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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

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spätern der große Künstler einen so wahren Ausdruck fand, der die Rouen
trionkantö auf die Gestalten des Nil und des Tiber, als Sinnbilder der ägyp¬
tischen und der römischen Kultur, stützte. Allgemein verstündlich zu sein bei
Vollständigkeit und Gediegenheit ist das größte Lob, das einem Buche zu teil
werden kann, und es ist erfreulich, daß auch die uns vorliegende deutsche
Bearbeitung des Werkes es verstanden hat, den gelehrten und oft spröden
Stoff in einer schönen und anregenden Darstellung vorzutragen, die, himmel¬
weit verschieden von dem gewöhnlichen Gelehrtenjargon, alle nicht als Kunst¬
ausdrücke berechtigten Fremdwörter vermeidet und in ihrer einfachen Ausdrucks¬
weise selbst in schwierigen Dingen klar und verständlich bleibt.

Maspervs Werk: ^rvluzuloM og^xtisnnö, was Steindorff mit Glück
in "Ägyptische Kunstgeschichte" übertragen hat, besitzt nicht nur deu Vorzug
der Kürze bei reichstem Inhalt, sondern auch den, "daß sein Verfasser als
langjähriger Direktor des Museums von Bulak und als Leiter der ägyptischen
Ausgrabungen eine Reihe von Erfahrungen auf dem Felde der praktischen Archäo¬
logie gesammelt und hier niedergelegt hat, die neben ihm kein andrer Ägypto-
loge besitzt und besitzen kann." Steiudvrff hat an dem Texte des französischen
Originals nichts geändert und seinen gelegentlichen Gegenmeinungen nur in
Anmerkungen am Schlüsse des Buches Ausdruck gegeben. Für die Umschrei¬
bung der ägyptischen Eigennamen war ihm die Lesbarkeit der Form mit Recht
maßgebend. Die Bereicherung der deutschen Ausgabe um 16 Abbildungen
von noch unveröffentlichen Gegenstünden im Berliner ägyptischen Museum und
um den dadurch erforderten (durch Klammern ausgezeichneten) Text ist umso
dankenswerter, als Maspero die reichen Berliner Sammlungen fast unberück¬
sichtigt gelassen hat. Auch das Namen- und Sachregister ist eine willkommne
Zugabe. Die sehr zahlreichen Abbildungen sind trotz des verhältnismäßig
kleinen Maßstabes vollkommen deutlich. Zu tadeln ist nur die oft mikro¬
skopische Kleinheit der Buchstaben und Zahlen in manchen architektonischen
Zeichnungen, die Folge verkleinernder Phvtotypie.

Das erste Kapitel behandelt den Privat- und Festungsbau. Steiudvrff
nennt es das schwächste des Werkes, und allerdings fordert darin manches zum
Widerspruch heraus. Wir wollen auf den ersten und den dritten Abschnitt, "Die
Häuser" und "Öffentliche Bauten," nicht näher eingehen, da Steindorffs An¬
merkungen die Haupteinwendungen bereits vorbringen, können aber einige
Zweifel, die den zweiten Abschnitt "Festungsbau" angehen, nicht unterdrücken.
Sollte z. B. die nicht ganz klare Darstellung S. 17--21 der Stadt Abydos
zwei vorgeschobene selbständige Forts zuweisen, so müßten wir diese Über¬
tragung von Ideen der modernen Kriegsbaukunst auf Festungen jener Zeit
aus militärwissenschaftlichen Gründen als verfehlt bezeichnen. Da nun aber
von dem einen dieser Forts, das "gleichsam der Kern eines Hügels" ist und
für ein Fort sehr schwache Mauern hat, bemerkt wird: "schon seit der fünften


spätern der große Künstler einen so wahren Ausdruck fand, der die Rouen
trionkantö auf die Gestalten des Nil und des Tiber, als Sinnbilder der ägyp¬
tischen und der römischen Kultur, stützte. Allgemein verstündlich zu sein bei
Vollständigkeit und Gediegenheit ist das größte Lob, das einem Buche zu teil
werden kann, und es ist erfreulich, daß auch die uns vorliegende deutsche
Bearbeitung des Werkes es verstanden hat, den gelehrten und oft spröden
Stoff in einer schönen und anregenden Darstellung vorzutragen, die, himmel¬
weit verschieden von dem gewöhnlichen Gelehrtenjargon, alle nicht als Kunst¬
ausdrücke berechtigten Fremdwörter vermeidet und in ihrer einfachen Ausdrucks¬
weise selbst in schwierigen Dingen klar und verständlich bleibt.

Maspervs Werk: ^rvluzuloM og^xtisnnö, was Steindorff mit Glück
in „Ägyptische Kunstgeschichte" übertragen hat, besitzt nicht nur deu Vorzug
der Kürze bei reichstem Inhalt, sondern auch den, „daß sein Verfasser als
langjähriger Direktor des Museums von Bulak und als Leiter der ägyptischen
Ausgrabungen eine Reihe von Erfahrungen auf dem Felde der praktischen Archäo¬
logie gesammelt und hier niedergelegt hat, die neben ihm kein andrer Ägypto-
loge besitzt und besitzen kann." Steiudvrff hat an dem Texte des französischen
Originals nichts geändert und seinen gelegentlichen Gegenmeinungen nur in
Anmerkungen am Schlüsse des Buches Ausdruck gegeben. Für die Umschrei¬
bung der ägyptischen Eigennamen war ihm die Lesbarkeit der Form mit Recht
maßgebend. Die Bereicherung der deutschen Ausgabe um 16 Abbildungen
von noch unveröffentlichen Gegenstünden im Berliner ägyptischen Museum und
um den dadurch erforderten (durch Klammern ausgezeichneten) Text ist umso
dankenswerter, als Maspero die reichen Berliner Sammlungen fast unberück¬
sichtigt gelassen hat. Auch das Namen- und Sachregister ist eine willkommne
Zugabe. Die sehr zahlreichen Abbildungen sind trotz des verhältnismäßig
kleinen Maßstabes vollkommen deutlich. Zu tadeln ist nur die oft mikro¬
skopische Kleinheit der Buchstaben und Zahlen in manchen architektonischen
Zeichnungen, die Folge verkleinernder Phvtotypie.

Das erste Kapitel behandelt den Privat- und Festungsbau. Steiudvrff
nennt es das schwächste des Werkes, und allerdings fordert darin manches zum
Widerspruch heraus. Wir wollen auf den ersten und den dritten Abschnitt, „Die
Häuser" und „Öffentliche Bauten," nicht näher eingehen, da Steindorffs An¬
merkungen die Haupteinwendungen bereits vorbringen, können aber einige
Zweifel, die den zweiten Abschnitt „Festungsbau" angehen, nicht unterdrücken.
Sollte z. B. die nicht ganz klare Darstellung S. 17—21 der Stadt Abydos
zwei vorgeschobene selbständige Forts zuweisen, so müßten wir diese Über¬
tragung von Ideen der modernen Kriegsbaukunst auf Festungen jener Zeit
aus militärwissenschaftlichen Gründen als verfehlt bezeichnen. Da nun aber
von dem einen dieser Forts, das „gleichsam der Kern eines Hügels" ist und
für ein Fort sehr schwache Mauern hat, bemerkt wird: „schon seit der fünften


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[0619] spätern der große Künstler einen so wahren Ausdruck fand, der die Rouen trionkantö auf die Gestalten des Nil und des Tiber, als Sinnbilder der ägyp¬ tischen und der römischen Kultur, stützte. Allgemein verstündlich zu sein bei Vollständigkeit und Gediegenheit ist das größte Lob, das einem Buche zu teil werden kann, und es ist erfreulich, daß auch die uns vorliegende deutsche Bearbeitung des Werkes es verstanden hat, den gelehrten und oft spröden Stoff in einer schönen und anregenden Darstellung vorzutragen, die, himmel¬ weit verschieden von dem gewöhnlichen Gelehrtenjargon, alle nicht als Kunst¬ ausdrücke berechtigten Fremdwörter vermeidet und in ihrer einfachen Ausdrucks¬ weise selbst in schwierigen Dingen klar und verständlich bleibt. Maspervs Werk: ^rvluzuloM og^xtisnnö, was Steindorff mit Glück in „Ägyptische Kunstgeschichte" übertragen hat, besitzt nicht nur deu Vorzug der Kürze bei reichstem Inhalt, sondern auch den, „daß sein Verfasser als langjähriger Direktor des Museums von Bulak und als Leiter der ägyptischen Ausgrabungen eine Reihe von Erfahrungen auf dem Felde der praktischen Archäo¬ logie gesammelt und hier niedergelegt hat, die neben ihm kein andrer Ägypto- loge besitzt und besitzen kann." Steiudvrff hat an dem Texte des französischen Originals nichts geändert und seinen gelegentlichen Gegenmeinungen nur in Anmerkungen am Schlüsse des Buches Ausdruck gegeben. Für die Umschrei¬ bung der ägyptischen Eigennamen war ihm die Lesbarkeit der Form mit Recht maßgebend. Die Bereicherung der deutschen Ausgabe um 16 Abbildungen von noch unveröffentlichen Gegenstünden im Berliner ägyptischen Museum und um den dadurch erforderten (durch Klammern ausgezeichneten) Text ist umso dankenswerter, als Maspero die reichen Berliner Sammlungen fast unberück¬ sichtigt gelassen hat. Auch das Namen- und Sachregister ist eine willkommne Zugabe. Die sehr zahlreichen Abbildungen sind trotz des verhältnismäßig kleinen Maßstabes vollkommen deutlich. Zu tadeln ist nur die oft mikro¬ skopische Kleinheit der Buchstaben und Zahlen in manchen architektonischen Zeichnungen, die Folge verkleinernder Phvtotypie. Das erste Kapitel behandelt den Privat- und Festungsbau. Steiudvrff nennt es das schwächste des Werkes, und allerdings fordert darin manches zum Widerspruch heraus. Wir wollen auf den ersten und den dritten Abschnitt, „Die Häuser" und „Öffentliche Bauten," nicht näher eingehen, da Steindorffs An¬ merkungen die Haupteinwendungen bereits vorbringen, können aber einige Zweifel, die den zweiten Abschnitt „Festungsbau" angehen, nicht unterdrücken. Sollte z. B. die nicht ganz klare Darstellung S. 17—21 der Stadt Abydos zwei vorgeschobene selbständige Forts zuweisen, so müßten wir diese Über¬ tragung von Ideen der modernen Kriegsbaukunst auf Festungen jener Zeit aus militärwissenschaftlichen Gründen als verfehlt bezeichnen. Da nun aber von dem einen dieser Forts, das „gleichsam der Kern eines Hügels" ist und für ein Fort sehr schwache Mauern hat, bemerkt wird: „schon seit der fünften

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/619>, abgerufen am 05.02.2025.