Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.Aus dein Leben des Kardinals Rauscher Jahrhunderts als Gegenwirkung gegen den Rationalismus der vorhergehenden Die Eltern waren jedoch mit dem Sinneswandel ihres Sohnes nicht Zuletzt erlangte Rauscher doch die Einwilligung der Eltern zum Übertritt Die theologischen Studien in Österreich waren damals von einer Blüte- Grenzboten II 1889 0
Aus dein Leben des Kardinals Rauscher Jahrhunderts als Gegenwirkung gegen den Rationalismus der vorhergehenden Die Eltern waren jedoch mit dem Sinneswandel ihres Sohnes nicht Zuletzt erlangte Rauscher doch die Einwilligung der Eltern zum Übertritt Die theologischen Studien in Österreich waren damals von einer Blüte- Grenzboten II 1889 0
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0073" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/204804"/> <fw type="header" place="top"> Aus dein Leben des Kardinals Rauscher</fw><lb/> <p xml:id="ID_174" prev="#ID_173"> Jahrhunderts als Gegenwirkung gegen den Rationalismus der vorhergehenden<lb/> Periode und die Glaubensfeindlichkeit der Revolution emporgekommen war.<lb/> Als eifriger „Seelenfänger" wußte er deu Kranken, den langsam genesenden,<lb/> der heiligen Sache zu gewinnen, bald finden wir den jungen Rauscher vou<lb/> tiefer Frömmigkeit erfüllt, täglich viele Stunden in Gebet und Andachtsübungen<lb/> zubringend. Aber auch diese neue Gemütsstimmung drängte ihn zu dichterischen<lb/> Ergüssen. „Aufmunterung im Trübsinn" ist ein Gedicht überschrieben, das<lb/> aus diesen Jahren stammt; es spricht sich darin der Entschluß aus, nicht in<lb/> mönchisch-düsterer Frömmigkeit dein Herrn zu dienen, sondern in milder, liebe¬<lb/> voller Heiterkeit. Ein andres Gedicht, „Die irdische Hoffnung," spiegelt das<lb/> Streben des Jünglings, sich von allen Interessen nud Sorgen dieser Welt<lb/> völlig loszureißen. Schulte meint, Rauscher sei eine nüchterne Natur gewesen,<lb/> bar alles höheren Schwunges; möglich, daß er im höheren Alter so erschien,<lb/> die poetischen Versuche seiner Jugend, die Schulte nicht kannte, zeigen, daß<lb/> seine Religiosität doch in seinem gemütlichen Bedürfnis ihren Ursprung hatte<lb/> und der Wärme nud Begeisterung keineswegs entbehrte.</p><lb/> <p xml:id="ID_175"> Die Eltern waren jedoch mit dem Sinneswandel ihres Sohnes nicht<lb/> einverstanden, nud als dieser den Entschluß aussprach, sich dem geistlichen<lb/> Stande zu widmen, versagten sie zuerst ihre Erlaubnis. Wir hören ans<lb/> Briefen, die die Mutter darüber ihrem in Salzburg weidenden Gatten schrieb,<lb/> daß sie sogar Audienz bei Kaiser Franz nachsuchte, um vou ihm Rat und<lb/> Hilfe in dieser Familienangelegenheit zu erbitten. Sehr bezeichnend für das<lb/> damalige Regierungssystem des Monarchen ist es, daß er der Mutter versprach,<lb/> die Sache „durch die Polizei untersuchen" zu lassen. Denn insofern sich in<lb/> dem Entschlüsse Josef Othmars eine enthusiastische Überschwänglichkeit kundgab,<lb/> erschien darin bereits etwas Staatsgefährliches. Es war die josephinifche<lb/> Nüchternheit bis zur Karrikatur verzerrt, die das Staatsleben Österreichs<lb/> etwa von 1817—1848 kennzeichnete, auch die Religion sollte sich innerhalb<lb/> derselben halten, freie Bewegung war auch ihr nicht gegönnt.</p><lb/> <p xml:id="ID_176"> Zuletzt erlangte Rauscher doch die Einwilligung der Eltern zum Übertritt<lb/> in die theologische Fakultät, nur mußte er sich dem Vater verpflichten, erst<lb/> die juristischen Studien zu vollenden. Dies that er auch und legte, schon als<lb/> Theologe, 1821 die juristischen Staatsprüfungen ab.</p><lb/> <p xml:id="ID_177" next="#ID_178"> Die theologischen Studien in Österreich waren damals von einer Blüte-<lb/> Periode weit entfernt. Auch auf diesem Gebiete galt seit Joseph II. die Regel/<lb/> daß nur das der öffentlichen Pflege wert sei, was dem Staate unmittelbaren,<lb/> greifbaren Nutzen bringe. Brauchbare Geistliche für die Pfarreien heranzubilden,<lb/> solche, die Messe zu lesen, leidlich zu predigen, in der Beichte moralische Rat¬<lb/> schläge zu geben und vor allem dem Staat in allen Dingen gefügig zu sein<lb/> verstünden, das war die Aufgabe der theologischen Fakultäten. An eine wissen¬<lb/> schaftliche Vertiefung der katholischen Lehre, an ein eindringliches Studium der</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten II 1889 0</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0073]
Aus dein Leben des Kardinals Rauscher
Jahrhunderts als Gegenwirkung gegen den Rationalismus der vorhergehenden
Periode und die Glaubensfeindlichkeit der Revolution emporgekommen war.
