Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.Zur Frauenfrage und keine oberflächlichen verbildeten Snlvnratte" zu erziehen, gesunde Mütter Als jüngst einer promvvirten Ärztin die Frage vorgelegt wurde, ob sie Glücklicherweise sind es nur wenige, die, durch halbverstandene amerika¬ Wenn sie Fachschule" verlaiigte" für Gärtnerei und Landwirtschaft, für Zur Frauenfrage und keine oberflächlichen verbildeten Snlvnratte» zu erziehen, gesunde Mütter Als jüngst einer promvvirten Ärztin die Frage vorgelegt wurde, ob sie Glücklicherweise sind es nur wenige, die, durch halbverstandene amerika¬ Wenn sie Fachschule» verlaiigte» für Gärtnerei und Landwirtschaft, für <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0090" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/204821"/> <fw type="header" place="top"> Zur Frauenfrage</fw><lb/> <p xml:id="ID_219" prev="#ID_218"> und keine oberflächlichen verbildeten Snlvnratte» zu erziehen, gesunde Mütter<lb/> und keine bleichsüchtigen, vertrockneten Blaustrümpfe, sparsame Haushälterinnen<lb/> und keine putzsüchtige» Modepuppen. Weshalb nun die Aufregung? Sind<lb/> unsre Bedenken nicht gerechtfertigt?</p><lb/> <p xml:id="ID_220"> Als jüngst einer promvvirten Ärztin die Frage vorgelegt wurde, ob sie<lb/> sich auch zur Heilung von Münnerkrankheiten herbeilassen würde, sagte sie<lb/> stolz im Vollgefühle ihrer Gelahrtheit: „Wir Frauen ziehen die Würde unsrer<lb/> Wissenschaft der falschen Prüderie vor." So weit wären wir also; es hängt<lb/> jetzt nur noch von dem lächerlichen Schamgefühl, der „falschen Prüderie" der<lb/> Männer ub, sich von einer Ärztin behandeln zu lassen. Die Frauen haben<lb/> nichts dagegen einzuwenden, wenigstens nicht Fräulein Dr. Karoline Schultze.<lb/> Schade, daß die Cyniker nicht mehr leben! Wir sind keine Mvudscheiuseelen —<lb/> aber diese unerhörte Verschiebung aller guten Sitte, dieses leichtfertige Über¬<lb/> springen eiuer durch Jahrtausende geheiligten Scheidewand zwischen Mann<lb/> und Weib, diese künstlich anstudirte Verständuislvsigkeit für Regungen einer<lb/> natürliche!? Scham — wenn darin eines der erstrebenswerten Ziele unsrer<lb/> Frauenbewegung liegt, dann sagen wir mit dem beiligen Hieronymus von den<lb/> Weibern: ?ejorvs omnvs et » dmoolo -Makao.</p><lb/> <p xml:id="ID_221"> Glücklicherweise sind es nur wenige, die, durch halbverstandene amerika¬<lb/> nische oder englische Zustünde geblendet, von ungesundein Ehrgeiz ergriffen,<lb/> ihren deutschen Mitschwester» neue Wege zum irdischen Glück dnrch Konkurrenz<lb/> mit den Männern eröffnen wollen, und zwar gerade ans einem Gebiete, auf<lb/> dem sie nnter allen Umstände» kläglich unterliegen müssen. Da offenbart sich<lb/> wieder einmal der auffallende Mangel um logischem Denken, wenn die leitenden<lb/> ^kienenen in der Frauenfrage den Einfluß der Männer auf die Erziehung der<lb/> weiblichen Jugend immer mehr beschränke», ja womöglich ganz beseitigen wollen<lb/> und anderseits doch die Hauptaufgabe der Erziehung darin sehen, die Mädchen<lb/> zum Wettstreit rin den Männern vorzubereiten. Wir wissen sehr Wohl, daß<lb/> unter der weiblichen Bevölkerung betrübende Mißstände herrsche»: ja es wäre<lb/> gewissenlos, wollte man das rastlose und oft sorgenvolle Strebe» der unver¬<lb/> heirateten Frauen »ach el»em selbständigen Lebens berus von oben herab be¬<lb/> lächeln. Aber die Vorkämpfer fangen die Sache falsch an; sie greifen in ihren<lb/> Forderungen zu hoch.</p><lb/> <p xml:id="ID_222" next="#ID_223"> Wenn sie Fachschule» verlaiigte» für Gärtnerei und Landwirtschaft, für<lb/> Troguerie und Photographie, für llhrmacherei und Goldschmiedekunst, für<lb/> Konditorei und Bückerei u. f. w., dann ließe sich mit ihnen reden; aber gerade<lb/> die dem Weibe am fernsten liegende Thätigkeit, das wissenschaftliche Studium, als<lb/> nächstes Ziel erstreben — das heißt denn doch mit dem Lasso »ach den, Monde<lb/> werfen. Sie stellen nicht nur unüberlegte Forderungen um den Staat, sonder»<lb/> gehen anch in ihre» Begründungen von falschen Aiiimhme» aus und machen<lb/> die Schulen für Übelstände verantwortlich, die dnrch tausendfältige Strömungen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0090]
Zur Frauenfrage
und keine oberflächlichen verbildeten Snlvnratte» zu erziehen, gesunde Mütter
und keine bleichsüchtigen, vertrockneten Blaustrümpfe, sparsame Haushälterinnen
und keine putzsüchtige» Modepuppen. Weshalb nun die Aufregung? Sind
unsre Bedenken nicht gerechtfertigt?
