Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.Englische seine Bücher erlebt, und nicht zum wenigsten welche Rezensionen sie Es ist der Fluch der Unnaivitcit, der Nichtsnchlichkeit, daß sie den Menschen Greuztwtt'u 11 1LL!> 76
Englische seine Bücher erlebt, und nicht zum wenigsten welche Rezensionen sie Es ist der Fluch der Unnaivitcit, der Nichtsnchlichkeit, daß sie den Menschen Greuztwtt'u 11 1LL!> 76
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0609" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/205340"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_1703" prev="#ID_1702"> Englische seine Bücher erlebt, und nicht zum wenigsten welche Rezensionen sie<lb/> erfahren haben. Auch hier überall glaubt Hamerling seinem zukünftigen Bio¬<lb/> graphen durch Mitteilung von Thatsachen vorarbeiten zu müssen und also<lb/> dem Vorwürfe der Eitelkeit begegnet zu haben; daß die Mitteilung selbst seine<lb/> Sache nicht sein durfte, das fühlte er nicht. Er zählt auch ausführlich die<lb/> Namen aller der Menschen auf, die ihm persönlich oder brieflich liebens¬<lb/> würdig begegnet sind, stattet einen Generaldank all alle diese Menschen ab; in<lb/> einer Fußnote teilt er auch mit Auswahl Namen von gutem Klänge ans der<lb/> Wiener Gesellschaft mit, die ans einer ihm 1888 überreichten Huldiguugsndresse<lb/> (die 108 Unterschriften auswies) unterzeichnet waren. Offenbar wollte er hier<lb/> auch uur Thatsächliches berichten und die Namen dnrch Aufnahme in seine<lb/> jedenfalls unsterbliche Lebensbeschreibung vor der Vergessenheit schützen. Auch<lb/> diese Geschmacklosigkeiten sind eine Folge des verkehrten Grundsatzes, in der<lb/> Selbstbiographie alle seine Person betreffenden Thatsachen und „nichts als<lb/> diese" mitzuteilen. Die feine Unterscheidung zwischen dem künstlerischen Menschen<lb/> und dem Pfahlbürger ging dein Erzähler dabei verloren. Vor lauter Furcht,<lb/> eitel zu erscheinen, hat der Erzähler, dein es an Unbefangenheit sich selbst<lb/> gegenüber fehlt, doch den Schein derselben auf sich geladen. Der Mißtrauische<lb/> erweckt Mißtrauen. Darum machen auch alle die interessanten Mitteilungen<lb/> Hamerlings über das universale Streben seines jugendlichen Geistes, der sich<lb/> mit keinem einzelnen Fach- und Brotstudium begnügte, sondern womöglich alle<lb/> an der Universität gelehrten Wissenschaften betrieben hätte und in der That<lb/> neben der Philologie und Geschichte auch Anatomie und Chemie hörte, neben<lb/> den neuern Sprachen auch Sanskrit und Persisch lernte, einen eigentümlichen<lb/> Eindruck. nachdrücklich hebt Hamerling hervor, daß er nie bei einem Meister<lb/> lernte, was er sich durch das Studium von Büchern erwerben konnte;<lb/> anch Klavierspielen und Botanik lernte er von selbst; das Schwimmen<lb/> zu erlernen gelang ihm nicht ans diesem Wege, darum vernachlässigte<lb/> er es auch.</p><lb/> <p xml:id="ID_1704" next="#ID_1705"> Es ist der Fluch der Unnaivitcit, der Nichtsnchlichkeit, daß sie den Menschen<lb/> nie zur vollen Freiheit gelangen laßt, sondern den sich selbst bespiegelnden Geist<lb/> in sich selbst einsperrt; sie macht es ihm unmöglich, unmittelbar ans die Herzen<lb/> der Menschen zu wirken; den beseelt Eigenschaften verleiht sie einen säuerlichen<lb/> Zusatz, der abkühlend auf den Nebenmenschen wirkt, mag dieser auch mit der<lb/> größten Bereitwilligkeit entgegenkommen. Darum kann mich ein solcher Mensch,<lb/> der immer daran denkt, welchen Eindruck seine Thaten oder Empfiiidnngen her¬<lb/> vorrufen könnten, nie wahrhaft liebenswürdig erscheinen; darum kann er sich<lb/> auch nicht wahrhaft glücklich fühlen, denn dieses Gefühl zieht in uus nur dann<lb/> ein, wenn wir ganz in einem andern, sei es in einer Sache oder in einem<lb/> Menschen aufgehen. Die Selbstvergessenheit des schaffenden Genies oder des<lb/> liebenden Menschen vermag allein Glück zu bringen. Glück ist das Vernlögen</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Greuztwtt'u 11 1LL!> 76</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0609]
