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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

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kauften Jmportscheine, also gegen ein oder zwei Zehntel des gesetzlichen Zoll¬
betrages, könnte dann über Köln das russische, über Regensburg und Lindau
das österreichische Getreide in das Reich eingeführt werden. Das hieße denn
doch Brudermord verüben, den Westen und Süden zum Bordelle des Ostens
und Nordens schädige". Der Ampachfche Antrag ist von dieser bedenklichen
Seite schon im Reichstage beleuchtet worden und wird von diesem in abseh¬
barer Zeit niemals genehmigt werden. In seinem Gefolge würde -- mögen
gewöhnliche oder ungewöhnliche Zeitläufte obwalten -- der zum Schutze des
Südens und Westens eingeführte Zoll jedenfalls ermäßigt werden, was wir
nicht billigen können. Daß übrigens bei Ausführung des Ampnchscheu An¬
trages der Zollertrag dem Reiche in großen Beträgen verloren gehen kann,
wollen wir hier nur andeuten.

Die Frage der Aufhebung des Identitätsnachweises hat aber noch zu
einem dritten Projekte geführt und zwar zu dem Antrage von Graf Stolberg
und Genossen. Dieser Antrag verlangt Banrzahluug des Zolles bei der
Einfuhr, sowie eine dem Zollsatz entsprechende baare "Vergütung" bei der
Ausfuhr von jeglichem Getreide. Auch dieser Antrag setzt weder eine Fest¬
stellung uoch eine Aufhebung der Identität voraus, und seiue Unterordnung
unter die Anträge, die die Aufhebung der Identität bezwecken, kann die eigent¬
lichen Ziele leicht verdunkeln. Daß der Zoll bei der Einfuhr baar gezahlt
wird, bildet bei jedem Zoll die Regel und stellt nichts neues dar. Neu und
auffallend ist nur die Bestimmung, daß bei jeder Ausfuhr eine dem Zollsatz
entsprechende "Vergütung" gezahlt werden soll, und zwar soll ein Zoll ver¬
gütet werden z. B. in Danzig einem Exporteur, der selbst nie importirt und
nie eiuen Zoll gezahlt hat. Ob irgend ein andrer einen Zoll vorher gezahlt
hat, das soll auch uicht festgestellt, sondern die "Vergütung" soll stets gezahlt
werden. Das Wort "Vergütung" ist also unrichtig angewandt. Nach dem
Stvlbergschen Antrage soll bei jeder Ausfuhr ohne jede vvrgüngige Leistung
eine Zahlung aus der Staatskasse erfolgen, die Ausfuhr soll also befördert
oder -- prämiirt werden. Die letzte, allein richtige Bezeichnung wird sorg¬
fältig vermieden, stellt aber den Antrag in das richtige Licht.

Die Antragsteller Graf Stolberg und Genossen begründen den Antrag
durch die für die Gegenwart richtige Angabe, daß das Reich bedentend mehr
Getreide verbraucht, als erzeugt, daß eine Überproduktion auch uicht zu befürchten
ist, da die Bevölkerung und der Verbrauch stetig zunehmen, daß an der wesent¬
lichen, unzweifelhaft eintretenden Preissteigerung alle getreideerzeugeuden Ge¬
biete des Reiches, nicht bloß wie bei dem Ampachschen Antrage der Norden
und Osten, sondern auch der Süden und Westen teilnehmen würden. Die
Antragsteller gaben allerdings zu, daß, wenn eine Überproduktion -- was sie
entschieden in Abrede stellen -- zu befürchten wäre, die von ihnen vorgeschlagene
Maßregel für die deutsche Landwirtschaft verhängnisvoll werden würde. (Siehe


kauften Jmportscheine, also gegen ein oder zwei Zehntel des gesetzlichen Zoll¬
betrages, könnte dann über Köln das russische, über Regensburg und Lindau
das österreichische Getreide in das Reich eingeführt werden. Das hieße denn
doch Brudermord verüben, den Westen und Süden zum Bordelle des Ostens
und Nordens schädige». Der Ampachfche Antrag ist von dieser bedenklichen
Seite schon im Reichstage beleuchtet worden und wird von diesem in abseh¬
barer Zeit niemals genehmigt werden. In seinem Gefolge würde — mögen
gewöhnliche oder ungewöhnliche Zeitläufte obwalten — der zum Schutze des
Südens und Westens eingeführte Zoll jedenfalls ermäßigt werden, was wir
nicht billigen können. Daß übrigens bei Ausführung des Ampnchscheu An¬
trages der Zollertrag dem Reiche in großen Beträgen verloren gehen kann,
wollen wir hier nur andeuten.