Als eifriger „Seelenfänger" wußte er deu Kranken, den langsam genesenden,
der heiligen Sache zu gewinnen, bald finden wir den jungen Rauscher vou
tiefer Frömmigkeit erfüllt, täglich viele Stunden in Gebet und Andachtsübungen
zubringend. Aber auch diese neue Gemütsstimmung drängte ihn zu dichterischen
Ergüssen. „Aufmunterung im Trübsinn" ist ein Gedicht überschrieben, das
aus diesen Jahren stammt; es spricht sich darin der Entschluß aus, nicht in
mönchisch-düsterer Frömmigkeit dein Herrn zu dienen, sondern in milder, liebe¬
voller Heiterkeit. Ein andres Gedicht, „Die irdische Hoffnung," spiegelt das
Streben des Jünglings, sich von allen Interessen nud Sorgen dieser Welt
völlig loszureißen. Schulte meint, Rauscher sei eine nüchterne Natur gewesen,
bar alles höheren Schwunges; möglich, daß er im höheren Alter so erschien,
die poetischen Versuche seiner Jugend, die Schulte nicht kannte, zeigen, daß
seine Religiosität doch in seinem gemütlichen Bedürfnis ihren Ursprung hatte
und der Wärme nud Begeisterung keineswegs entbehrte.
Die Eltern waren jedoch mit dem Sinneswandel ihres Sohnes nicht
einverstanden, nud als dieser den Entschluß aussprach, sich dem geistlichen
Stande zu widmen, versagten sie zuerst ihre Erlaubnis. Wir hören ans
Briefen, die die Mutter darüber ihrem in Salzburg weidenden Gatten schrieb,
daß sie sogar Audienz bei Kaiser Franz nachsuchte, um vou ihm Rat und
Hilfe in dieser Familienangelegenheit zu erbitten. Sehr bezeichnend für das
damalige Regierungssystem des Monarchen ist es, daß er der Mutter versprach,
die Sache „durch die Polizei untersuchen" zu lassen. Denn insofern sich in
dem Entschlüsse Josef Othmars eine enthusiastische Überschwänglichkeit kundgab,
erschien darin bereits etwas Staatsgefährliches. Es war die josephinifche
Nüchternheit bis zur Karrikatur verzerrt, die das Staatsleben Österreichs
etwa von 1817—1848 kennzeichnete, auch die Religion sollte sich innerhalb
derselben halten, freie Bewegung war auch ihr nicht gegönnt.
Zuletzt erlangte Rauscher doch die Einwilligung der Eltern zum Übertritt
in die theologische Fakultät, nur mußte er sich dem Vater verpflichten, erst
die juristischen Studien zu vollenden. Dies that er auch und legte, schon als
Theologe, 1821 die juristischen Staatsprüfungen ab.
Die theologischen Studien in Österreich waren damals von einer Blüte-
Periode weit entfernt. Auch auf diesem Gebiete galt seit Joseph II. die Regel/
daß nur das der öffentlichen Pflege wert sei, was dem Staate unmittelbaren,
greifbaren Nutzen bringe. Brauchbare Geistliche für die Pfarreien heranzubilden,
solche, die Messe zu lesen, leidlich zu predigen, in der Beichte moralische Rat¬
schläge zu geben und vor allem dem Staat in allen Dingen gefügig zu sein
verstünden, das war die Aufgabe der theologischen Fakultäten. An eine wissen¬
schaftliche Vertiefung der katholischen Lehre, an ein eindringliches Studium der
Grenzboten II 1889 0
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