Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.Manzoni in>!> Goethe zugleich, wenn auch dein Dichter selbst noch unbewußt, in diesen unschuldigen Manzoni war kein Universalgenie, selbst nicht in der Dichtkunst. Er selbst Manzoni in>!> Goethe zugleich, wenn auch dein Dichter selbst noch unbewußt, in diesen unschuldigen Manzoni war kein Universalgenie, selbst nicht in der Dichtkunst. Er selbst <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0086" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/204817"/> <fw type="header" place="top"> Manzoni in>!> Goethe</fw><lb/> <p xml:id="ID_206" prev="#ID_205"> zugleich, wenn auch dein Dichter selbst noch unbewußt, in diesen unschuldigen<lb/> Hymnen der früheste Keim jenes politischen Programms, das die Wiedergeburt<lb/> Italiens durch die.Kirche zu erreichen strebte und hoffte, und in diesem Sinne<lb/> hat mau die Juni saori uicht ohne Grund als das Vorwort der romantischen<lb/> Schule bezeichnet. Wenn wir aber in thuen gleichsam die Morgenröte einer<lb/> neuen poetischen Zeit erblicken und wenn wir Manzonis spätere Werke als<lb/> den vollkommensten Ausdruck der neuen Richtung bezeichnen dürfen, weil er<lb/> am entschiedensten mit dem sogenannten Klassizismus brach und sich von dem<lb/> Zwange engherziger, veralteter Vorschriften um gründlichsten losmachte, weil<lb/> er am meisten dazu beitrug, die Fesseln zu brechen, die die italienische Litteratur<lb/> der letzten Jahrhunderte an ausländische, besonders französische Vorbilder<lb/> ketteten, weil er in seinen Dichtungen vor allem statt des bloßen Wvrt-<lb/> geklingels und statt der Gedanken, Ereignisse und Empfindungen des Alltags¬<lb/> lebens die höchsten Gemeingüter der Menschheit, Religion, Vaterlands- und<lb/> allgemeine Menschenliebe, wieder in den Vordergrund rückte, so müssen wir<lb/> doch anderseits hervorheben, daß er nie daran dachte, Schule zu machen, daß<lb/> er nicht mit andern nach einem gemeinsamen Programm arbeitete, sondern die<lb/> ihm vorschwebenden Ideale in einsamem Streben, Denken und Dichten zu<lb/> verwirklichen suchte. Manzoni war kein Dichter für den großen Haufen, dazu<lb/> waren seine Ideen und Gefühle ebenso wie ihr Ausdruck zu hvchfliegend; erst<lb/> und allein durch seinen Roman ist er ein populärer Schriftsteller im gewöhn¬<lb/> lichen Sinne des Wortes geworden. Wenn er dagegen früh die Edelsten und<lb/> Besten seiner Nation für sich gewann, und wenn ihre Begeisterung sich an<lb/> seinen Werken entzündete, wenn er durch sie — vor allem freilich wieder durch<lb/> die „Verlobten" — der einzige italienische Dichter unter seinen Zeitgenossen ward,<lb/> der der Weltlitteratnr angehört, wenn er der erklärte Liebling unsers größten<lb/> Dichters wurde, Goethes, der vielleicht mit keinem der jüngern uuter den Mit¬<lb/> lebenden, selbst mit Byron nicht, so vollständig übereinstimmte wie mit Manzoni,<lb/> so war es, weil er durch den Schleier der äußern Thatsachen stets in das<lb/> innere Wesen der Menschen nud Dinge einzudringen trachtete und es mit<lb/> dichterischem Geiste erkannte, weil die neuen Tone, die er anschlug und in<lb/> die italienische Litteratur einführte, dem Ewigmenschlichen entsprossen, weil<lb/> seinem reinen und hohen Geiste alles Niedrige und Gemeine sern, blieb lind<lb/> uns in allen seinen Dichtungen ein Adel der Gesinnung entgegentritt, der auf<lb/> uus selbst reinigend und erhebend wirkt, endlich, weil Form und Inhalt bei<lb/> ihnen sich stets harmonisch decken. So erscheint Mnuzoni zwar als Romantiker,<lb/> aber als ein Romantiker, an dem, wie Goethe sagt, uicht die geringste der<lb/> Unarten des Nomautizismus haftete.</p><lb/> <p xml:id="ID_207" next="#ID_208"> Manzoni war kein Universalgenie, selbst nicht in der Dichtkunst. Er selbst<lb/> erkannte deutlich die Grenzen seiner Begabung, ja er dachte sogar allzu be¬<lb/> scheiden davon. „Manzoni," sagte Goethe zu Eckermann, „fehlt nichts, als</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0086]
