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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

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Zur Erklärung deutscher Revolutioirssympathien ^?9O--

ihm befreundeten Herder aus der Ferne 1" 8",1no et"zUa lidöiM zuzutrinken.
Ju den Ziiniuern der Herzogin sah man, nach der Versicherung des herzog¬
lichen Bibliothekars Ottokar Reichard, die Büsten der Männer einander ab-
lösen, die nach einander in Frankreich als Helden der Revolution im Vorder¬
gründe standen. Reichard, ein entschlossner Gegner der Revolution, gab zu
ihrer Bekämpfung einen Revolutions-Almanach hernns. Der Titel täuschte
neben manchen andern auch die Herzogin; eben deshalb, d. h. in der Erwartung,
eine Schrift zu Gunsten der Revolution zu erhalten, bestellte sie zwölf
Exemplare, die sie nach Erkenntnis ihres Irrtums sogleich zurücksandte. Auch
der Herzog selbst, der übrigens mit Reichard auf bestem Fuße stand, ver¬
hehlte ihm doch keineswegs sein Mißbehagen an dieser revolutionsfeindlichen
Schriftstellerei. Streitigkeiten abhold, durch die sich vielleicht Personen seines
nächsten Umganges übel berührt fühlten, mochte er Wohl dem Wunsche, sich
Verdruß erspart zu sehn, Eifer und Sorge um seine fürstliche Würde nachsetzen.
Anders dachte der Prinz (der nachmalige Herzog) Ludwig Eugen von Würtem-
berg, der an Friedrich Cotta die von diesem herausgegebene "Deutsche Staats¬
literatur" mit einem scharfen Schreiben ob der darin enthaltnen "höchst schäd¬
lichen und aufrührerischen Gesinnungen der gegenwärtig äußerst verdorbnen
unglücklichen Franzosen" zurückschickte und sich dadurch von dem Schriftsteller
eine lange Zurechtweisung zuzog, die zugleich mit der Zuschrift des Prinzen im
Journal von und für Deutschland zum Abdruck gebracht wurde.

Was endlich zu keiner Zeit einer revolutionären Sache fehlen wird, das
sind die Sympathien Schiffbrüchiger Existenzen jedes Nnuges und Standes.
Selbst der Fürstenstand war hierfür nicht ohne Beispiel. Hatte doch anch
dieser im westlichen Deutschland damals so zahlreiche Stand eine Art von
Proletariat, zu dem der eine oder andre seiner Angehörigen hinabsank. Auf
einige solcher Persönlichkeiten war noch unter Josefs II. kaiserlicher Regierung
durch ein paar aufsehenerregende Reichshvfratserkenntnisse ein grelles Licht
geworfen worden. Auch Friedrich III., Fürst von Salm-Khrburg, Reichsfürst von
Hornes und Overisque in den Niederlanden, des Heil. Römischen Reiches Erb-Ober-
Jägermeister in Burgund, Grande von Spanien erster Klasse u. s. w., hatte schon
früher in absonderlicher Weise von sich reden gemacht. Wie es in ältern Zeiten
unter solchen kleinen Reichsständen so gewöhnlich gewesen war, hatte er sich
einen Verdienst gesucht durch Anwerbung einer Truppe für eine größere,
zahlungsfähige Regierung. Als zwischen Joseph II. und der Republik der
Generalstaaten um die Scheldesperre ein Krieg drohte, und kurz nachher, als
es innerhalb der Republik zwischeu der sog. Patriotenpartei und dem oranischen
Hause zum Zerwürfnis kam, war der Fürst damit beschäftigt gewesen, Streittrüfte
für die Generalstaaten und dann für die Patriotenpartei innerhalb dieser auf die
Beine zu bringen. Er hatte dabei weder sonderlichen Ruhm noch eine dauernde
Aushilfe für seine Vermögensverhältnisse gewonnen. Ein Verlorner Rechtshändel