Englische seine Bücher erlebt, und nicht zum wenigsten welche Rezensionen sie
erfahren haben. Auch hier überall glaubt Hamerling seinem zukünftigen Bio¬
graphen durch Mitteilung von Thatsachen vorarbeiten zu müssen und also
dem Vorwürfe der Eitelkeit begegnet zu haben; daß die Mitteilung selbst seine
Sache nicht sein durfte, das fühlte er nicht. Er zählt auch ausführlich die
Namen aller der Menschen auf, die ihm persönlich oder brieflich liebens¬
würdig begegnet sind, stattet einen Generaldank all alle diese Menschen ab; in
einer Fußnote teilt er auch mit Auswahl Namen von gutem Klänge ans der
Wiener Gesellschaft mit, die ans einer ihm 1888 überreichten Huldiguugsndresse
(die 108 Unterschriften auswies) unterzeichnet waren. Offenbar wollte er hier
auch uur Thatsächliches berichten und die Namen dnrch Aufnahme in seine
jedenfalls unsterbliche Lebensbeschreibung vor der Vergessenheit schützen. Auch
diese Geschmacklosigkeiten sind eine Folge des verkehrten Grundsatzes, in der
Selbstbiographie alle seine Person betreffenden Thatsachen und „nichts als
diese" mitzuteilen. Die feine Unterscheidung zwischen dem künstlerischen Menschen
und dem Pfahlbürger ging dein Erzähler dabei verloren. Vor lauter Furcht,
eitel zu erscheinen, hat der Erzähler, dein es an Unbefangenheit sich selbst
gegenüber fehlt, doch den Schein derselben auf sich geladen. Der Mißtrauische
erweckt Mißtrauen. Darum machen auch alle die interessanten Mitteilungen
Hamerlings über das universale Streben seines jugendlichen Geistes, der sich
mit keinem einzelnen Fach- und Brotstudium begnügte, sondern womöglich alle
an der Universität gelehrten Wissenschaften betrieben hätte und in der That
neben der Philologie und Geschichte auch Anatomie und Chemie hörte, neben
den neuern Sprachen auch Sanskrit und Persisch lernte, einen eigentümlichen
Eindruck. nachdrücklich hebt Hamerling hervor, daß er nie bei einem Meister
lernte, was er sich durch das Studium von Büchern erwerben konnte;
anch Klavierspielen und Botanik lernte er von selbst; das Schwimmen
zu erlernen gelang ihm nicht ans diesem Wege, darum vernachlässigte
er es auch.
Es ist der Fluch der Unnaivitcit, der Nichtsnchlichkeit, daß sie den Menschen
nie zur vollen Freiheit gelangen laßt, sondern den sich selbst bespiegelnden Geist
in sich selbst einsperrt; sie macht es ihm unmöglich, unmittelbar ans die Herzen
der Menschen zu wirken; den beseelt Eigenschaften verleiht sie einen säuerlichen
Zusatz, der abkühlend auf den Nebenmenschen wirkt, mag dieser auch mit der
größten Bereitwilligkeit entgegenkommen. Darum kann mich ein solcher Mensch,
der immer daran denkt, welchen Eindruck seine Thaten oder Empfiiidnngen her¬
vorrufen könnten, nie wahrhaft liebenswürdig erscheinen; darum kann er sich
auch nicht wahrhaft glücklich fühlen, denn dieses Gefühl zieht in uus nur dann
ein, wenn wir ganz in einem andern, sei es in einer Sache oder in einem
Menschen aufgehen. Die Selbstvergessenheit des schaffenden Genies oder des
liebenden Menschen vermag allein Glück zu bringen. Glück ist das Vernlögen
Greuztwtt'u 11 1LL!> 76
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