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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

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Eine ägyptische Kunstgeschichte

Beziehungen zu Männern und Frauen der akademischen und höhern bürger¬
lichen Kreise, auch die Schönheit der Stadt fesselte ihn. Am engsten wurden
die Bande der Freundschaft mit Rosegger geknüpft, den Hamerling 1868
sogar selbst in die Litteratur eingeführt und stets sehr ehren- und liebevoll
beurteilt hat.

Seit mehr als zwei Jahrzehnten lebt Hamerling in Graz; den "Ahasver"
hat er auf einem Urlaub in Venedig geschrieben, aber schon den "König von
Sion" und seither alle Werke in der freundlichen Hauptstadt der grünen
Steiermark. Seit dem Jahre 1880 hat die Kränklichkeit des Dichters an
Heftigkeit zugenommen, sodaß er, wie Otto Ludwig, Mosen, Heine, seit Jahren
dazu verurteilt ist, ununterbrochen das Bett zu hüten. Ausführlich giebt
Hamerling Auskunft über seine Krankheit. Ein neuer Hiob, klagt er über die
Entbehrungen eines Menschen, der ans Bett gefesselt sei, während er in frühern
Jahren keinen Tag ohne größere Spaziergänge habe vergehen lassen. Rührend
und peinlich zugleich sind diese Schlußteile seiner Lebensbeschreibung.

Die Selbstcharakteristik Hamerlings ist mit dieser flüchtigen Inhaltsangabe
bei weitem nicht erschöpft. Aber wer könnte auch ein Buch, das ein langes,
thätiges und erfahrungsreiches Dasein gedankenvoll behandelt, ausschöpfen?


Moritz Necker


Eine ägyptische Kunstgeschichte

mes der besten Bücher des Auslandes liegt seit kurzem auch in
einer deutscheu Bearbeitung vor: Die Ägyptische Kunst¬
geschichte von G. Maspero, bearbeitet von G. Steindorff.
(Mit 316 Abbildungen im Texte. Leipzig, W. Engelmann, 1889.)
Mit Recht sagt der deutsche Bearbeiter: "Wir besitzen in Deutsch¬
land kein ähnliches Buch, das sich so eingehend und dabei so knapp und
allgemein verständlich mit den Fragen der ägyptischen Baukunst, Skulptur und
namentlich des Kunstgewerbes beschäftigte." Den Vorzug, den Steindorff mit
dem Worte allgemeinverständlich andeutet, möchten wir sogar noch mehr be¬
tonen: das Buch ist, obwohl es ein Fachwerk ist, auch dem gebildeten Laien
durchaus verständlich und vermittelt ihm leicht und angenehm eine genaue
Kenntnis jener wunderbaren Kultur, für deren Bedeutung als Grundlage aller


Eine ägyptische Kunstgeschichte

Beziehungen zu Männern und Frauen der akademischen und höhern bürger¬
lichen Kreise, auch die Schönheit der Stadt fesselte ihn. Am engsten wurden
die Bande der Freundschaft mit Rosegger geknüpft, den Hamerling 1868
sogar selbst in die Litteratur eingeführt und stets sehr ehren- und liebevoll
beurteilt hat.

Seit mehr als zwei Jahrzehnten lebt Hamerling in Graz; den „Ahasver"
hat er auf einem Urlaub in Venedig geschrieben, aber schon den „König von
Sion" und seither alle Werke in der freundlichen Hauptstadt der grünen
Steiermark. Seit dem Jahre 1880 hat die Kränklichkeit des Dichters an
Heftigkeit zugenommen, sodaß er, wie Otto Ludwig, Mosen, Heine, seit Jahren
dazu verurteilt ist, ununterbrochen das Bett zu hüten. Ausführlich giebt
Hamerling Auskunft über seine Krankheit. Ein neuer Hiob, klagt er über die
Entbehrungen eines Menschen, der ans Bett gefesselt sei, während er in frühern
Jahren keinen Tag ohne größere Spaziergänge habe vergehen lassen. Rührend
und peinlich zugleich sind diese Schlußteile seiner Lebensbeschreibung.