Die Frage der Aufhebung des Identitätsnachweises hat aber noch zu
einem dritten Projekte geführt und zwar zu dem Antrage von Graf Stolberg
und Genossen. Dieser Antrag verlangt Banrzahluug des Zolles bei der
Einfuhr, sowie eine dem Zollsatz entsprechende baare „Vergütung" bei der
Ausfuhr von jeglichem Getreide. Auch dieser Antrag setzt weder eine Fest¬
stellung uoch eine Aufhebung der Identität voraus, und seiue Unterordnung
unter die Anträge, die die Aufhebung der Identität bezwecken, kann die eigent¬
lichen Ziele leicht verdunkeln. Daß der Zoll bei der Einfuhr baar gezahlt
wird, bildet bei jedem Zoll die Regel und stellt nichts neues dar. Neu und
auffallend ist nur die Bestimmung, daß bei jeder Ausfuhr eine dem Zollsatz
entsprechende „Vergütung" gezahlt werden soll, und zwar soll ein Zoll ver¬
gütet werden z. B. in Danzig einem Exporteur, der selbst nie importirt und
nie eiuen Zoll gezahlt hat. Ob irgend ein andrer einen Zoll vorher gezahlt
hat, das soll auch uicht festgestellt, sondern die „Vergütung" soll stets gezahlt
werden. Das Wort „Vergütung" ist also unrichtig angewandt. Nach dem
Stvlbergschen Antrage soll bei jeder Ausfuhr ohne jede vvrgüngige Leistung
eine Zahlung aus der Staatskasse erfolgen, die Ausfuhr soll also befördert
oder — prämiirt werden. Die letzte, allein richtige Bezeichnung wird sorg¬
fältig vermieden, stellt aber den Antrag in das richtige Licht.

Die Antragsteller Graf Stolberg und Genossen begründen den Antrag
durch die für die Gegenwart richtige Angabe, daß das Reich bedentend mehr
Getreide verbraucht, als erzeugt, daß eine Überproduktion auch uicht zu befürchten
ist, da die Bevölkerung und der Verbrauch stetig zunehmen, daß an der wesent¬
lichen, unzweifelhaft eintretenden Preissteigerung alle getreideerzeugeuden Ge¬
biete des Reiches, nicht bloß wie bei dem Ampachschen Antrage der Norden
und Osten, sondern auch der Süden und Westen teilnehmen würden. Die
Antragsteller gaben allerdings zu, daß, wenn eine Überproduktion — was sie
entschieden in Abrede stellen — zu befürchten wäre, die von ihnen vorgeschlagene
Maßregel für die deutsche Landwirtschaft verhängnisvoll werden würde. (Siehe


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[0591] kauften Jmportscheine, also gegen ein oder zwei Zehntel des gesetzlichen Zoll¬ betrages, könnte dann über Köln das russische, über Regensburg und Lindau das österreichische Getreide in das Reich eingeführt werden. Das hieße denn doch Brudermord verüben, den Westen und Süden zum Bordelle des Ostens und Nordens schädige». Der Ampachfche Antrag ist von dieser bedenklichen Seite schon im Reichstage beleuchtet worden und wird von diesem in abseh¬ barer Zeit niemals genehmigt werden. In seinem Gefolge würde — mögen gewöhnliche oder ungewöhnliche Zeitläufte obwalten — der zum Schutze des Südens und Westens eingeführte Zoll jedenfalls ermäßigt werden, was wir nicht billigen können. Daß übrigens bei Ausführung des Ampnchscheu An¬ trages der Zollertrag dem Reiche in großen Beträgen verloren gehen kann, wollen wir hier nur andeuten. Die Frage der Aufhebung des Identitätsnachweises hat aber noch zu einem dritten Projekte geführt und zwar zu dem Antrage von Graf Stolberg und Genossen. Dieser Antrag verlangt Banrzahluug des Zolles bei der Einfuhr, sowie eine dem Zollsatz entsprechende baare „Vergütung" bei der Ausfuhr von jeglichem Getreide. Auch dieser Antrag setzt weder eine Fest¬ stellung uoch eine Aufhebung der Identität voraus, und seiue Unterordnung unter die Anträge, die die Aufhebung der Identität bezwecken, kann die eigent¬ lichen Ziele leicht verdunkeln. Daß der Zoll bei der Einfuhr baar gezahlt wird, bildet bei jedem Zoll die Regel und stellt nichts neues dar. Neu und auffallend ist nur die Bestimmung, daß bei jeder Ausfuhr eine dem Zollsatz entsprechende „Vergütung" gezahlt werden soll, und zwar soll ein Zoll ver¬ gütet werden z. B. in Danzig einem Exporteur, der selbst nie importirt und nie eiuen Zoll gezahlt hat. Ob irgend ein andrer einen Zoll vorher gezahlt hat, das soll auch uicht festgestellt, sondern die „Vergütung" soll stets gezahlt werden. Das Wort „Vergütung" ist also unrichtig angewandt. Nach dem Stvlbergschen Antrage soll bei jeder Ausfuhr ohne jede vvrgüngige Leistung eine Zahlung aus der Staatskasse erfolgen, die Ausfuhr soll also befördert oder — prämiirt werden. Die letzte, allein richtige Bezeichnung wird sorg¬ fältig vermieden, stellt aber den Antrag in das richtige Licht. Die Antragsteller Graf Stolberg und Genossen begründen den Antrag durch die für die Gegenwart richtige Angabe, daß das Reich bedentend mehr Getreide verbraucht, als erzeugt, daß eine Überproduktion auch uicht zu befürchten ist, da die Bevölkerung und der Verbrauch stetig zunehmen, daß an der wesent¬ lichen, unzweifelhaft eintretenden Preissteigerung alle getreideerzeugeuden Ge¬ biete des Reiches, nicht bloß wie bei dem Ampachschen Antrage der Norden und Osten, sondern auch der Süden und Westen teilnehmen würden. Die Antragsteller gaben allerdings zu, daß, wenn eine Überproduktion — was sie entschieden in Abrede stellen — zu befürchten wäre, die von ihnen vorgeschlagene Maßregel für die deutsche Landwirtschaft verhängnisvoll werden würde. (Siehe

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/591>, abgerufen am 06.02.2025.