Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.Zur Erklärung deutscher Revolntwussympathien l?9^--^92 Wie erfreulich schon, von den zahllosen Wildschweinen und Hirschen, Rehen Es versteht sich, daß an vielen Stellen besondre Unistände und Beweg¬ Noch viel stärker und allgemeiner machte sich aber doch etwas andres Grenzboten II 1889 L
Zur Erklärung deutscher Revolntwussympathien l?9^—^92 Wie erfreulich schon, von den zahllosen Wildschweinen und Hirschen, Rehen Es versteht sich, daß an vielen Stellen besondre Unistände und Beweg¬ Noch viel stärker und allgemeiner machte sich aber doch etwas andres Grenzboten II 1889 L
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0065" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/204796"/> <fw type="header" place="top"> Zur Erklärung deutscher Revolntwussympathien l?9^—^92</fw><lb/> <p xml:id="ID_154" prev="#ID_153"> Wie erfreulich schon, von den zahllosen Wildschweinen und Hirschen, Rehen<lb/> und Hasen zu hören, durch deren Hinwegpirschnng man in vielen Gegenden<lb/> den durch die Wildschaden bedrängten Landmann beim Guten zu erhalten be¬<lb/> dacht war! Schlözer redet von dem „schon lange durch sich und noch mehr<lb/> durch die französische Revolution erhellten" Deutschland und hält einem deutschen<lb/> „Schwarzen" sehr derb unter die Augen, wieviel Gutes diese Revolution für<lb/> die Welt gestiftet, wie sie namentlich den Deutschen so manches Praktisch ge¬<lb/> lehrt habe, was sie theoretisch schon längst gewußt hätten. Nun aber die<lb/> Grenze zu bestimmen, innerhalb deren sich jene Anfechtung der alten Mi߬<lb/> bräuche und, dem entsprechend, die Wertschätzung der Nevolutionswirkungen<lb/> zu halten habe, schien um so mißlicher, da denn doch oft auch die offenbarsten<lb/> Mißbräuche ohne Abhilfe gelassen, auch die bescheidensten Klagen übel auf¬<lb/> genommen wurden. Wir verwundern uns nicht, wenn wir auch in jeuer Zeit<lb/> ruheliebende Männer klagen hören, als Sache der Schwachköpfe gelte es, mit<lb/> dem Bestehenden zufrieden zu sein, zu einen: Genie gehöre es, alles zu tadeln.</p><lb/> <p xml:id="ID_155"> Es versteht sich, daß an vielen Stellen besondre Unistände und Beweg¬<lb/> gründe der französischen Revolution noch zu einer besondern Empfehlung dienten.<lb/> In wenigen Punkten erfreute sich die Nationalversammlung eiues so vollstim-<lb/> miger Beifalls auf deutschem Boden wie in der freien Art, nach den Gesichts¬<lb/> punkten des Staates über kirchliche Verfassnngs- und Berwaltnngsverhältnisse<lb/> zu verfügen. Selbst im katholischen Deutschland fehlte es nicht an Beifall;<lb/> hatte doch Joseph II. in seinen Staaten ganz ähnliches geleistet und dabei<lb/> auch unter dem Klerus Anhänger gefunden. Die Oberdeutsche Litterntur-<lb/> zeituug, die in Salzburg unter der Herrschaft eines freisinnigen Erzbischof5<lb/> erschien, beurteilte die kirchlichen Maßnahmen der französischen National¬<lb/> versammlung günstig. Ungleich allgemeiner war aber natürlich der Beifall<lb/> unter den Protestanten. Wie hätten sie nicht an dein Zerwürfnis der franzö¬<lb/> sischen Nationalversammlung mit der Autorität der römischen Kirche ihr Wohl¬<lb/> gefallen finden sollen! Vor den Augen der damaligen Aufklärung trat die<lb/> gewaltige Verschiedenheit zwischen dein Charakter dieses Zerwürfnisses und<lb/> dem der lutherisch-zwinglischen Reformation zurück gegen den Umstand, daß<lb/> es hier wie dort die Bekämpfung des gleichen Feindes galt. Schlözer weist<lb/> darauf hin, daß die deutsche Nation zu einem großen Teile schon vor mehr<lb/> als 250 Jahren das ausgeführt habe, was erst jetzt die Weisesten der franzö¬<lb/> sischen Nation unternähmen, und fordert auf, Stellen ans Lntherschen Schriften<lb/> mit solchen aus Mirabeaus Reden zu vergleichen und zu entscheide!?, bei wem<lb/> die größte Kraft zu finden sei.