Als jüngst einer promvvirten Ärztin die Frage vorgelegt wurde, ob sie
sich auch zur Heilung von Münnerkrankheiten herbeilassen würde, sagte sie
stolz im Vollgefühle ihrer Gelahrtheit: „Wir Frauen ziehen die Würde unsrer
Wissenschaft der falschen Prüderie vor." So weit wären wir also; es hängt
jetzt nur noch von dem lächerlichen Schamgefühl, der „falschen Prüderie" der
Männer ub, sich von einer Ärztin behandeln zu lassen. Die Frauen haben
nichts dagegen einzuwenden, wenigstens nicht Fräulein Dr. Karoline Schultze.
Schade, daß die Cyniker nicht mehr leben! Wir sind keine Mvudscheiuseelen —
aber diese unerhörte Verschiebung aller guten Sitte, dieses leichtfertige Über¬
springen eiuer durch Jahrtausende geheiligten Scheidewand zwischen Mann
und Weib, diese künstlich anstudirte Verständuislvsigkeit für Regungen einer
natürliche!? Scham — wenn darin eines der erstrebenswerten Ziele unsrer
Frauenbewegung liegt, dann sagen wir mit dem beiligen Hieronymus von den
Weibern: ?ejorvs omnvs et » dmoolo -Makao.
Glücklicherweise sind es nur wenige, die, durch halbverstandene amerika¬
nische oder englische Zustünde geblendet, von ungesundein Ehrgeiz ergriffen,
ihren deutschen Mitschwester» neue Wege zum irdischen Glück dnrch Konkurrenz
mit den Männern eröffnen wollen, und zwar gerade ans einem Gebiete, auf
dem sie nnter allen Umstände» kläglich unterliegen müssen. Da offenbart sich
wieder einmal der auffallende Mangel um logischem Denken, wenn die leitenden
^kienenen in der Frauenfrage den Einfluß der Männer auf die Erziehung der
weiblichen Jugend immer mehr beschränke», ja womöglich ganz beseitigen wollen
und anderseits doch die Hauptaufgabe der Erziehung darin sehen, die Mädchen
zum Wettstreit rin den Männern vorzubereiten. Wir wissen sehr Wohl, daß
unter der weiblichen Bevölkerung betrübende Mißstände herrsche»: ja es wäre
gewissenlos, wollte man das rastlose und oft sorgenvolle Strebe» der unver¬
heirateten Frauen »ach el»em selbständigen Lebens berus von oben herab be¬
lächeln. Aber die Vorkämpfer fangen die Sache falsch an; sie greifen in ihren
Forderungen zu hoch.
Wenn sie Fachschule» verlaiigte» für Gärtnerei und Landwirtschaft, für
Troguerie und Photographie, für llhrmacherei und Goldschmiedekunst, für
Konditorei und Bückerei u. f. w., dann ließe sich mit ihnen reden; aber gerade
die dem Weibe am fernsten liegende Thätigkeit, das wissenschaftliche Studium, als
nächstes Ziel erstreben — das heißt denn doch mit dem Lasso »ach den, Monde
werfen. Sie stellen nicht nur unüberlegte Forderungen um den Staat, sonder»
gehen anch in ihre» Begründungen von falschen Aiiimhme» aus und machen
die Schulen für Übelstände verantwortlich, die dnrch tausendfältige Strömungen
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |