Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.Zur Frauenfrage Hartmaui? hegt einen tiefen Groll gegen unsere moderne Frauenbildung Hartmann steht mit dieser ausgesprochnen Richtung auf Vereinfachung Es wird gegenwärtig ans dem Gebiete der Frauenbildung für die gesunde Zur Frauenfrage Hartmaui? hegt einen tiefen Groll gegen unsere moderne Frauenbildung Hartmann steht mit dieser ausgesprochnen Richtung auf Vereinfachung Es wird gegenwärtig ans dem Gebiete der Frauenbildung für die gesunde <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0097" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/204828"/> <fw type="header" place="top"> Zur Frauenfrage</fw><lb/> <p xml:id="ID_239"> Hartmaui? hegt einen tiefen Groll gegen unsere moderne Frauenbildung<lb/> und mittelbar gegen unsre höhere Mädchenschule; allein er erkennt trotz seiner<lb/> pessimistischen Auffassung doch „berechtigte und der Pflege werte Elemente"<lb/> an und so hofft er dnrch folgende Forderungen wenigstens erträgliche Zustände<lb/> zu schaffen: 1. Der Unterricht darf bis zum vierzehnten Jahre nnr vier<lb/> Stunden täglich umfassen. 2. Vom vierzehnten Jahre ab soll er nnr drei<lb/> Stunden täglich betragen (mit Ausschluß von Rechnen und Gesang). 3. Es<lb/> ist nur eine einzige fremde Sprache zu betreiben. 4. Für häusliche Schul¬<lb/> arbeiten darf nicht mehr als eine Stunde i» Anspruch genommen werden.<lb/> 5. Ein elftes und zwölftes Schuljahr ist erwünscht mit zwei Unterrichtsstunden<lb/> täglich. 6. In den beiden letzten Jahren erst soll der Schule Gelegenheit<lb/> gegeben werde», Fächer wie Kunstgeschichte zu Pflegen.</p><lb/> <p xml:id="ID_240"> Hartmann steht mit dieser ausgesprochnen Richtung auf Vereinfachung<lb/> und Vertiefung des Unterrichts ganz auf dem Boden der neueren Bestrebungen.<lb/> Er erkennt auch von seinem philosophischen Standpunkte die hohe Bedeutung<lb/> an, die eine richtige Mädchenerziehung für die Volkskraft und das Staatswohl<lb/> unzweifelhaft haben muß. Besonders gefällt uns sein Vorschlag, die Mädchen<lb/> bis zu ihrem achtzehnten Jahre mit zwei Unterrichtsstunden in den Grenzen<lb/> einer geordneten geistigen Thätigkeit zu halten; dnrch diese Einrichtung würde<lb/> dein wachsenden Unwesen vorgebeugt werden, unsre Mädchen nach beendigter<lb/> Schulzeit in Pensionate zu schicken, die oft Brutstätten unzähliger Verirrungen<lb/> sind, oder sie schon von dem. sechzehnten Jahre um unbeschäftigt allem gesell¬<lb/> schaftlichen Firlefanz preiszugeben.</p><lb/> <p xml:id="ID_241"> Es wird gegenwärtig ans dem Gebiete der Frauenbildung für die gesunde<lb/> Entwickelttng des höheren Mädchenschulwesens viel und gründlich gearbeitet;<lb/> die Regierung wird wohl nicht umhin können, diese Schulen endlich aus ihrer<lb/> Zwitterstelluug zwischen höherer Schule und Volksschule herauszuheben, sie<lb/> an der Hand eiues Normallehrplcius unter eigne Aufsicht zu nehmen, die<lb/> Lehrerinnenseminare von Grund ans umzubilden und etwa durch Gründung<lb/> von Mädchenmittelschulen und Fachschulen auch für die Ausbildung der Mädchen<lb/> zu gewerblicher Thätigkeit Sorge zu tragen. Wenn der Staat diese Forder¬<lb/> ungen erfüllt, hat er alles gethan, was er zur Beseitigung des Notstandes<lb/> unter der weiblichen Bevölkerung thun kann. Franennniversitäten gründen<lb/> und die Mädchen zum wissenschaftlichem Studium vorbereiten, hieße aber den<lb/> festen Boden verlassen, um einen Seiltanz auszuführen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <fw type="sig" place="bottom"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0097]
Zur Frauenfrage
Hartmaui? hegt einen tiefen Groll gegen unsere moderne Frauenbildung
und mittelbar gegen unsre höhere Mädchenschule; allein er erkennt trotz seiner
pessimistischen Auffassung doch „berechtigte und der Pflege werte Elemente"
an und so hofft er dnrch folgende Forderungen wenigstens erträgliche Zustände
zu schaffen: 1. Der Unterricht darf bis zum vierzehnten Jahre nnr vier
Stunden täglich umfassen. 2. Vom vierzehnten Jahre ab soll er nnr drei
Stunden täglich betragen (mit Ausschluß von Rechnen und Gesang). 3. Es
ist nur eine einzige fremde Sprache zu betreiben. 4. Für häusliche Schul¬
arbeiten darf nicht mehr als eine Stunde i» Anspruch genommen werden.
5. Ein elftes und zwölftes Schuljahr ist erwünscht mit zwei Unterrichtsstunden
täglich. 6. In den beiden letzten Jahren erst soll der Schule Gelegenheit
gegeben werde», Fächer wie Kunstgeschichte zu Pflegen.
Hartmann steht mit dieser ausgesprochnen Richtung auf Vereinfachung
und Vertiefung des Unterrichts ganz auf dem Boden der neueren Bestrebungen.
Er erkennt auch von seinem philosophischen Standpunkte die hohe Bedeutung
an, die eine richtige Mädchenerziehung für die Volkskraft und das Staatswohl
unzweifelhaft haben muß. Besonders gefällt uns sein Vorschlag, die Mädchen
bis zu ihrem achtzehnten Jahre mit zwei Unterrichtsstunden in den Grenzen
einer geordneten geistigen Thätigkeit zu halten; dnrch diese Einrichtung würde
dein wachsenden Unwesen vorgebeugt werden, unsre Mädchen nach beendigter
Schulzeit in Pensionate zu schicken, die oft Brutstätten unzähliger Verirrungen
sind, oder sie schon von dem. sechzehnten Jahre um unbeschäftigt allem gesell¬
schaftlichen Firlefanz preiszugeben.
Es wird gegenwärtig ans dem Gebiete der Frauenbildung für die gesunde
Entwickelttng des höheren Mädchenschulwesens viel und gründlich gearbeitet;
die Regierung wird wohl nicht umhin können, diese Schulen endlich aus ihrer
Zwitterstelluug zwischen höherer Schule und Volksschule herauszuheben, sie
an der Hand eiues Normallehrplcius unter eigne Aufsicht zu nehmen, die
Lehrerinnenseminare von Grund ans umzubilden und etwa durch Gründung
von Mädchenmittelschulen und Fachschulen auch für die Ausbildung der Mädchen
zu gewerblicher Thätigkeit Sorge zu tragen. Wenn der Staat diese Forder¬
ungen erfüllt, hat er alles gethan, was er zur Beseitigung des Notstandes
unter der weiblichen Bevölkerung thun kann. Franennniversitäten gründen
und die Mädchen zum wissenschaftlichem Studium vorbereiten, hieße aber den
festen Boden verlassen, um einen Seiltanz auszuführen.
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