenroten, halb durchsichtigen Knorpel der Scheidewand deutlich erkennen ließen,<lb/> die schmale», blassen Lippen, die blonden Brauen, die sich jedesmal, wenn sie<lb/> irgend etwas scharf ansah, leicht unter der weißen Fläche der Stirn runzelten,</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0103]
Im Svmnrer, wenn die schöne llnugegend von Tvllristen und Vergnügungs¬
reisenden überschwemmt wurde, kam es wohl vor, daß der eine oder der andre
>n dem alten Kruge vorsprach, um nach dem Wege zu fragen oder um ein Glas
Milch zu bitten. Zuweilen hielten auch herrschaftliche Wagen am Brunnen,
um die Pferde zu tränken; ja die alten, braungestrichnen Mauern übten wohl
gelegentlich eine gewisse Anziehungskraft auf einen jungen, schwärmerischen
Studenten, ans.
Für gewöhnlich wurde der Ort aber fast ausschließlich 0on fünf bis sechs
alten, gutmütigen Mannsleuten besucht, die im Vvlksmnnde den Namen „der
Schnapsklub" führte», und die sich hier Abend für Abend wie zu einem Schatten¬
gastmahl um den große» Eicheutisch versnnunelteu.
Es waren dies ein paar Krüppel ans dem Armenhause und ein Paar
frühere Holzhauer und Wegcarbeiter, die hier in ernster Stimmung und größter
Eintracht eine Kruke Branntwein auf ihr gemeinsames trauriges Los leerten,
um dann regelmäßig unter allgemeinem, Zank und Streit spät in der Nacht
»ach Hause zu schwanken.
In dieser Gesellschaft hatte Ellen auch allmählich gelernt, ihre Gedanken
<>n betäuben. Eine Zeit lang geschah es nur in aller Heimlichkeit, wenn die
-^rnnkenheit den andern zu Kopfe gestiegen war und ihre Sinne umnebelt hatte.
Aber von Jahr zu Jahr verlor sie mehr und mehr die Macht über sich, und
jetzt geschah es sehr häusig, daß sie schwankend auf ihrem Stuhle zwischen ihnen
saß, mit bleichem Munde und starren Augen.
Inzwischen tummelte sich Martha munter umher und wuchs zu dem
Ebenbilde ihres Vaters heran. Mit vierzehn Jahren war sie schon ein völlig
entwickeltes junges Mädchen, das in denn roten Mieder und den weißen Hemds¬
ärmeln gar frisch und verführerisch aussah, und auf dessen schlanker, fein-
gebanter Gestalt mit dem festen Fuß und dein, geschmeidigen Rücken die Blicke
der jungen Herren, die des Wegs vorüberkamen, gern ruhten.
Wenn man sie in der offnen Thür stehen fah, mit den Schultern an den
Thürpfosten gelehnt, den einen nackten Fuß über den andern gesetzt, die
Augen gen Himmel gerichtet, oder wenn sie an Winterabenden müde ans
ihren, Binsenstuhl in die Ecke gelehnt saß, die zarten Finger um das erhobene
Knie geschlungen und mit müden Lächeln die nickenden Köpfe der schweigsamen
Trinkergesellschaft unter dem trüben, rauchigen Schein der Hängelampe betrach¬
tend, dann war es, als erblickte man in diesen feinen, klugen Zügen, in diesen
wachen, spähenden Augen und der ganzen, kleinen Gestalt mit den angespannten
Nerven Jakobs verklärte Erscheinung.
Die lange, schmale Nase und die großen, ovale» Nasenlöcher, die deu
rosenroten, halb durchsichtigen Knorpel der Scheidewand deutlich erkennen ließen,
die schmale», blassen Lippen, die blonden Brauen, die sich jedesmal, wenn sie
irgend etwas scharf ansah, leicht unter der weißen Fläche der Stirn runzelten,
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