Die Selbstcharakteristik Hamerlings ist mit dieser flüchtigen Inhaltsangabe
bei weitem nicht erschöpft. Aber wer könnte auch ein Buch, das ein langes,
thätiges und erfahrungsreiches Dasein gedankenvoll behandelt, ausschöpfen?


Moritz Necker


Eine ägyptische Kunstgeschichte

mes der besten Bücher des Auslandes liegt seit kurzem auch in
einer deutscheu Bearbeitung vor: Die Ägyptische Kunst¬
geschichte von G. Maspero, bearbeitet von G. Steindorff.
(Mit 316 Abbildungen im Texte. Leipzig, W. Engelmann, 1889.)
Mit Recht sagt der deutsche Bearbeiter: „Wir besitzen in Deutsch¬
land kein ähnliches Buch, das sich so eingehend und dabei so knapp und
allgemein verständlich mit den Fragen der ägyptischen Baukunst, Skulptur und
namentlich des Kunstgewerbes beschäftigte." Den Vorzug, den Steindorff mit
dem Worte allgemeinverständlich andeutet, möchten wir sogar noch mehr be¬
tonen: das Buch ist, obwohl es ein Fachwerk ist, auch dem gebildeten Laien
durchaus verständlich und vermittelt ihm leicht und angenehm eine genaue
Kenntnis jener wunderbaren Kultur, für deren Bedeutung als Grundlage aller


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[0618] Eine ägyptische Kunstgeschichte Beziehungen zu Männern und Frauen der akademischen und höhern bürger¬ lichen Kreise, auch die Schönheit der Stadt fesselte ihn. Am engsten wurden die Bande der Freundschaft mit Rosegger geknüpft, den Hamerling 1868 sogar selbst in die Litteratur eingeführt und stets sehr ehren- und liebevoll beurteilt hat. Seit mehr als zwei Jahrzehnten lebt Hamerling in Graz; den „Ahasver" hat er auf einem Urlaub in Venedig geschrieben, aber schon den „König von Sion" und seither alle Werke in der freundlichen Hauptstadt der grünen Steiermark. Seit dem Jahre 1880 hat die Kränklichkeit des Dichters an Heftigkeit zugenommen, sodaß er, wie Otto Ludwig, Mosen, Heine, seit Jahren dazu verurteilt ist, ununterbrochen das Bett zu hüten. Ausführlich giebt Hamerling Auskunft über seine Krankheit. Ein neuer Hiob, klagt er über die Entbehrungen eines Menschen, der ans Bett gefesselt sei, während er in frühern Jahren keinen Tag ohne größere Spaziergänge habe vergehen lassen. Rührend und peinlich zugleich sind diese Schlußteile seiner Lebensbeschreibung. Die Selbstcharakteristik Hamerlings ist mit dieser flüchtigen Inhaltsangabe bei weitem nicht erschöpft. Aber wer könnte auch ein Buch, das ein langes, thätiges und erfahrungsreiches Dasein gedankenvoll behandelt, ausschöpfen? Moritz Necker Eine ägyptische Kunstgeschichte mes der besten Bücher des Auslandes liegt seit kurzem auch in einer deutscheu Bearbeitung vor: Die Ägyptische Kunst¬ geschichte von G. Maspero, bearbeitet von G. Steindorff. (Mit 316 Abbildungen im Texte. Leipzig, W. Engelmann, 1889.) Mit Recht sagt der deutsche Bearbeiter: „Wir besitzen in Deutsch¬ land kein ähnliches Buch, das sich so eingehend und dabei so knapp und allgemein verständlich mit den Fragen der ägyptischen Baukunst, Skulptur und namentlich des Kunstgewerbes beschäftigte." Den Vorzug, den Steindorff mit dem Worte allgemeinverständlich andeutet, möchten wir sogar noch mehr be¬ tonen: das Buch ist, obwohl es ein Fachwerk ist, auch dem gebildeten Laien durchaus verständlich und vermittelt ihm leicht und angenehm eine genaue Kenntnis jener wunderbaren Kultur, für deren Bedeutung als Grundlage aller

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/618>, abgerufen am 05.02.2025.