Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.Mmizoni und Goethe Manzoni beliebte Einteilung in geschichtliche und ideale oder erdichtete Persönlich Manzoni, ebenso überrascht wie erfreut über Goethes Urteil, sprach ihm Von dieser Zeit an ließ Goethe "seinen Liebling" nicht wieder aus den Mmizoni und Goethe Manzoni beliebte Einteilung in geschichtliche und ideale oder erdichtete Persönlich Manzoni, ebenso überrascht wie erfreut über Goethes Urteil, sprach ihm Von dieser Zeit an ließ Goethe „seinen Liebling" nicht wieder aus den <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0088" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/204819"/> <fw type="header" place="top"> Mmizoni und Goethe</fw><lb/> <p xml:id="ID_212" prev="#ID_211"> Manzoni beliebte Einteilung in geschichtliche und ideale oder erdichtete Persönlich<lb/> leiten zu tadeln findet. „Für den Dichter ist keine Person historisch; es<lb/> beliebt ihm, seine sittliche Welt darzustellen, und er erweist zu diesem Zwecke<lb/> gewissen Personen aus der Geschichte die Ehre, ihre Namen seinen Geschöpfen<lb/> zu leihen, und Herrn Manzoni dürfen wir zum Ruhme anrechnen, daß seine<lb/> Figuren alle aus einem Gusse sind, eine so ideell wie die andre." Schließlich<lb/> wünscht der Kritiker dem Verfasser Glück, daß er, von alten Regeln sich los¬<lb/> sagend, auf der neuen Bahn fo ernst und ruhig fortgeschritten sei, daß man<lb/> nach seinein Werke gar wohl neue Regeln bilden könne, giebt ihm das Zeugnis,<lb/> daß er im einzelnen mit Geist, Wahl und Genauigkeit Verfahren sei und daß<lb/> männlicher Ernst und Klarheit bei ihm stets zusammen walteten, so daß man<lb/> sein Stück wohl ein klassisches nennen könne. Auch die Form, der elfsilbige<lb/> reimlose Vers (Goethe nennt ihn etwas uneigentlich den elfsilbigen Jambus)<lb/> mit dem häufigen Übergreifen des Sinnes von Vers zu Vers (vnMudviuent)<lb/> findet sein uneingeschränktes Lob.</p><lb/> <p xml:id="ID_213"> Manzoni, ebenso überrascht wie erfreut über Goethes Urteil, sprach ihm<lb/> in warmer und würdiger Weise seinen Dank dafür in einem Briefe von<lb/> 21. Januar 1821 aus. Während andre Kritiker ihn um unbedeutender Dinge<lb/> mulier gelobt und gerade das, worauf er selbst den höchsten Wert lege, unbe¬<lb/> achtet gelassen oder getadelt Hütten, habe er in Goethes „reinen und glänzenden"<lb/> Worten den ursprünglichen Sinn seiner Bestrebungen (1a. l'ormolu, primitiv«,<lb/> «Zolls sus iutonAÜmi) gefunden. Den Ausdruck hoher Bewunderung und Ver¬<lb/> ehrung für den großen Kritiker laßt die deutsche Übersetzung (Über Kunst und<lb/> Altertum IV, W ff.) aus begreiflichen Gründen bei Seite.</p><lb/> <p xml:id="ID_214" next="#ID_215"> Von dieser Zeit an ließ Goethe „seinen Liebling" nicht wieder aus den<lb/> Augen. Als dessen nächstes poetisches Produkt, die großartige Ode auf den<lb/> Tod Napoleons (II einquv NÄggio) in seine Hände kam, war er so entzückt<lb/> davon, daß er der Versuchung nicht widerstehen konnte, sie selbst allen seinen<lb/> Landsleuten zugänglich zu macheu: in „Kunst und Altertum" (IV, S. 182)<lb/> erschien eine Übersetzung aus seiner Feder. So klar und sicher aber der deutsche<lb/> Dichter deu Sinn und Geist des Originals im ganzen erfaßt, so schön und<lb/> treffend er einzelne Stellen in ihrem knappen, gedankenreichen und schwung¬<lb/> vollen Ausdruck wiedergegeben hat, so kann doch der unbefangene Beurteiler<lb/> die Arbeit nur für sehr teilweise gelungen erklären. Vielleicht ist eine nach<lb/> Inhalt und Form völlig befriedigende Übersetzung, wenigstens eine solche, die<lb/> sich dein Urtext so genau anzuschließen bemüht ist wie die Goethische, über¬<lb/> haupt unmöglich; wenigstens sind Goethes Nachfolger darin nicht glücklicher<lb/> gewesen als er. Der wunderbare Wohlklang der Verse des Originals ist mit<lb/> dem spröderen Material unsrer Sprache uicht wieder hervorzubringen. Um sich<lb/> seine Aufgabe einigermaßen zu erleichtern, hat Goethe auf den Reim verzichtet,<lb/> der doch hier kaum zu entbehren war, um den leisen Rhythmus der kurzen,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0088]
