Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.gelingen ihm Kinder und Frauen, aber auch feine, milde Künstlernaturen Wenden wir uns nun zu dem bildnerischen Schmuck der Wände. Auch gelingen ihm Kinder und Frauen, aber auch feine, milde Künstlernaturen Wenden wir uns nun zu dem bildnerischen Schmuck der Wände. Auch <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0575" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/205306"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_1614" prev="#ID_1613"> gelingen ihm Kinder und Frauen, aber auch feine, milde Künstlernaturen<lb/> glücken ihm, wie Schubert oder Anastasius Grün. Und so war er denn auch<lb/> der richtige Mann, Grillparzer lebenswahr zu bilden. Der Dichter erscheint<lb/> etwa fünfnndvierzigjährig, in einem Alter also, wo die Blütezeit seines dichte¬<lb/> rischen Schaffens bereits vorbei war, seine Meisterwerke bereits geschrieben<lb/> waren. Aber Kundmann durfte Grillparzer den Wienern nicht als den jungen,<lb/> braungelockten Dichter der „Sappho" vorführen, der wär ihnen ganz und gar<lb/> fremd erschienen, in ihrer Erinnerung lebt Grillparzer als ein alter grämlich<lb/> dreinsehender Herr, einem in Ruhestand versetzten Hofrat ähnlicher als einen,<lb/> Künstler. Es ist nur zu loben, daß Kundmann dieser Überlieferung nicht zu<lb/> sehr nachgegeben, daß er einen Mittelweg eingeschlagen hat. Ob freilich<lb/> künftige Geschlechter in dieser Gestalt den Schöpfer der „Ahnfrau," der<lb/> „Sappho," der „Medea," der Hero- und Leandertragödie und des Schau¬<lb/> spiels „Der Traum ein Leben" wiederfinden werden, ist eine andre Frage.<lb/> Genug, Kundmanns Grillparzer ist ein Mann in mittleren Jahren, die Züge<lb/> sind nicht willkürlich gemodelt, sondern einem Gemälde von Daffinger abge¬<lb/> lauscht, edel und sinnend; er ruht in einem Lehnstuhl, das Haupt leicht nach<lb/> vorn geneigt, wie er es in Wirklichkeit trug, in der Linken lose ein Buch<lb/> haltend, die Rechte auf das Bein gestützt. Man könnte fragen, ob es denn<lb/> passend sei, einen Dichter als Leser vorzuführen, ob nicht die alte bildnerische<lb/> Schablone, wonach Poeten immer mit Schreibtafel und Griffel dargestellt<lb/> werden, vorzuziehen gewesen wäre. Aber es ist doch so ganz gut. Mau mag<lb/> sich denken, Grillparzer habe eben die Geschichte Rudolfs II. gelesen oder die<lb/> Chronik des Gregorius von Tours, die ihm den Stoff zu „Weh dem, der<lb/> lügt" geliefert hat; nun ruht er und denkt über das Gelesene nach, es beginnt<lb/> sich in seiner Seele dichterisch zu gestalten, wir belauschen ihn gleichsam in<lb/> seiner Werkstatt. Besonders des Abends in der ersten Dämmerung scheint es<lb/> dem Beschauer, der lange und starr hinsieht, als huschten geheimnisvolle<lb/> Lichter über das ruhige Marmorantlitz, es beginnt „heimlich zu leben," und<lb/> dann möchte man sagen: ja, so muß er ausgesehen haben, wenn er dichtete,<lb/> kaum daß man den Glanz und die Bewegung des Anges vermißt. Einfach<lb/> und nüchtern, dem schlicht bürgerlichen Wesen Grillparzers gemäß, ist Körper<lb/> und Gewandung behandelt: sicherlich hat sich Kundmann, der so gern schöne<lb/> Formen schön verhüllt darstellt, Gewalt angethan. Überscharfe Beobachter<lb/> wollen freilich finden, daß der Mantel, in den der Unterleib gehüllt ist, zu<lb/> zierliche Falten schlage, das durchscheinende Bein beinahe weibliche Fülle zeige.<lb/> Aber auf keinen Fall tritt dies so stark hervor, daß es störte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1615" next="#ID_1616"> Wenden wir uns nun zu dem bildnerischen Schmuck der Wände. Auch<lb/> Rudolf Weyr, der ihn geschaffen hat, ist ein Wiener, aber um etwa zehn Jahre<lb/> jünger als Kundmann. Seinen Ruf begründete er durch das dem Kaiser 1875<lb/> vom niederösterreichischen Gewerbeverein dargebrachte Jubilüumsgeschenk, einen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0575]