</p><lb/> <p xml:id="ID_156" next="#ID_157"> Noch viel stärker und allgemeiner machte sich aber doch etwas andres<lb/> bemerklich. Wenn der Adel eine Klasse bildete, in der der Widerwille gegen<lb/> die Revolution eine vorzügliche Stätte fand, so wird man sich nicht minder<lb/> leicht vorstellen, daß unter den übrigen Klassen alles, was in ihnen gegen den</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten II 1889 L</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0065]
Zur Erklärung deutscher Revolntwussympathien l?9^—^92
Wie erfreulich schon, von den zahllosen Wildschweinen und Hirschen, Rehen
und Hasen zu hören, durch deren Hinwegpirschnng man in vielen Gegenden
den durch die Wildschaden bedrängten Landmann beim Guten zu erhalten be¬
dacht war! Schlözer redet von dem „schon lange durch sich und noch mehr
durch die französische Revolution erhellten" Deutschland und hält einem deutschen
„Schwarzen" sehr derb unter die Augen, wieviel Gutes diese Revolution für
die Welt gestiftet, wie sie namentlich den Deutschen so manches Praktisch ge¬
lehrt habe, was sie theoretisch schon längst gewußt hätten. Nun aber die
Grenze zu bestimmen, innerhalb deren sich jene Anfechtung der alten Mi߬
bräuche und, dem entsprechend, die Wertschätzung der Nevolutionswirkungen
zu halten habe, schien um so mißlicher, da denn doch oft auch die offenbarsten
Mißbräuche ohne Abhilfe gelassen, auch die bescheidensten Klagen übel auf¬
genommen wurden. Wir verwundern uns nicht, wenn wir auch in jeuer Zeit
ruheliebende Männer klagen hören, als Sache der Schwachköpfe gelte es, mit
dem Bestehenden zufrieden zu sein, zu einen: Genie gehöre es, alles zu tadeln.
Es versteht sich, daß an vielen Stellen besondre Unistände und Beweg¬
gründe der französischen Revolution noch zu einer besondern Empfehlung dienten.
In wenigen Punkten erfreute sich die Nationalversammlung eiues so vollstim-
miger Beifalls auf deutschem Boden wie in der freien Art, nach den Gesichts¬
punkten des Staates über kirchliche Verfassnngs- und Berwaltnngsverhältnisse
zu verfügen. Selbst im katholischen Deutschland fehlte es nicht an Beifall;
hatte doch Joseph II. in seinen Staaten ganz ähnliches geleistet und dabei
auch unter dem Klerus Anhänger gefunden. Die Oberdeutsche Litterntur-
zeituug, die in Salzburg unter der Herrschaft eines freisinnigen Erzbischof5
erschien, beurteilte die kirchlichen Maßnahmen der französischen National¬
versammlung günstig. Ungleich allgemeiner war aber natürlich der Beifall
unter den Protestanten. Wie hätten sie nicht an dein Zerwürfnis der franzö¬
sischen Nationalversammlung mit der Autorität der römischen Kirche ihr Wohl¬
gefallen finden sollen! Vor den Augen der damaligen Aufklärung trat die
gewaltige Verschiedenheit zwischen dein Charakter dieses Zerwürfnisses und
dem der lutherisch-zwinglischen Reformation zurück gegen den Umstand, daß
es hier wie dort die Bekämpfung des gleichen Feindes galt. Schlözer weist
darauf hin, daß die deutsche Nation zu einem großen Teile schon vor mehr
als 250 Jahren das ausgeführt habe, was erst jetzt die Weisesten der franzö¬
sischen Nation unternähmen, und fordert auf, Stellen ans Lntherschen Schriften
mit solchen aus Mirabeaus Reden zu vergleichen und zu entscheide!?, bei wem
die größte Kraft zu finden sei.
Noch viel stärker und allgemeiner machte sich aber doch etwas andres
bemerklich. Wenn der Adel eine Klasse bildete, in der der Widerwille gegen
die Revolution eine vorzügliche Stätte fand, so wird man sich nicht minder
leicht vorstellen, daß unter den übrigen Klassen alles, was in ihnen gegen den
Grenzboten II 1889 L
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