Manzoni in>!> Goethe
zugleich, wenn auch dein Dichter selbst noch unbewußt, in diesen unschuldigen
Hymnen der früheste Keim jenes politischen Programms, das die Wiedergeburt
Italiens durch die.Kirche zu erreichen strebte und hoffte, und in diesem Sinne
hat mau die Juni saori uicht ohne Grund als das Vorwort der romantischen
Schule bezeichnet. Wenn wir aber in thuen gleichsam die Morgenröte einer
neuen poetischen Zeit erblicken und wenn wir Manzonis spätere Werke als
den vollkommensten Ausdruck der neuen Richtung bezeichnen dürfen, weil er
am entschiedensten mit dem sogenannten Klassizismus brach und sich von dem
Zwange engherziger, veralteter Vorschriften um gründlichsten losmachte, weil
er am meisten dazu beitrug, die Fesseln zu brechen, die die italienische Litteratur
der letzten Jahrhunderte an ausländische, besonders französische Vorbilder
ketteten, weil er in seinen Dichtungen vor allem statt des bloßen Wvrt-
geklingels und statt der Gedanken, Ereignisse und Empfindungen des Alltags¬
lebens die höchsten Gemeingüter der Menschheit, Religion, Vaterlands- und
allgemeine Menschenliebe, wieder in den Vordergrund rückte, so müssen wir
doch anderseits hervorheben, daß er nie daran dachte, Schule zu machen, daß
er nicht mit andern nach einem gemeinsamen Programm arbeitete, sondern die
ihm vorschwebenden Ideale in einsamem Streben, Denken und Dichten zu
verwirklichen suchte. Manzoni war kein Dichter für den großen Haufen, dazu
waren seine Ideen und Gefühle ebenso wie ihr Ausdruck zu hvchfliegend; erst
und allein durch seinen Roman ist er ein populärer Schriftsteller im gewöhn¬
lichen Sinne des Wortes geworden. Wenn er dagegen früh die Edelsten und
Besten seiner Nation für sich gewann, und wenn ihre Begeisterung sich an
seinen Werken entzündete, wenn er durch sie — vor allem freilich wieder durch
die „Verlobten" — der einzige italienische Dichter unter seinen Zeitgenossen ward,
der der Weltlitteratnr angehört, wenn er der erklärte Liebling unsers größten
Dichters wurde, Goethes, der vielleicht mit keinem der jüngern uuter den Mit¬
lebenden, selbst mit Byron nicht, so vollständig übereinstimmte wie mit Manzoni,
so war es, weil er durch den Schleier der äußern Thatsachen stets in das
innere Wesen der Menschen nud Dinge einzudringen trachtete und es mit
dichterischem Geiste erkannte, weil die neuen Tone, die er anschlug und in
die italienische Litteratur einführte, dem Ewigmenschlichen entsprossen, weil
seinem reinen und hohen Geiste alles Niedrige und Gemeine sern, blieb lind
uns in allen seinen Dichtungen ein Adel der Gesinnung entgegentritt, der auf
uus selbst reinigend und erhebend wirkt, endlich, weil Form und Inhalt bei
ihnen sich stets harmonisch decken. So erscheint Mnuzoni zwar als Romantiker,
aber als ein Romantiker, an dem, wie Goethe sagt, uicht die geringste der
Unarten des Nomautizismus haftete.
Manzoni war kein Universalgenie, selbst nicht in der Dichtkunst. Er selbst
erkannte deutlich die Grenzen seiner Begabung, ja er dachte sogar allzu be¬
scheiden davon. „Manzoni," sagte Goethe zu Eckermann, „fehlt nichts, als
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