gelingen ihm Kinder und Frauen, aber auch feine, milde Künstlernaturen
glücken ihm, wie Schubert oder Anastasius Grün. Und so war er denn auch
der richtige Mann, Grillparzer lebenswahr zu bilden. Der Dichter erscheint
etwa fünfnndvierzigjährig, in einem Alter also, wo die Blütezeit seines dichte¬
rischen Schaffens bereits vorbei war, seine Meisterwerke bereits geschrieben
waren. Aber Kundmann durfte Grillparzer den Wienern nicht als den jungen,
braungelockten Dichter der „Sappho" vorführen, der wär ihnen ganz und gar
fremd erschienen, in ihrer Erinnerung lebt Grillparzer als ein alter grämlich
dreinsehender Herr, einem in Ruhestand versetzten Hofrat ähnlicher als einen,
Künstler. Es ist nur zu loben, daß Kundmann dieser Überlieferung nicht zu
sehr nachgegeben, daß er einen Mittelweg eingeschlagen hat. Ob freilich
künftige Geschlechter in dieser Gestalt den Schöpfer der „Ahnfrau," der
„Sappho," der „Medea," der Hero- und Leandertragödie und des Schau¬
spiels „Der Traum ein Leben" wiederfinden werden, ist eine andre Frage.
Genug, Kundmanns Grillparzer ist ein Mann in mittleren Jahren, die Züge
sind nicht willkürlich gemodelt, sondern einem Gemälde von Daffinger abge¬
lauscht, edel und sinnend; er ruht in einem Lehnstuhl, das Haupt leicht nach
vorn geneigt, wie er es in Wirklichkeit trug, in der Linken lose ein Buch
haltend, die Rechte auf das Bein gestützt. Man könnte fragen, ob es denn
passend sei, einen Dichter als Leser vorzuführen, ob nicht die alte bildnerische
Schablone, wonach Poeten immer mit Schreibtafel und Griffel dargestellt
werden, vorzuziehen gewesen wäre. Aber es ist doch so ganz gut. Mau mag
sich denken, Grillparzer habe eben die Geschichte Rudolfs II. gelesen oder die
Chronik des Gregorius von Tours, die ihm den Stoff zu „Weh dem, der
lügt" geliefert hat; nun ruht er und denkt über das Gelesene nach, es beginnt
sich in seiner Seele dichterisch zu gestalten, wir belauschen ihn gleichsam in
seiner Werkstatt. Besonders des Abends in der ersten Dämmerung scheint es
dem Beschauer, der lange und starr hinsieht, als huschten geheimnisvolle
Lichter über das ruhige Marmorantlitz, es beginnt „heimlich zu leben," und
dann möchte man sagen: ja, so muß er ausgesehen haben, wenn er dichtete,
kaum daß man den Glanz und die Bewegung des Anges vermißt. Einfach
und nüchtern, dem schlicht bürgerlichen Wesen Grillparzers gemäß, ist Körper
und Gewandung behandelt: sicherlich hat sich Kundmann, der so gern schöne
Formen schön verhüllt darstellt, Gewalt angethan. Überscharfe Beobachter
wollen freilich finden, daß der Mantel, in den der Unterleib gehüllt ist, zu
zierliche Falten schlage, das durchscheinende Bein beinahe weibliche Fülle zeige.
Aber auf keinen Fall tritt dies so stark hervor, daß es störte.
Wenden wir uns nun zu dem bildnerischen Schmuck der Wände. Auch
Rudolf Weyr, der ihn geschaffen hat, ist ein Wiener, aber um etwa zehn Jahre
jünger als Kundmann. Seinen Ruf begründete er durch das dem Kaiser 1875
vom niederösterreichischen Gewerbeverein dargebrachte Jubilüumsgeschenk, einen
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