Mmizoni und Goethe
Manzoni beliebte Einteilung in geschichtliche und ideale oder erdichtete Persönlich
leiten zu tadeln findet. „Für den Dichter ist keine Person historisch; es
beliebt ihm, seine sittliche Welt darzustellen, und er erweist zu diesem Zwecke
gewissen Personen aus der Geschichte die Ehre, ihre Namen seinen Geschöpfen
zu leihen, und Herrn Manzoni dürfen wir zum Ruhme anrechnen, daß seine
Figuren alle aus einem Gusse sind, eine so ideell wie die andre." Schließlich
wünscht der Kritiker dem Verfasser Glück, daß er, von alten Regeln sich los¬
sagend, auf der neuen Bahn fo ernst und ruhig fortgeschritten sei, daß man
nach seinein Werke gar wohl neue Regeln bilden könne, giebt ihm das Zeugnis,
daß er im einzelnen mit Geist, Wahl und Genauigkeit Verfahren sei und daß
männlicher Ernst und Klarheit bei ihm stets zusammen walteten, so daß man
sein Stück wohl ein klassisches nennen könne. Auch die Form, der elfsilbige
reimlose Vers (Goethe nennt ihn etwas uneigentlich den elfsilbigen Jambus)
mit dem häufigen Übergreifen des Sinnes von Vers zu Vers (vnMudviuent)
findet sein uneingeschränktes Lob.
Manzoni, ebenso überrascht wie erfreut über Goethes Urteil, sprach ihm
in warmer und würdiger Weise seinen Dank dafür in einem Briefe von
21. Januar 1821 aus. Während andre Kritiker ihn um unbedeutender Dinge
mulier gelobt und gerade das, worauf er selbst den höchsten Wert lege, unbe¬
achtet gelassen oder getadelt Hütten, habe er in Goethes „reinen und glänzenden"
Worten den ursprünglichen Sinn seiner Bestrebungen (1a. l'ormolu, primitiv«,
«Zolls sus iutonAÜmi) gefunden. Den Ausdruck hoher Bewunderung und Ver¬
ehrung für den großen Kritiker laßt die deutsche Übersetzung (Über Kunst und
Altertum IV, W ff.) aus begreiflichen Gründen bei Seite.
Von dieser Zeit an ließ Goethe „seinen Liebling" nicht wieder aus den
Augen. Als dessen nächstes poetisches Produkt, die großartige Ode auf den
Tod Napoleons (II einquv NÄggio) in seine Hände kam, war er so entzückt
davon, daß er der Versuchung nicht widerstehen konnte, sie selbst allen seinen
Landsleuten zugänglich zu macheu: in „Kunst und Altertum" (IV, S. 182)
erschien eine Übersetzung aus seiner Feder. So klar und sicher aber der deutsche
Dichter deu Sinn und Geist des Originals im ganzen erfaßt, so schön und
treffend er einzelne Stellen in ihrem knappen, gedankenreichen und schwung¬
vollen Ausdruck wiedergegeben hat, so kann doch der unbefangene Beurteiler
die Arbeit nur für sehr teilweise gelungen erklären. Vielleicht ist eine nach
Inhalt und Form völlig befriedigende Übersetzung, wenigstens eine solche, die
sich dein Urtext so genau anzuschließen bemüht ist wie die Goethische, über¬
haupt unmöglich; wenigstens sind Goethes Nachfolger darin nicht glücklicher
gewesen als er. Der wunderbare Wohlklang der Verse des Originals ist mit
dem spröderen Material unsrer Sprache uicht wieder hervorzubringen. Um sich
seine Aufgabe einigermaßen zu erleichtern, hat Goethe auf den Reim verzichtet,
der doch hier kaum zu entbehren war, um den leisen Rhythmus der kurzen,
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