Zur Erklärung deutscher Revolutioirssympathien ^?9O—

ihm befreundeten Herder aus der Ferne 1» 8»,1no et«zUa lidöiM zuzutrinken.
Ju den Ziiniuern der Herzogin sah man, nach der Versicherung des herzog¬
lichen Bibliothekars Ottokar Reichard, die Büsten der Männer einander ab-
lösen, die nach einander in Frankreich als Helden der Revolution im Vorder¬
gründe standen. Reichard, ein entschlossner Gegner der Revolution, gab zu
ihrer Bekämpfung einen Revolutions-Almanach hernns. Der Titel täuschte
neben manchen andern auch die Herzogin; eben deshalb, d. h. in der Erwartung,
eine Schrift zu Gunsten der Revolution zu erhalten, bestellte sie zwölf
Exemplare, die sie nach Erkenntnis ihres Irrtums sogleich zurücksandte. Auch
der Herzog selbst, der übrigens mit Reichard auf bestem Fuße stand, ver¬
hehlte ihm doch keineswegs sein Mißbehagen an dieser revolutionsfeindlichen
Schriftstellerei. Streitigkeiten abhold, durch die sich vielleicht Personen seines
nächsten Umganges übel berührt fühlten, mochte er Wohl dem Wunsche, sich
Verdruß erspart zu sehn, Eifer und Sorge um seine fürstliche Würde nachsetzen.
Anders dachte der Prinz (der nachmalige Herzog) Ludwig Eugen von Würtem-
berg, der an Friedrich Cotta die von diesem herausgegebene „Deutsche Staats¬
literatur" mit einem scharfen Schreiben ob der darin enthaltnen „höchst schäd¬
lichen und aufrührerischen Gesinnungen der gegenwärtig äußerst verdorbnen
unglücklichen Franzosen" zurückschickte und sich dadurch von dem Schriftsteller
eine lange Zurechtweisung zuzog, die zugleich mit der Zuschrift des Prinzen im
Journal von und für Deutschland zum Abdruck gebracht wurde.

Was endlich zu keiner Zeit einer revolutionären Sache fehlen wird, das
sind die Sympathien Schiffbrüchiger Existenzen jedes Nnuges und Standes.
Selbst der Fürstenstand war hierfür nicht ohne Beispiel. Hatte doch anch
dieser im westlichen Deutschland damals so zahlreiche Stand eine Art von
Proletariat, zu dem der eine oder andre seiner Angehörigen hinabsank. Auf
einige solcher Persönlichkeiten war noch unter Josefs II. kaiserlicher Regierung
durch ein paar aufsehenerregende Reichshvfratserkenntnisse ein grelles Licht
geworfen worden. Auch Friedrich III., Fürst von Salm-Khrburg, Reichsfürst von
Hornes und Overisque in den Niederlanden, des Heil. Römischen Reiches Erb-Ober-
Jägermeister in Burgund, Grande von Spanien erster Klasse u. s. w., hatte schon
früher in absonderlicher Weise von sich reden gemacht. Wie es in ältern Zeiten
unter solchen kleinen Reichsständen so gewöhnlich gewesen war, hatte er sich
einen Verdienst gesucht durch Anwerbung einer Truppe für eine größere,
zahlungsfähige Regierung. Als zwischen Joseph II. und der Republik der
Generalstaaten um die Scheldesperre ein Krieg drohte, und kurz nachher, als
es innerhalb der Republik zwischeu der sog. Patriotenpartei und dem oranischen
Hause zum Zerwürfnis kam, war der Fürst damit beschäftigt gewesen, Streittrüfte
für die Generalstaaten und dann für die Patriotenpartei innerhalb dieser auf die
Beine zu bringen. Er hatte dabei weder sonderlichen Ruhm noch eine dauernde
Aushilfe für seine Vermögensverhältnisse gewonnen. Ein Verlorner Rechtshändel


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/69>, abgerufen am 05.02.2025.